Sanktionen gegen Syrien

Die USA wollen den Druck verstärken, während im Norden des Landes Konflikte mit den Kurden aufbrechen

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"Die Sanktionen gegen Syrien", erklärte der US-Assistenz-Staatssekretär, William Burns, am Mittwoch letzter Woche in Washington, "stehen unmittelbar bevor." Nähere Auskünfte über die geplanten Maßnahmen konnte der Nahost Spezialist der US-Regierung aber noch nicht geben. Auf der Menüliste stehen Investitionstop für US-Firmen in Syrien, Flugverbot für Syrian Airlines und Reiseeinschränkungen für syrische Diplomaten in die USA, sowie ein Exportverbot für US-Güter nach Syrien, ausgenommen dabei Nahrungsmittel und Medizin.

Viel hat Syrien von den Restriktionen aus Washington nicht zu befürchten. Die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern sind verschwindend gering. In der Regel würden ökonomische Sanktionen nur amerikanische Firmen treffen. Motorola Inc. verkauft Handys in Syrien und Ölfirmen wie ConcoPhillips und Devon Energy Corp. sind an der Förderung der syrischen Energieressourcen beteiligt. Syrian Airlines fliegt sowieso nicht direkt in die USA und die diplomatischen Reisebeschränkungen wären nur der syrisch-amerikanischen Kooperation bei der Sicherung der Irakgrenze hinderlich.

Am 25. Februar diesen Jahres warnte der Präsident der US- Handelskammer, Tom Donohue, in einem Brief an das Wirtschaftsministerium vor negativen Auswirkungen auf die Ökonomie des Landes. Er wolle ganz sicher nicht Syrien und seine Politik verteidigen, aber "einseitige Sanktionen werden voraussichtlich Arbeitsplätzen und Wachstum zuhause und im Ausland beträchtlichen Schaden zufügen".

Die geplanten Sanktionen sollen aber "ein Signal für Syrien" sein, wie es Richard Boucher, Sprecher des US-Außenministeriums, ausdrückte, die Zeichen der Zeit, die "neuen Verhältnisse in der Welt und der Nahost-Region zu verstehen". Bisher gab es zwar "hier und dort einige Fortschritte", aber dass sei eben nicht genug. Syrien müsse sofort jede Unterstützung von Terroristen stoppen und sich besser um die Grenzsicherung zum Irak kümmern. "Wenn Syrien unsere Position und die von anderen einfach ignoriert", so Boucher weiter, "dann gibt es wenig Zukunft für unsere Beziehungen."

Als Reaktion auf Ankündigung aus Washington sprach sich der stellvertretende syrische Außenminister, Isa Darwish, zum wiederholten Mal für einen Dialog, anstatt Sanktionen aus. "Wir haben nichts gegen US-Interessen in der Region, aber wir wollen, dass die USA auch die Interessen und Rechte von Syrien und die der Araber versteht."

In Syrien und in der arabischen Welt glaubt man Israel als Hauptverantwortlichen für die US-Politik im Nahen und Mittleren Osten auszumachen. In dieser Woche reist Silvan Shalom, der israelische Außenminister, zu Gesprächen nach Washington. Auf einer Kabinettsitzung der israelischen Regierung am vergangenen Sonntag hatte er schon verlauten lassen, dass George W. Bush ganz sicher Sanktionen gegen Syrien verhängen wird. Gerade im beginnenden US-Wahlkampf gibt es auf arabischer Seite keinen Zweifel, dass die Parteispenden von Lobbygruppen, wie die des AICPAC (American Israeli Public Affairs Commitee) die amerikanische Außenpolitik mitbestimmen.

Seit Jahrzehnten unter Nostandsgesetzgebung

Während sich die syrische Regierung noch gegen die "Zeichen der Zeit" sträubt, nutzen die innenpolitischen Gegner der sozialistischen Baath-Partei die Gunst der Stunde. Man ist sich internationaler Aufmerksamkeit sicher und wagt sich sogar zu Demonstrationen auf die Strasse. Zum ersten Mal in der Geschichte Syriens protestierten Anfang März Menschenrechtsgruppen gegen die rigide Staatspolitik für politische, soziale, kulturelle und ökonomische Reformen. Und das ausgerechnet am 41. Jahrestag der sozialistischen Revolution. Die Konfrontation mit den Staatsorganen war vorprogrammiert, verlief aber letztendlich glimpflich. Nach wenigen Stunden in Gewahrsam wurden die 98 Verhafteten wieder freigelassen. Darunter auch ein US-Diplomat, der laut US-Außenministerium nur die Demonstration beobachtet habe. "Das ist ein klarer Verstoß gegen die Wiener Konvention", hieß dazu aus Washington.

Seit 1963 herrscht in Syrien eine "Notstandsgesetzgebung", die mit dem Coup der Baath-Partei eingeführt worden war. So etwas wie Meinungs- und Pressefreiheit ist laut Amnesty International in Syrien nicht vorhanden. Sämtliche Kommunikationsmittel werden überwacht und zensiert. Am 23. Februar 2003 wurde Abdel Rahman al Shaghouri verhaftet, weil er das Internet benutzt und einige Artikel an Freunde verschickt hatte. Im Gefängnis wurde er geschlagen und hatte keinen Zugang zu einem Anwalt und seiner Familie. Wie ihm ergeht es vielen Anderen ähnlich. Die Gerichtsverfahren, bei denen Haftstrafen von drei Monten bis zu drei Jahren verhängt werden können, finden vor dem "Obersten Staatssicherheitsgericht" statt. Laut Amnesty findet dort, gemessen an internationalem Standard, kein fairer Prozess statt.

"Wir wollen keine westliche Demokratie", sagte im Januar der syrische Präsident, Bashar Assad, der in London ansässigen Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat". "Wir werden keine Kleider tragen, die nicht für uns gemacht sind".

Als Assad Junior 2000 als Nachfolger seines Vater die Präsidentschaft übernommen hatte, sah alles noch ganz anders aus. Ähnlich wie Mohammed VI. in Marokko wurden nach Amtsantritt politische Häftlinge freigelassen, politische Reformen geplant und kritische Geister durften sich sogar offiziell in kleinen Kreisen treffen. Nach dem 11. September ging es aber wieder rückwärts. Dafür ist die Angst vor den Islamisten und der Druck der amerikanischen Außenpolitik verantwortlich.

"Kurdenfrage" auch in Syrien

Am vergangenen Wochenende ist zum Problem der politischen Reformen noch die "Kurdenfrage" hinzugekommen. Anlässlich eines Fußballspiels war es in Kameshili, rund 600 Kilometer von Damaskus, zu Auseinandersetzungen zwischen kurdischer Bevölkerung und der Polizei gekommen. Zwei Tage dauerten die Kämpfe, bei denen nach offiziellen Angaben 15 Menschen getötet und über 100 Menschen verletzt wurden. Bei den Beerdigungen der Opfer kam es zu erneuten Ausschreitungen, bei denen, laut KurdishMedia.com, die syrischen Sicherheitskräfte das Feuer auf die rund 100.000 Menschen eröffnet und zwischen "25 und 50 Menschen" erschossen hätten. Die Proteste in Kameshli seien erst mit der Ankunft des syrischen Innenministers, Ali Haj Hommoud, beendet worden. Er drohte allen Verantwortlichen mit "härtersten Strafen".

Die Kurden sind mit 1,5 Millionen eine Minderheit in Syrien, das insgesamt eine Bevölkerung von 18 Million hat. Der Grossteil der Kurden lebt im Norden, unweit der irakischen Grenze und wurden wie im Irak und der Türkei jahrzehntelang unterdrückt und verfolgt. Angesichts der Vorgänge im Irak, wo den Kurden Mitbestimmungsrechte zugesichert sind, und einer syrischen Regierung unter internationalem Druck, sehen sie nun eine Chance auch in Syrien mehr Rechte zu bekommen.

Die Vorfälle vom Wochenende, die auch während der Woche weiter gegangen sind und weitere Todesopfer gefordert haben, während die syrischen Sicherheitskräfte Massenverhaftungen durchgeführt haben, sind Wasser auf den Mühlen der außen- wie innenpolitischen Gegner. Ob dem Präsidenten Bashar Assad in dieser Situation wie sonst oft mit "härtesten Strafen" geholfen ist, steht zu bezweifeln.