Säule, Zitat und seichte Ironie
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Die Postmoderne in der Architektur ist erledigt! Oder hat sie doch noch etwas zu bieten?
Es war augenscheinlich überfällig. Spätestens Ende der 1970er Jahren galt die klassische Moderne als desavouiert, zumindest als komplett unmodern. Man hatte genug von ihrer kalten Rationalität, ihrem Dogmatismus, vor allem aber von ihren immergleichen Schachtelhäusern. Jede Schule, schimpfte Tom Wolfe in seinem Essay "From Bauhaus to our house" sehe inzwischen aus wie ein "Ersatzteillager" und jedes Sommerhaus wie eine "Insektizid-Raffinerie".
Dieser Umschwung in Rezeption und Bewertung hatte sich seit längerem angekündigt. Das zentrale Stichwort indes lieferte erst der Philosoph Jean-François Lyotard mit seinem Buch "Das postmoderne Wissen" und seinem Diktum vom "Ende der großen Erzählungen". Die Vertreter der Postmoderne, die sich in unterschiedlichen Fachdisziplinen sukzessive zu Wort meldeten, kritisieren das Innovationsstreben der Moderne als lediglich habituell und automatisiert. Sie warfen ihr vor, weithin auf einem totalitären Prinzip zu fußen. Und dass ihre maßgebliche Ansätze eindimensional und gescheitert seien. Dem stellten sie die Möglichkeit einer Vielfalt gleichberechtigt nebeneinander bestehender Perspektiven gegenüber.
Begeistert wurde der in den Geistes- und Literaturwissenschaften kursierende Begriff auf die Architektur übertragen. Doch während er dort eher auf das Unglaubwürdig-Werden der großen Utopien (z.B. des Sozialismus) rekurriert, wird er hier eher als die Ablehnung eines doktrinären Verbindlichkeitsanspruches und als eine pluralistische Grundhaltung in Bezug auf Methoden und Konzepte im Sinne eines "anything goes" verstanden. Und was zunächst als grundlegender Paradigmenwechsel anmutete, wird heute weithin als Teil der Historie, als eine Art Architekturstil begriffen: eine von vielen Strömungen der Kunst und Architektur des 20. Jahrhunderts.
Wird man dem Phänomen damit gerecht? Handelt es sich bloß um ein schräges Intermezzo? Um eine Episode, die wir längst hinter uns gelassen haben? Auffällig ist, dass die Theorien der postmodernen Philosophie bis heute Gültigkeit besitzen, während unser Verhältnis zur postmodernen Architektur zwiespältig oder diffus bleibt. Dabei hat der Diskurs der 1980er-Jahre Themen gesetzt und Freiheiten eröffnet, die bis heute die gebaute Umwelt maßgeblich beeinflussen. Doch der vermeintliche Fokus der Strömung auf Fragen des Bildes und des Dekors hat den Umgang mit ihren Errungenschaften schwer gemacht. Gleichwohl entdeckt nun eine junge Generation unverkrampft Inhalte und Strategien der Postmoderne wieder und lässt sie in ihren Arbeiten aufleuchten.
Was ist postmoderne Architektur?
Es scheint also geboten, die Postmoderne in Architektur und Städtebau neu zu reflektieren. Dafür muss man freilich klären, was unter diesem Begriff firmiert. Unbestritten Frank Gehry, James Stirlings Neue Staatsgalerie in Stuttgart oder der bröckelnde Best-Showroom von Site. Und doch bleiben die Auswahlkriterien eher vage und assoziativ, auch wenn bestimmte stilistische Vorlieben der Zeit säuberlich veranschaulicht werden: der Hang zum Zitat etwa; das Diktat der Ironie; das Spiel mit dem Kitsch; oder der obligatorische Stilbruch, in dem sich Antike und Las Vegas, Vorgestern und Übermorgen begegneten.
Als Initialereignis gilt die gut dokumentierte Sprengung der 1956 fertiggestellten Sozialsiedlung Pruitt-Igoe in St. Louis in den 1970er Jahren. Wie nichts anderes war sie ein Fanal: Weg mit dem architektonischen Purismus! Seither formierte sich peu-á-peu eine Strömung, in der formale Facetten der Baugeschichte fröhlich Urständ feierten. Gepaart mit Humor, Ironie und Elementen der Popbewegung schwappte die Architekturwelle der Postmoderne aus den USA nach Europa; allerdings kam sie hier stark verflacht an.
Unbeschadet dessen förderte der Gründer des Deutschen Architekturmuseums, Heinrich Klotz, den Transfer nach Kräften, unter anderem mit seiner Gründungsausstellung "Die Revision der Moderne" in Frankfurt. Das von Oswald Mathias Ungers als ästhetisches Gesamtkunstwerk konzipierte Gebäude des DAM selbst gilt bis heute als das idealtypische Manifest dieses Geistes. Andere umworbene Protagonisten waren Charles Moore, Aldo Rossi und Robert Venturi. Ihnen allen wurde unterstellt, dass sie sich den Möglichkeiten einer "ausdrucksvollen" und "sprechenden" Baukunst widmen, die den Bogen von den russischen Konstruktivisten über technologische Utopien bis hin zum ökologischen Bauen spanne.
Postmoderne Architektur (6 Bilder)
In gebauter Architektur ließen sich auch hierzulande Spuren dessen analysieren, was Architekten als Antwort auf Wolf Jobst Siedler, Alexander Mitscherlich und andere kritisiert und revidiert hatten. Zwanzig Jahre später widmete sich das DAM unter neuer Leitung von Ingeborg Flagge der Relevanz jener von Heinrich Klotz propagierten Postmoderne, um anhand jüngerer Architektur vielleicht nicht das Scheitern dieser Postmoderne, aber doch ihren Episodencharakter anzudeuten. Die 2004 ausgewählten Projekte sollten vielmehr die neuen Themen Pluralismus und Komplexität charakterisieren. Doch damit war und ist das Kapitel freilich nicht abgeschlossen - auch wenn der Begriff selbst heute völlig out ist. Nicht von Ungefähr gibt es ja ein schönes Bonmot, welches besagt: Die Postmoderne war als Befreiung aus der strengen Moderne gedacht. Sie wollte menschlicher sein, aber auch ironischer. Sie ging mit Idealen los und endete dann mit Zuckerdöschen von Alessi.
Ihre Mimikry, die oberflächliche Anhübschung und die oft banalisierend-aufpeppende Fassadensprache - das hat ihr, nach einer gewissen Anfangseuphorie, einen zweifelhaften Ruf eingebracht. Zudem ist Postmoderne nicht gleich Postmoderne: Hierzulande könnte man sie als eine (noch) wohlfahrtsstaatliche Public-sector-Angelegenheit betrachten, die mit der amerikanischen Private-sector-Postmoderne nicht über einen Kamm geschoren werden sollte. Zudem hat sie in Deutschland zwar bisweilen eindrucksvolle solitäre Museumsbauten zuwege gebracht, ihr eigentliches Verdienst jedoch wäre im urbanen Sektor zu verorten, also im Suchen nach Typologien, um das Gewebe der historisch gewachsenen Stadt zu reparieren und fortzusetzen.
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