Sancho beobachtet Hidalgo
Mit dem Projekt Don Quijote will die europäische Weltraumbehörde ESA die Möglichkeit testen, einen auf die Erde zurasenden Asteroiden aus seiner Bahn zu lenken
Gerade erst herrschte wieder einmal Aufregung über einen Asteroiden, der angeblich der Erde 2019 gefährlich nahe kommen sollte. Nach weiteren Berechnungen wurde wieder Entwarnung gegeben (Entwarnung für 2019). Doch irgendwann wird es dazu kommen, dass ein Asteroid mit einem Durchmesser von 100 Metern oder größer auf die Erde einschlägt und große Verwüstungen anrichtet. In den letzten Jahren hat man die Beobachtung der Asteroiden auf erdnahen Kreisbahnen verstärkt. Jetzt wird erstmals ganz konkret ein Plan ausgearbeitet, wie man einen auf die Erde zusausenden Asteroiden aus der Bahn schubsen könnte.
Möglicherweise werden die Menschen längere Zeit vorhersagen können, wann ein großer Asteroid mit hoher Wahrscheinlichkeit Kurs auf die Erde hält. Auch wenn ein Asteroid nicht überraschend auftaucht, könnte man gegen einen solchen Anschlag aus dem All nichts machen. Zwar werden schon des längeren Möglichkeiten ausgebrütet, wie man die Erde schützen könnte, doch die bleiben nicht nur spekulativ, sondern könnten vermutlich nicht auch nicht so schnell umgesetzt werden, wie das vielleicht notwendig wäre.
Während manche meinen, man könne eine Asteroiden mit einer Atombombe "entschärfen", denken andere an viel "friedlichere" Mittel, die allerdings nicht nur aufwendig, sondern wirklich exotisch klingen. Der Russe Viacheslaw Iwaschkin beispielsweise stellt sich vor, die Oberfläche eines solchen Asteroiden so mit einer Farbe zu bemalen, dass das Licht der Sonne reflektiert wird, wodurch die Sonnenstrahlung einen leichten Druck ausübe, der dann den Asteroiden allmählich aus seiner Bahn schiebt. Iwaschkin aber hat noch eine andere Idee: Man könnte, so stellt er sich vor, ein riesiges Sonnensegel auf dem Asteroiden anzubringen, der dann den Sonnenwind nutzt, um ihn abzulenken. Doch beides wären technisch kaum lösbare Aufgaben. Zudem müsste die Bemalung oder das Anbringen der Sonnensegel, sollten sie überhaupt in der Lage sein, den notwendigen Druck zur Kurskorrektur auszuüben, vermutlich Jahrezehnte vor der gefährlichen Begegnung mit der Erde ausgeführt werden.
Die europäische Weltraumbehörde ESA will jetzt aus der wilden Spekulation zu konkreteren Plänen vordringen und hat eine Durchführbarkeitsstudie für ein technisches Projekt in Auftrag gegeben, das vielleicht, wenn es überzeugend und billig genug wird, in 10 Jahren durchgeführt werden könnte. Vorher sollte also am besten kein Asteroid die Erde ansteuern.
Unter der Leitung der spanischen Firma Deimos Space soll nun das Projekt mit dem Namen Don Quijote bis 2003 ausgearbeitet werden. Der hatte bekanntlich feindliche Ritter mit Windmühlen verwechselt, an denen er kläglich gescheitert ist. Aber deswegen hat man das Projekt wohl nicht so genannt. Die Idee ist, auf einen Asteroiden eine Sonde namens "Hidalgo" mit großer Wucht einschlagen zu lassen und den gesamten Vorgang mit einer zweiten Sonde, die "Pancho" heißen soll, zu beobachten. Pancho müsste schon vorher Wache stehen und aus einer sicheren Entfernung möglichst viele Daten über die Folgen des Einschlags erfassen.
Bei Deimos stellt man sich vor, schon vor dem Einschlag von Hidalgo einige Messgeräte auf den Asteroiden, den man erst noch auswählen muss, zu schicken, um beispielsweise seismografische Daten zu erhalten. Durch den Einschlag wird ein Krater entstehen. Die dadurch herausgeschleuderte Materie würde wichtige Einblicke in die Beschaffenheit der Asteroiden liefern. Primär aber wäre natürlich, exakt zu messen, ob und wie stark der Asteroid durch den Einschlag aus seiner Bahn gedrängt wurde. Dabei wird es sich vermutlich nur um Bruchteile von Millimetern handeln. Aus den hier gewonnenen Daten ließe sich dann berechnen, wann und wie stark ein Asteroid mit einer bestimmten Größe getroffen werden müsste, um sicherzustellen, dass er der Erde nicht zu nahe kommt.
José Antonio Gonzalez, der Leiter des Projekt bei Deimos, erklärt, dass man sich noch für keinen Asteroiden entschieden, aber eine lange Liste mit möglichen Kandidaten für das Experiment angelegt habe: "Der ausgewählte Asteroide darf weder sehr groß sein, weil wir keine sehr große Sonde schicken können, wenn wir wollen, dass die Mission mit Kosten bis 150 Millionen Euro billig bleibt, noch darf er zu klein sein, weil er dann schwer zu treffen wäre."
Auch die koordinierte Flugbahn der beiden Sonden wird nicht einfach zu bewerkstelligen sein. Während sich Pancho dem Asteroiden langsam nähern muss, um dann in sicherer Entfernung von ihm zu parken, muss Hidalgo mit einer Geschwindigkeit von 10 Kilometern in der Sekunde auf ihn zurasen. Deimos will beide Sonden auf einer gering unterschiedlichen Flugbahn zum Schwungholen nahe an der Erde vorbeifliegen lassen, wobei sich die kleine Differenz mit der Zeit verstärkt und zu den unterschiedlichen Geschwindigkeiten führt. Pancho soll dann direkt zum ausgewählten Asteroiden fliegen, Hidalgo hingegen holt bei der Venus noch einmal Schwung für den endgültigen Aufprall.
Doch bevor das in die Tat umgesetzt werden kann und von der ESA finanziert wird, muss erst einmal die wissenschaftliche, technische und finanzielle Durchführbarkeit mit harten Daten vorgeführt werden. Gonzalez geht jedenfalls davon aus, dass das Projekt gute Chancen haben wird, weil man von einem großen wissenschaftlichen und öffentlichen Interesse ausgehen könne.
Bislang wurden über 600 NEOs (Near Earth Objects) entdeckt, deren Durchmesser größer als ein Kilometer ist. Vermutet wird, dass es zwischen 1.000 und 2.000 von diesen der Erde möglicherweise gefährlich nahekommenden Asteroiden gibt. Die Zahl von kleineren Objekten ist allerdings sehr viel größer. Und dass man nicht alle rechtzeitig entdeckt, hat sich auch erst kürzlich herausgestellt, als der Asteroid 2002 MN, der um die 100 Meter groß ist, am 14. Juni in einer Entfernung von 120.000 Kilometern an der Erde vorbeigeflogen ist. Entdeckt wurde er allerdings erst drei Tage später.