Roboterkriege

Neue Waffe könnte Art der amerikanischen Kriegsführung verändern

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Während sich dieser Tage noch so mancher den Kopf darüber zerbricht, ob sich der Mensch im Allgemeinen und der Amerikaner im Besonderen überhaupt dazu eignet, "passende Ziele" für einen tödlichen Angriff auszuwählen, wird schon daran gearbeitet, solch sensible Entscheidungsfindungen lieber gleich Maschinen zu überlassen.

Gerade für die Einsätze zur Sicherung der Lufthoheit über feindlichem Gebiet entwickelt, könnte das Unmanned Combat Air Vehicle (UCAV) der US Air Force - laut New Scientist vom kommenden Samstag - die taktischen Entscheidungen über einen möglichen Angriff in Zukunft entscheidend beeinflussen.

Im Früjahr hatte die US-Luftwaffe bereits Tests mit der Drohne Predator, einem unbemannten Aufklärungsflugzeug, durchgeführt. Ausgerüstet mit einem Laserzielgerät und Hellfire-Geschossen, mit denen viele Hubschrauber ausgestattet sind, konnte dieses UCAV offenbar einen Panzer aus unterschiedlichen Flughöhen zerstören. Geplant ist vorerst nicht, die Predators zu UVACs umzurüsten.

Im Dezember sollen die ersten Flugtests des unbemannten Kriegsflugzeugs vom Typ X-45A stattfinden, das vollbewaffnete, autonome Kriegsmanöver offensiver Natur durchführen soll. In diesen Tests wird zum ersten Mal das Zusammenspiel eines UCAVs mit seinem Mutterschiff erprobt, das es dem Flugzeug erlaubt, nach Abschuss aller an Bord befindlichen Raketen noch während des Angriffs "nachzuladen". Gedacht sind sie vorwiegend, um Luftabwehrstellungen auszuschalten, bevor bemannte Flugzeuge kommen. So ist daran gedacht, kleine Attrappen oder Miniature Air-Launched Decoys (MALDs) abzufeuern und dann die feindlichen Radarstationen zu beschießen, wenn deren Radar eingeschaltet wird.

Die X-45A soll bis zu 1,5 Tonnen an Waffen mit sich führen und 1.500 Kilometer weit fliegen können. Ausgestattet ist sie mit Videokameras, einem GPS und Radar, um Ziele auszumachen. UCAVs sind billiger als bemannte Kriegsflugzeuge, es wird das Leben eigener Soldaten nicht riskiert, sie sind kleiner und wendiger, wodurch sie eher dem feindlichen Radar und der Luftabwehr entgehen können, und sie könnten im Unterschied zu Cruise Missiles auch Ziele verfolgen, deren Position man im voraus nicht genau kennt. Während bei Cruise Missiles auch die teure Zielsensorik mit zerstört wird, befindet sich diese im Flugzeug und man könnte billigere Raketen verwenden. Col. Michael Leahy, der für die Entwicklung der UCAVs zuständige DARPA-Programm-Manager, führt noch einen weiteren Kostenvorteil an: "Piloten benötigen jedes Jahr Hunderte von Flugstunden, um die Kampfbereitschaft aufrecht zu erhalten. Die UCAV-Operatoren können in Simulatoren trainieren."

UCAVs kehren zum Mutterschiff zurück

Sollten die Tests erfolgreich verlaufen, wird ab 2010 mit einem Einsatz des Waffensystems, das von der Boeing Phantom Works R&D entwickelt wird, bei der Air Force gerechnet. Dementsprechend vollmundig wird das UCAV-Programm bei Boeing angekündigt:

The development and deployment of UCAVs could significantly increase the effectiveness and survivability of manned fighter aircraft while lowering the overall cost of combat operations. Boeing is excited to be opening new frontiers with the development of this revolutionary new concept.

George Muellner, vice president-general manager, Boeing Phantom Works

Die Aussicht auf eine Zukunft, in der Flugzeuge sich selbst ihre Angriffsziele aussuchen, dürfte jedoch in erster Linie schwer wiegende Besorgnis hervorrufen. Kann ein System wie das UCAV jemals entscheiden, was ein legitimes Ziel darstellt, Freund und Feind auseinanderhalten, Zivilisten und Militär? "Es wäre dazu fähig zu erkennen, ob eine Brücke, die in die Luft gesprengt werden soll, gerade von einer Wagenladung Nonnen überquert wird", sagt dazu Andrew Brookes, Luftverteidigungsanalyst am Internationalen Institut für strategische Studien in London.

Ob sich die Nonnen darüber dann auch freuen könnten, bleibt allerdings unklar - über deren weiteres Schicksal hüllt Brookes sich in Schweigen.

Auch, wie das System im Einzelnen eigentlich funktionieren soll, ist noch nicht klar. Im UCAV-Programm wird zwar ausdrücklich betont, dass es "ohne vorherige menschliche Zustimmung keinerlei tödliche Aktionen" geben werde. Aber in der weiteren Ausführung heißt es:

Nach der vorherigen Zustimmung ist das UCAV-Operationssystem in der Lage, Verteidigungsaktionen autonom durchzuführen sowie plötzlich auftauchende Bedrohungen zu bekämpfen.

Was eine "plötzlich auftauchende Bedrohung" ("pop-up threat") aber genau ist, weigert sich die US Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die das Projekt finanziert, zu definieren. Da das eine taktische Angelegenheit sei, so die lapidare Begründung, läge eine Entscheidung im einzelnen Fall sowieso ausschließlich bei der US Air Force. Doch schon der Terminus "vorherige menschliche Zustimmung" erscheint fragwürdig - das UCAV ist so konstruiert, dass es selbständig handelt und sich verteidigt, sobald die Kommunikation zusammengebrochen ist.

Bleibt ein Beweis über die Unterscheidungsfähigkeiten des Systems aus, würde sein Einsatz allerdings einen Verstoß gegen die Genfer Konvention darstellen, die den willkürlichen Abschuss von Waffen verbietet. Sollten sich die hohen Ansprüche an das UCAV-System, die erforderlich wären, eines Tages aber dennoch erfüllen, wäre die mögliche Folge, dass die amerikanische Regierung noch eher zu militärischen Einsätzen neigt. Besteht erst mal nicht mehr die Gefahr, dass die eigenen Truppen in Leichensäcke gehüllt nach Hause zurückkehren, könnte das eine angriffslustige Einstellung nur begünstigen.

These aircraft will allow Air Force leaders to breathe easier when making a combat decision. What UCAV lets us do is attack a target without the concern of loosing a pilot, or having someone become a prisoner of war.

Maj. Rob Vanderberry, Sprecher der Air Combat Command

Während das nächste Ziel noch die Entwicklung eines unbemannten Flugzeugs ist, das die anderen kriegerischen Einsätze unterstützen soll, wird bereits daran gearbeitet, langfristig ein komplett roboterisiertes militärisches System auf die Beine zu stellen.