Sanierung auf Griechisch?
Was 1860 und der DFB von den Griechen lernen könnte
Der Traditionsverein 1860 ist am Boden. Der Streit zwischen Investor und Verein scheint nicht lösbar zu sein. Hasan Ismaik verweigerte eine Garantieleistung und 1860 flog nach dem Relegationsdrama gegen Jahn Regensburg auch aus der dritten Liga direkt in den Amateurfußball. Der Zuschauermagnet landet in der 4. Liga (Regionalliga Bayern). Der Verein teilt auf seiner Internetpräsenz mit, "dass die für die Fortführung der Aktivitäten in der 3. Liga erforderliche Finanznachweise von unserem Mitgesellschafter Hasan Ismaik nicht erbracht wurden".
Ismaik besteht darauf, dass er als Hauptinvestor ohne Einfluss des Vereins die Geschicke von 1860 allein bestimmen kann. Deswegen will er gegen die 50 plus 1-Regel klagen, welche den Einfluss eines Investors auf einen Verein begrenzen soll. Offenbar war er davon ausgegangen, dass die Regel in der Amateur-Liga nicht gilt.
Die Tatsache, dass es mit Bayer Leverkusen, dem VFL Wolfsburg, Hannover 96 und Hoffenheim bereits real existierende Ausnahmen von der Regel gibt und das Faktum, dass diese Regel innerhalb der EU nur in Deutschland existiert, verleiht Ismaiks juristischen Kampf gewisse Aussichten. Es scheint, als sei 1860 München dem Investor auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, bis Ismaik selbst entscheidet, zu gehen. Die Schuld am Dilemma des Zuschauermagneten liegt nicht nur beim Investor, sondern offenbar auch bei den Verantwortlichen des e.V..
Und doch gibt es ein Lösungsschema, welches die Griechen bereits vor Jahren eingeführt hatten, welches in so einem Fall alle Beteiligten zur Verantwortung zieht. Die Profiabteilungen werden vom Fußballverband getrennt vom eigentlichen Amateurverein, bei 1860 also des E.V. geführt. Die Amateure haben zwar ein Mitspracherecht für den Gesamtverein, mit dem Alltag der Profis haben sie jedoch nichts zu tun.
Die Profis agieren somit legal unabhängig vom Unterbau. Ihre Wirtschaftszahlen und Verpflichtungen sind an den oder die Investoren gebunden. Im Fall der Insolvenz oder eines anderweitig begründeten Lizenzentzugs folgt ebenso wie im DFB und DFL der Zwangsabstieg in den Amateurbereich. In der griechischen Ligen-Staffelung ist dies die Football League 2, die mehrgestaffelte dritte Liga.
Diese untersteht dem nationalen Fußballverband EPO. Darunter befinden sich drei weitere Amateurklassen, die von den Regionalverbänden kontrolliert werden. Viele im griechischen Fußballverband und in Lang generell liegt im Argen. Die Gesetze in Griechenland sind jedoch so gestrickt, dass sie, wenn kein Politiker eine Ausnahmeregel für einen Günstling einbaut, durchaus sinnvoll sind.
Die Oligarchen und die Clubs - Reformen
Im griechischen Sportbetrieb sind die Investoren seit jeher ein Problem. In der Regel handelt es sich um Oligarchen, welche den Verein für ihre Geschäftsinteressen einsetzen. Die Fans der Vereine wussten bislang, dass ihr geliebter Club eng mit dem Schicksal des Investors verbunden ist. Sie gingen für die Oligarchen demonstrieren, wählten in deren Interesse ihre Politiker aus und dienten teilweise als Privatarmee. Kurz, die Verfilzung von Politik und Sport war enorm. Im Zweifel wurden überschuldeten Vereinen von der jeweiligen Regierung Steuern und Sozialabgaben erlassen, um die sportverrückte Masse ruhig zu stellen.
Mit den in der Krise erfolgten Reformen im Sport ist damit Schluss. Steigt ein Verein aus dem Profilager in den Amateurbereich ab, dann wird er steuerlich wie der Amateurverein erfasst. Was danach geschieht, ist jedoch für Vereine wie 1860 ein Segen. Der Amateurverein übernimmt von der höchsten Amateurliga an bis in alle folgende Ligen das Kommando und kann sich sofort einen neuen Investor suchen.
Die Fußball AG der Profiabteilung bleibt bis zum Abschluss eines Insolvenzverfahrens existent, ist aber von Spielbetrieben ausgeschlossen. Premier Alexis Tsipras erklärte in einem Interview im April wie das übrige Verfahren künftig ablaufen wird. Wenn der Zwangsabsteiger wieder den Aufstieg in den Profibereich schafft, hat er die Wahl, die alte Steuernummer der früheren Profizeit zu übernehmen, und somit auch für die alten Schulden gerade zu stehen, oder aber eine neue steuerliche Anmeldung ohne jegliche Schuldenlast vorzunehmen.
Investoren werden zur Haftung gezogen
Faktisch werden damit die Investoren zur Haftung gezogen - sie und ihre Geschäftsführer müssen für die angehäuften Schulden persönlich haften. Die hinsichtlich ihrer Existenz einzigartige 50 plus 1-Regel des DFB wird somit nicht angewandt, die Investoren und übrigen Verantwortlichen haben die Allmacht - aber auch die Verantwortung fürs Scheitern.
Im vorliegenden Fall dürfte Ismaik nach griechischem Recht dann den Mietvertrag der Allianz Arena persönlich übernehmen und die übrigen Handlungsbeteiligten des Dramas müssten sich daran beteiligen. Sie könnten dann untereinander ausmachen, wer welchen Anteil am größten anzunehmenden Unheil für 1860 München hatte.
Der Traditionsclub könnte dagegen unbelastet den Neuanfang wagen. Bestes Beispiel aus Griechenland ist AEK Athen. 2013 war der Verein insolvent und wurde zum Frust des aufopferungsvoll um den sportlichen Ligaverbleib in der Superleague Griechenlands kämpfenden Trainers Ewald Lienen in die höchste Amateurliga runtergereicht.
Schon 2014 gelang der Wiederaufstieg in den bezahlten Fußball. 2015 folge der Aufstieg in die erste Spielklasse und 2016 der Pokalsieg. Zum Abschluss der laufenden Saison qualifizierte sich AEK für die Teilnahme an den Ausscheidungsspielen der Champions League, dem erklärten Ziel des Investors von 1860 Ismaik. Weitere Beispiele über schnelle Rückkehrer in den Profifußball sind Aris Thessaloniki (2014 freiwillig runter zum Schuldenabbau) und OFI Kreta (Insolvenz 2015). Sowohl AEK Athen als auch Aris Thessaloniki und OFI Kreta waren davor buchstäblich zu Spielzeugen ihrer mehr oder weniger dilettantischen Investoren geworden.
Bei einem weiteren Verein, Iraklis Thessaloniki, dem ältesten Fußballclub des Landes droht innerhalb weniger Jahre dagegen die Wiederholung der "Sanierung auf Griechisch". Allerdings können die Fans hier für die neue Spielzeit zumindest auf Drittligafußball setzen. Iraklis stieg in der laufenden Spielzeit wegen eines Punktabzugs aufgrund nicht bezahlter Spielergehälter aus der ersten Liga ab.
Was wäre, wenn 1860-Fans in Griechenland randaliert hätten?
Während die Insolvenzregeln des griechischen Fußballs 1860 München gefallen könnten, gilt das nicht für die drakonischen Strafen bei Fan-Ausschreitungen. Wegen Krawallen beim diesjährigen Pokalfinale verlor der zweite der regulären Spielrunde der Superleague, PAOK, insgesamt sechs Punkte, die bei den Ausscheidungsspielen für die Champions League abgezogen wurden. Die ersten sieben Heimspiele der nächsten Saison müssen ohne Zuschauer stattfinden.
Ein ähnliches Schicksal traf den Traditionsverein Panathinaikos Athen. Hier warfen "Fans" bei den Ausscheidungsspielen beim Match gegen PAOK Gegenstände aufs Spielfeld. Ein Spielabbruch, drei Punkte Abzug, eine Geldstrafe und die verpasste Qualifikation für die Champions League waren die Quittung. Szenen wie beim Relegationsspiel von 1860 gegen Jahn Regensburg wären den Münchenern also teuer zu stehen gekommen. Der griechische Fußball ist alles andere als perfekt, eine Anwendung der in Griechenland aufgestellten Statuten in Deutschland könnte dagegen den Sport zumindest in Deutschland, wo die eingefleischten Anhänger mindestens ebenso fanatisch wie ihre griechischen Kollegen sind, verbessern.