Rückkehrkampagne der Bundesregierung - in welche Heimat?

Seite 2: Türkei fördert Rückkehr nach Syrien

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Schon kurz nach der türkischen Annexion des nordsyrischen Kantons Afrin, begann in der Türkei die Werbung für Syrer mit Rückkehrprogrammen, um in den Häusern der vertriebenen Kurden, Christen und Eziden, dem türkischen Regime wohlgesonnene Syrer anzusiedeln. Der Bürgermeister von Esenyurt (Türkei), Ali Murat Alatepe, berichtete: "Der erste Konvoi war noch schwierig: 20 Menschen waren das, die haben wir richtig beknien müssen, es zu versuchen."

16 Konvois hat Alatepe, ein Freund Erdogans, mittlerweile auf die Reise geschickt. Die Stadtverwaltung in Esenyurt kümmert sich mit Übersetzern und Sachbearbeitern um die Rückkehrwilligen. Sie bieten Hilfe beim Ausfüllen von Formularen und buchen das kostenlose Rückkehr-Ticket.

Die Rückkehrer werden auf syrischem Boden vom türkischen Militär bis zu ihrer Unterkunft eskortiert und vom türkischen Katastrophenschutzamt und der Hilfsorganisation Roter Halbmond betreut, berichtet der Bürgermeister. "Einige Rückkehrer hätten in Afrin bereits eigene Geschäfte gründen können. Bis Jahresende will der Bürgermeister rund 6000 Syrer nach Hause geschickt haben, im nächsten Jahr sollen es 30.000 werden."

Nach den Angaben der türkischen Regierungsbehörden sind bisher schon 260.000 Flüchtlinge aus der Türkei in den syrischen Bezirk Jarablus zurückgekehrt, der 2016 von der Türkei annektiert wurde. Konkret bedeutet das, das es dort schon einen demographischen Austausch gegeben hat, denn die meisten geflüchteten Syrer kommen aus anderen Regionen Syriens.

Für die ehemalige Bevölkerung in Afrin sieht die Zukunft genauso schlecht aus. Wer sich nicht dem Erdogan-Regime auf syrischem Territorium unterordnet, hat keine Chance auf Rückkehr. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wies eine Klage von Bürgern aus Afrin wegen der Beschlagnahme von Haus und Hof mit der Begründung ab, der Rechtsweg in der Türkei sei nicht ausgeschöpft.

Das muss man sich genau vor Augen halten: Die türkische Regierung besetzt völkerrechtswidrig Teile des syrischen Territoriums und vertreibt und enteignet syrische Staatsbürger. Diese klagen vor dem EGMR und bekommen zu hören, sie müssten in der Türkei ihr Recht auf ihr Eigentum in Syrien einklagen. In einem Land, wo es kein Rechtssystem mehr gibt, das gar nicht zuständig ist für Ländereien in Syrien.

Alle 21 Klagen, die zwischen dem 23. Juli und dem 18. September eingereicht worden sind, wurden abgewiesen. Die Voraussetzung für Klagen beim EGMR ist die Ausschöpfung des Rechtswegs im Inneren. Wo ist das Innere in Syrien? In der Türkei?

Nach der Auffassung des EGMR müssten die Betroffenen in der Türkei klagen und dort in keiner Instanz ein Ergebnis erzielen, damit sie erst Gehör finden.

Auch die Erträge aus den Olivenhainen der Bewohner wurden von den Türkei, wie hier berichts berichtet, konfisziert. Zum Abtransport der Olivenernte - Afrin ist bekannt für sein gutes Olivenöl - wurde vor zwei Wochen bei der Stadt Jindires ein neuer Grenzübergang in die Türkei eröffnet, über den bereits 50.000 Tonnen Olivenöl in die Türkei gebracht wurden.

"Wir wollen nicht, dass die Gewinne an die PKK gehen. Wir wollen, dass die Gewinne aus diesem unter unserer Kontrolle stehenden Gebiet an uns gehen", rechtfertigte Landwirtschaftsminister Bekir Pakdemirli während der Haushaltsverhandlungen im türkischen Parlament den Olivenraub.

Die Junge Welt berichtet, dass die geraubten Oliven nach Spanien verkauft werden sollen. "Das ist dem Protokoll eines unter Aufsicht des türkischen Geheimdienstes MIT abgeschlossenen Abkommens zwischen den aus örtlichen Kollaborateuren der Besatzungsmacht gebildeten 'Lokalräten' in Afrin und türkeitreuen Milizen der Freien Syrischen Armee (FSA) zu entnehmen."

Das Gesamtvolumen der Einkünfte des türkischen Staates aus der Olivenernte wird darin auf rund 80 Millionen Dollar geschätzt. Wohlgemerkt, eine Ernte auf syrischem Territorium.

Die Geflüchteten aus der Region sehen wenig Chancen auf Rückkehr und Wiederaufbau ihrer Region. Pessimismus macht sich breit. Was die Türken einmal haben, geben sie nicht wieder her, ist deren Einschätzung. "Hätten wir die Wahl zwischen Pest und Cholera, würden wir eher das syrische Regime als das kleinere Übel wählen. Das kennen wir, damit konnten wir umgehen. Die haben uns zwar diskriminiert und arm gehalten, aber nicht vertrieben. Alles ist besser als die Türken."

Und im Gespräch stellen alle immer wieder die gleiche Frage: "Warum unterstützt uns die internationale Gemeinschaft, die EU, Deutschland, nicht im Aufbau einer demokratischen Alternative? Wir haben doch bewiesen, dass es einen Weg gibt für ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Ethnien und Religionen."