Russlands Wirtschaft: Privatisierungsschub geplant
Russland treibt die Privatisierung staatlicher Unternehmen voran. Das Finanzministerium hat ein entsprechendes Programm vorgelegt. Doch der Plan birgt Risiken.
Die vornehmlich von westlichen Staaten im Zuge des Krieges in der Ukraine verhängten Sanktionen gegen die Russische Föderation von 2022 haben das Land gezwungen, wirtschafts- und finanzpolitische Veränderungen vorzunehmen.
Entgegen westlicher Hoffnungen hat sich die russische Wirtschaft im Allgemeinen als recht widerstands- sowie anpassungsfähig erwiesen. Die jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts belief sich im Jahr 2023 auf über drei Prozent.
Ein falscher Weg
Nach dem Ausschluss Russlands vom Internationalen Zahlungssystem Swift arbeitet das Land im Rahmen der Brics-Partnerschaft am Aufbau eines unabhängigen alternativen Finanzsystems. In der Außenpolitik mit dem Westen konfrontiert, wirkt die Föderation auf die Schaffung einer multipolaren Weltordnung hin.
In seiner Rede vor dem Diskussionsforum Valdai-Club am 7. November 2024 räumte Präsident Wladimir Putin, ein, dass sich das Land bis Februar 2022 auf einem falschen Weg befunden habe, der nicht für das Land selbst, sondern für externe Kräfte günstig gewesen sei.
"Ich möchte nicht, dass Russland auf den Weg zurückkehrt, den es bis 2022 eingeschlagen hat (...). Dieser Weg beinhaltete verdeckte Interventionen, die darauf abzielten, Russland den Interessen anderer Nationen unterzuordnen, die glaubten, das Recht dazu zu haben", so Putin.
Als Rechtsnachfolger der Sowjetunion machte der russische Staat in den 1990er Jahren eine privat-kapitalistische Transformation durch. Ideologie und Praxis des Neoliberalismus hielten Einzug und dienten weniger der Entwicklung des Landes als vielmehr der des Finanzkapitals, dessen wichtige Zentren sich jedoch außerhalb ̶ im Westen ̶ befinden.
Zwischen staatsbezogener und neoliberaler Wirtschaftspolitik
In der Wirtschaftspolitik ist eine tatsächliche Abweichung von der neoliberalen Tendenz nicht festzustellen. Zwar deutete sich im Sommer 2023 zunächst eine Umverteilung von Eigentum zu Gunsten des Staates an, als die russische Generalstaatsanwaltschaft per Gerichtsbeschluss diverse Aktienpakete in föderales Eigentum umwandelte; darunter bedeutsame Unternehmen wie "Rolf" auf dem Automobilmarkt oder "Makfa" im Lebensmittelbereich.
Dieser Schritt sorgte für Spannungen in der Unternehmerschaft. Als Argument für die hier erfolgte Nationalisierung führte die Staatsanwaltschaft die bestehende "Gefahr für die Sicherheit und Souveränität der Russischen Föderation" an.
Befürchtungen von Unternehmern, dass der Übergang zu einem anderen als dem neoliberalen Wirtschaftsmodell bevorstehen könnte, entgegnete Präsident Putin selbst.
Er machte deutlich, dass es bei der Rückführung von Unternehmen und Immobilienkomplexen in das Staatseigentum nicht um eine Entprivatisierung der Wirtschaft gehe, sondern diese nur in Fällen gerechtfertigt sei, in denen Vermögenswerte unter Verletzung des Gesetzes erworben worden sind.
Am Prinzip der Privatisierung wird dagegen nicht nur festgehalten, sondern sie wird explizit von staatlichen Behörden vorangetrieben. So hat das russische Finanzministerium unter der Leitung Anton Siluanows der Regierung im Oktober diesen Jahres ein aktualisiertes Paket mit Privatisierungsvorschlägen übermittelt.
Programm der Privatisierung
Mit diesem Paket wird das Programm einer Privatisierung der dreißig größten staatlichen Unternehmen aufgefrischt, welches das Finanzministerium bereits Ende letzten Jahres zur Genehmigung vorgeschlagen hatte.
Finanzminister Siluanov äußert sich bei seinen Ausführungen über die Zweckmäßigkeit einer neuen Welle von Privatisierungen dahingehend, dass sich die Regierung der Notwendigkeit bewusst sei, die Wirtschaft zu entstaatlichen.
Private Aktionäre seien immer pragmatischer als der Staat ̶ das sei das Wichtigste. Ein Grund für diese Notwendigkeit wird abgesehen von neoliberalen Dogmen nicht genannt.
Diese Art von "Pragmatismus" der Großunternehmerschaft bestand in den letzten drei Jahrzehnten der Privatisierung vor allem darin, die von Generationen von Bürgerinnen und Bürgern in der Sowjetunion geschaffenen Industrieunternehmen in Paläste und Jachten der Oligarchie zu verwandeln.
Lesen Sie auch
In großem Stil überführten Aktionäre die Milliardengewinne aus den aufgekauften Betrieben ins Ausland, erwarben dort Immobilien, Jachten oder Schmuck in großen Mengen. Mittel, die man in die Entwicklung von High-Tech-Unternehmen, an denen es heute in Russland mangelt, hätte investieren können.
Gleichzeitig sehen die Pläne des Finanzministeriums den Verkauf nicht einiger stagnierender, sondern der rentabelsten Unternehmen vor. Im April 2024 wurde beispielsweise das Alkohol produzierende Unternehmen Rosspirtprom für nur 8,3 Milliarden Rubel verkauft, das mit einer Rentabilität von etwa 30 Prozent und einem Jahresgewinn von 2,5 Milliarden Rubel arbeitete.
Rentable Unternehmen mit einem hohen Anteil an staatlichem Eigentum könnten dem entsprechend von einem neuen Privatisierungsschub betroffen sein. So werden dem Staat garantierte und stabile Gewinnquellen entzogen, welche die kurzfristigen Einnahmen aus dem Verkauf langfristig weit übertreffen.
Für das Jahr 2024 stellte Siluanov fest, dass die Behörden in diesem Jahr die Pläne aus dem Verkauf von Staatseigentum überschritten hätten. Weiter hieß es aus dem Finanzministerium, dass die Behörden 184 Unternehmen in den Privatisierungsplan aufgenommen hätten. Im laufenden Jahr seien bereits 27 Unternehmen verkauft worden.