SPD und Union: Wahlkampf fürs Wohnzimmer
Die Mitteparteien ködern mit Familienzeit, Geld für Familien aus dem Staatshaushaltsüberschuss und steuerlichen Entlastungen
Es ist "Superwahljahr", die nächste Runde steht bevor: am 7. Mai die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und eine Woche später in NRW eine Wahl, die kräftigere Signale setzen wird. Danach ist "Wahlpause" bis zur Bundestagswahl im September. Die AfD und angeschlossene Bewegungen haben im Moment ihren Stress-Stachel verloren. Die Medien rücken die Konkurrenz zwischen SPD und Union mitsamt Koalitionsspekulationen in den Vordergrund.
Der "klassische Ort der moralischen Ökonomie"
Vertreter beider Volksparteien konzentrierten sich am Wochenende auf Versprechungen für eine Klientel, die für die Zukunft steht, für Solidität und Zusammenhalt, und deren Wünsche nicht ins Radikale abschweifen: die Familie. "Im Wohnzimmer der Familie", soll der zu früh verstorbene Frank Schirrmacher geäußert haben, "sitzen wir am klassischen Ort der moralischen Ökonomie, einer Ökonomie, 'die Dinge tut, für die man nicht bezahlt wird'".
Dieses soziale Kapital "umzurechnen", geht nicht. Die auf ganz andere Zeit- und Leistungskalküle bauende Arbeitswelt ist der anderen Welt grundsätzlich entgegengerichtet. Die Politik erweckt die Illusion, hier vermitteln zu können. Auf diese Kluft zwischen zwei Welten zielen die Vorschläge für eine Verbesserung der Verhältnisse der Familie, wie sie in den letzten Tagen in den Wahlkampf hineingeschickt werden.
Entlastungen
Den Anfang machte Martin Schulz mit einem Entlastungsversprechen, das grobkörnig folgendermaßen aussieht: Die Ausbildung der Kinder soll von der Krippe bis zum Meister- oder Hochschulabschluss kostenlos sein. Auch der Platz an der Ganztagesschule soll rechtlich garantiert werden. "Beide Eltern sollen und können arbeiten", heißt die Botschaft dazu, die auf die prekäre Seite der Familie aufmerksam macht: hohe Mieten in den Städten, wo sich viele Arbeitsplätze befinden, der Doppelverdienst als Garant für eine abgesicherte Perspektive.
Der SPD-Kandidat Schulz will sich darum bemühen, dass es eine Rückkehrgarantie für den Vollzeitjob gibt, womit - bislang - vor allem Frauen angesprochen werden. Die SPD-Vize und Familienministerin Manuela Schwesig legte heute bei der Entlastungsoffensive nach. Mit einem Vorschlag zur Entlastung von Familien mit kleinen Kindern oder mit Pflegebedürftigen.
Ihr Konzept heißt "Familienarbeitszeit". Künftig sollen "Väter und Mütter ihre Arbeitszeit zwei Jahre lang auf 26 bis 36 Stunden reduzieren können und dafür ein Familiengeld von zusammen 300 Euro erhalten. Eine ähnliche Regelung soll auch Angehörige entlasten, die sich um Pflegefälle in der Familie kümmern" (Die Zeit). Die Kosten werden auf etwa 2,5 Milliarden Euro im Jahr geschätzt.
Eine familienpolitische Offensive
Die Unionspolitiker Horst Seehofer und Peter Altmaier hatten am Wochenende über auflagenstarke Medien eine familienpolitische Offensive verkündet, mit etwas Distanz, so die FAZ, sekundiert vom familienpolitische Sprecher der Union, Marcus Weinberg. Weinberg, so das Zentralorgan des bürgerlichen-konservativen Milieus, machte auf das Ungefähre der Vorschläge aufmerksam: "Voraussetzung ist eine klare Finanzierung. Niemandem ist geholfen, wenn wir wolkige Versprechen am Himmel hin und her schieben."
Zu den "wolkigen Versprechungen", die Seehofer via Bild am Sonntag in den Frühling streute, gehören fünf Maßnahmen, von denen "nach der Wahl aber nur zwei oder drei umgesetzt werden sollen": Kindersplitting mit höheren Steuerfreibeträgen für jedes Kind, einmalige finanzielle Zuschüsse zum Beispiel für "einen Kinderwagen oder die Babyausstattung", ein Bildungskonto, auf das der Staat für die Ausbildung Geld überweist, die Entlastung bei Sozialversicherungsbeiträgen für Familien mit geringen Einkommen und die Überprüfung der Möglichkeit einer schrittweise Abschaffung der Kita-Gebühren.
Kanzleramtsminister Peter Altmaier kündigte über die Funke-Mediengruppe ebenfalls Unterstützung für Familien an: Hilfe bei der Eigentums- und Vermögensbildung, Betreuung und Bildung. Wie die Vorschläge dann in Gesetzesform aussehen, wie hoch die Kosten sind und wem damit genau geholfen wird, ist noch offen.
Von Wirtschaftsfachleuten, die in der Armutsforschung aktiv sind, wird lange schon auf die Alleinerzieher verwiesen, die mehr und mehr mit der Armutsgrenze zu kämpfen haben. Sie kommen in der Familienoffensive nicht vor.