Rojava: Warten auf verlässliche US-Zusagen
Trump sagt "I love the Kurds". Garantien bekommen die verbündeten SDF in Nordsyrien aber nicht
Wie geht es mit dem Rückzug der US-Truppen aus Syrien weiter? Und wie wollen die USA die mit ihnen verbündeten Kurden schützen? Die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats, Ilham Ahmed, ist mit diesen Fragen nach Washington gefahren, um zu sondieren, wie es um die Unterstützung aus den USA steht.
Die Kurden aus der selbstverwalteten Zone Rojava, auch "Demokratische Föderation Nordsyrien" genannt, müssen sich entscheiden, wie sehr sie sich auf die Hilfe der USA verlassen können und ob es nicht besser ist, sich der Regierung in Damaskus unterzuordnen. Dort will man keinen Föderalismus mit autonomen Bestrebungen.
Der Demokratische Syrienrat, den Ilham Ahmed als Vorsitzende vertritt, ist der politischer Arm der von Kurden der Volksverteidigungseinheiten dominierten SDF (syrisch-demokratische Streitkräfte). Die SDF fungieren in Syrien als Bodentruppen der USA beim Kampf gegen IS-Milizen. Dafür haben viele ihr Leben riskiert und verloren.
Mit dem Abzug der US-Militärs entstehen den Kurden im selbstverwalteten Rojava neue Risiken. Die Türkei sieht in den Volksverteidigungseinheiten YPG, bzw. YPJ, so das Kürzel für die Frauenkampfverbände, Ableger der PKK, also Terroristen. Eine türkische Militäraktion mit ihren Verbündeten, den islamistischen syrischen Milizen, würde ähnlich wie in Afrin für die kurdische Bevölkerung Schlimmes bedeuten.
Die Angst der Kurden
Die Trennung zwischen Kurden und YPG/PYD-Mitglieder, auf den die Vertreter der Regierung Erdogan so insistieren, wird im echten Leben von der türkischen Besatzung in Afrin nicht gemacht. Es gibt horrende Menschenrechtsverletzungen, welche die gesamte kurdische Bevölkerung trifft und Umsiedlungsprojekte widersprechen dieser Behauptung. Für deren Fadenscheinigkeit lassen sich unzählige Beispiele finden, zum Beispiel zigtausend Gefangene und Gewaltopfer, die mit "Terrorverdacht" begründet werden.
Entsprechend haben die Kurden in Nordsyrien viel zu fürchten, falls Erdogan tatsächlich seine Ankündigung wahrmacht, ein weiteres Mal eine Militäraktion in Syrien durchzuführen. Seit Trump den Abzug der USA ankündigte und dabei die Türkei als Partner ins Spiel brachte, der beim Abzug assistieren sollte, gab es Befürchtungen und Spekulationen. Zumal Trump einiges widerrief, zum Beispiel, dass es ein schneller Abzug sein würde. Für weitere Verwirrungen sorgte er, wenn es um die die Einrichtung einer Pufferzone ging.
Dass vieles offen bleibt und nichts fest ausgemacht ist, spiegelt sich offensichtlich auch beim Washington-Besuch der Spitzenvertreterin der kurdischen Selbstverwaltung in Syrien wieder. So berichtet die Nachrichtenagentur AP lediglich von einer reichlich unverbindlichen Zusage, welche Ilham Ahmed dort bekommen haben soll.
"Die Türkei beruhigen"
Die bestehe darin, dass die USA sich darauf konzentrieren werde, die Türkei zu beruhigen, damit ein Kompromiss gefunden werde, der erlauben würde, dass "ihre Streitkräfte (forces)" dort bleiben können. Gemeint sein können nur die genannten Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ und es ist nicht vorstellbar, dass sich Erdogans Regierung zu einer solchen Abmachung bereitfinden würde.
Die Washington Post zitiert Ilham Ahmed mit der Aussage, dass die US-Truppen kein sichtbares Zeichen eines Abzugs geben würden und dass die Situation am Boden wie immer sei. Es gebe keine faktische Veränderung seit Trumps Ankündigung des Rückzugs. Auch am Verhältnis der USA zu ihren Verbündeten hat sich nichts geändert. Eine Pufferzone sie nicht diskutiert worden.
Aus Berichten über Ilham Ahmeds Besuch geht auch hervor, dass sie vor allem viele Hintergrundtreffen hatte, etwa mit Think Tank-Mitgliedern oder Senatoren, um dort Lobbyarbeit zu machen - bekannt ist dass es unter Mitgliedern des Repräsentantenhauses Gegner des Abzugs der USA gibt -, aber dass sie kein wirkliches Spitzentreffen hatte. Den geschäftsführenden Verteidigungsminister Patrick Shanahan traf sie nicht.
Dagegen kam es zu einem spontanen kurzen Zusammentreffen mit Trump, das von Medien hervorgehoben wurde. Der US-Präsident wird wie immer mit Zeilen aus einem Kinofilm zitiert: "I love the Kurds". Auf die Bitte Ahmeds, er dürfe nicht zulassen, dass die Kurden von Erdogan "abgeschlachtet" werden, antwortete er, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Die Kurden würde nicht getötet werden ("not going to be killed").
Eine Schutzzone für Kurden?
Laut al-Monitor-Autor Jack Detsch sprach Trump bei dem kurzen Zusammentreffen mit Ilham Ahmed nach deren Aussagen auch die Möglichkeit einer "Schutzzone" (safe zone) an, um die Kurden zu beschützen. Doch wer sollte diese garantieren, wenn die US-Truppen das Land verlassen? Auch wenn dies nach Aussagen des geschäftsführenden Verteidigungsminister Patrick Shanahan in einer "überlegten, koordinierten, disziplinierten" und also langsamen Weise vorangehen soll.
Den Think Tankern vom Middle East Institute erklärte Ilham Ahmed, dass die SDF gut Teil einer syrisch-arabischen Armee werden könnten. Das sei ein alternativer Plan, der wie sie behauptete, keinen eindeutigen Einspruch bei den Mitgliedern der US-Administration fand.
Allerdings ist jede Aussage Teil einer Taktik und bekommt nur daher seinen Wert. Wie aus Informationen der al-Monitor-Autorin Amberin Zaman hervorgeht, sagte Ilham Ahmed gegenüber einer saudi-arabischen Zeitung, dass die Verhandlungen mit Damaskus "nirgendwo hinführen" und die USA zwar Versprechungen machen würden, aber nicht agieren.
Bestätigt wird in diesem Artikel, dass allen Spekulationen über eine "Schutzzone" für Kurden zum trotz dies wegen der Türkei völlig unrealistisch sei. Die Türkei werde keinen Meter Entgegenkommen zeigen, wenn es um die YPG geht.