Salvini droht Brüssel mit Ausstieg aus dem Euro
Der Vorsitzende der Lega schließt eine Koalition mit der M5S nicht aus
Anders als noch letzte Woche, als er um die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) warb, verlautbarte Matteo Salvini gestern, er wolle keine Regierung mit "Wahlverlierern" bilden und brachte stattdessen eine Koalition seiner Partei mit der M5S ins Spiel. Vorher hatten die Sozialdemokraten mitgeteilt, sie wollten sich weder an einer Regierung von Salvinis Mitte-rechts-Bündnis noch an einer der Fünf-Sterne-Bewegung beteiligen.
Die "kulturellen Unterschiede", die es zwischen der vor allem im Norden siegreichen Lega und der vor allem im Süden gewählten M5S gebe, müssen Salvini zufolge nicht bedeuten, dass man sich nicht auf Inhalte einigen kann. Dabei nannte der Lega-Chef neben der Bekämpfung der illegalen Einwanderung, mehr Föderalismus, die Einführung einer Flat Tax und die Rücknahme der (auf den Druck Brüssels hin erwirkten) Rentenreform.
Experten bereiten Verfassungsänderung vor
Bei einer Pressekonferenz in Straßburg hatte er am Tag zuvor verlautbart, die Politik der EU habe den Italienern das Recht auf Hoffnung und auf eine Zukunft gestohlen. Nun hätten die Bürger aber mit ihrer Stimme entschieden, dass sie diese Rechte zurück haben wollen. Deshalb wolle seine Partei im Falle einer Regierungsübernahme "höflich und verantwortungsvoll" mit Brüssel über eine Rücknahme von Stabilitätsvorschriften verhandeln, die den Italienern schwer geschadet hätten.
Für den Fall, dass sich die EU darauf nicht einlässt, habe man Experten beauftragt, eine Änderung des Artikels 75 der italienischen Verfassung vorzubereiten, der in seiner aktuellen Fassung keine Volksentscheide über internationale Verträge erlaubt. Dann könne das italienische Volk darüber entscheiden, ob es die nach Ansicht Salvinis "falsche Entscheidung" der Euro-Übernahme revidiert.
Di Maio rechnet mit kürzerer Regierungsbildungsdauer als in Deutschland
Mit so einem Referendum hatte früher die M5S geworben. Deren aktueller "Capo" Luigi Di Maio lehnt eine Volksabstimmung über den Euro ab, nahm aber gestern einen Anruf von Salvini entgegen, in dem es darum ging, wer die Präsidenten des Senats und der Abgeordnetenkammer stellt, die am 23. März zu ihrer ersten Sitzung zusammenritt.
Obwohl man dabei seinen Angaben nach keine Fortschritte erzielte, gibt sich Di Maio optimistisch, dass die Regierungsbildung in Italien schneller abgeschlossen sein wird als in Deutschland, wo die Parteien fast sechs Monate lang verhandelten. Die neue Große Koalition, die dabei heraus kam, bekam im Bundestag gestern lediglich eine knappe 51-Prozent-Mehrheit. Hätten sich zu den 35 Abweichlern aus CDU, CSU und SPD noch fünf weitere hinzugesellt, hätte es für Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr gereicht.
In Deutschland begannen die ersten Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen am 24. Oktober 2017 - einen Monat nach der Bundestagswahl und zwölf Tage nach der konstituierenden Sitzung des 19. Bundestages. In Italien ist noch offen, ob es überhaupt zu solchen Sondierungsgesprächen kommen wird. Erfüllt sich Di Maios Erwartung einer schnelleren Regierungsbildung als in Deutschland nicht, könnte es im Herbst oder Winter Neuwahlen geben.
Polnischer Staatspräsident warnt davor, dass "irgendwo in der Ferne, in entfernten Hauptstädten, über unsere Angelegenheiten entschieden" wird
Unzufrieden mit der EU ist man aktuell nicht nur südlich der Alpen, sondern auch östlich der Oder: In Polen, wo Staatspräsident Andrzej Duda gestern bei einem Festakt zum Hundertsten Jahrestag der zweiten Unabhängigkeit des Landes an die Zeit zwischen 1795 und 1918 erinnerte, in der Polen zwischen Russland, dem Habsburgerreich und Preußen aufgeteilt war und in der seinen Worten nach "irgendwo in der Ferne, in entfernten Hauptstädten, über unsere Angelegenheiten entschieden" wurde.
Ebenso wie es jetzt Menschen gebe, denen die EU wichtiger sei als Polen, habe es damals welche gegeben, die gemeint hätten, ohne Nationalstaat werde es "keinen Streit, keine Aufstände, keine Erhebungen, keine Kriege und keine Abenteuer", sondern Frieden geben. Diese Leute hätten schnell dazulernen müssen, "dass Kriege und Abenteuer weitergingen", als "über die Köpfe der Polen hinweg entschieden" wurde.