Saudi-Arabien: Der Kronprinz räumt die Konkurrenten weg
"Kabinettsumbildung" und Säuberung in Riad: Prinzen, Minister und Ex-Minister werden wegen Korruption festgenommen
Gewiss ist: Menschenrechtsorganisationen dürften kaum Kritik an den Haftbedingungen üben. Der Multi-Milliardär, Prinz Alwalid bin Talal (auch: Alwaleed) und andere saudische Prinzen, Militärs, Geschäftsleute und Ex-Minister verbringen ihren Hausarrest bzw. ihre U-Haft "in 5-Sterne-Hotels in der Hauptstadt Riad", darunter das Ritz Carlton, wie AP berichtet. Genaue Bestätigungen der Unterbringung und Details der Haftbedingungen stehen allerdings noch aus. Die Führung der Hotels behandelt die Sache diskret.
Super-Komitee zur Bekämpfung der Korruption
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wurde am Samstag von seinem Vater Salman, König von Saudi-Arabien, zum Chef eines "Super-Komitees zur Bekämpfung der Korruption" berufen, und der tatendurstige Tausendsassa, Wirtschaftsreformer und Kriegsherr, fackelte nicht lange: "In seiner ersten Amtshandlung ordnete das Komitee die Verhaftung einer Anzahl von Prinzen und Big Businessmen an - wegen ihrer Verstrickung in mehrere Korruptionsfälle", berichtet die Arab News, einer Publikation, von der keinerlei kritische Bewertung solcher königlichen Akte zu erwarten ist.
Mindestens elf Prinzen, vier bis dato amtierende Minister und "zig" frühere Minister seien verhaftet worden,meldete al-Arabiya, das zum Medienimperium der saudischen Königsfamilie gehört. Der Bericht bemüht sich mit einer Aufzählung von Kommissions- und Behördentiteln der beteiligten Ankläger das Gepräge des Anti-Korruptionskampfes zu bestätigen - und den Hallraum anderer Motive möglichst einzudämmen.
Die anderen Motive drängen sich allerdings auf: In beinahe allen Berichten zu den Verhaftungen taucht das Motiv der "Machtkonsolidierung des Kronprinzen" auf. Die Ministerposten, die ausgetauscht wurden, sind relevant, sicherheitspolitisch und wirtschaftspolitisch.
Potentielle interne Konkurrenz "eliminiert"
Es gibt einen neuen Minister der Nationalgarde, einen neuen Wirtschaftsminister sowie einen neuen Kommandeur der Marine, wie die SZ präzisiert. Ergänzt wird dies damit, dass der neue Minister der Nationalgarde Chaled bin Ajjaf Prinz Miteb ersetzt und dieser der Lieblingssohn des verstorbenen Königs Abdullah war. Miteb sei der letzte Vertreter des Abdullah-Zweigs der königlichen Familie, der noch einen höheren Posten in Saudi-Arabien innehatte, schreibt die SZ.
Bei dem in politischen Lagebeschreibungen wesentlich schärfer ansetzenden Blog Moon of Alabama wird das Ergebnis der "Nacht der langen Messer" knapper zusammengefasst: Nachdem im Juli, als Prinz Najaf von seiner Nachfolge-Pole-Position gestoßen wurde, der Najaf-Familienzweig auf die Seite geräumt wurde, folgte nun das Beiseiteräumen des Abdullah-Familienzweigs. Die Salman-Linie des regierenden Königs und des Kronprinzen habe nun die potentielle interne Konkurrenz "eliminiert".
Mit dieser Ansicht steht das Blog nicht alleine, auch das saudi-kritische Blog Angry Arab stellt heraus, dass nun zum ersten Mal die Nationalgarde nicht in den Händen des Abdullah-Zweigs ist. Damit sei der ganze Apparat des militärisch-geheimdienstlichen Netzwerks in der Hand des Kronprinzen Muhammad bin Salman. Assad Abu Khalil, Politikprofessor in den USA, Betreiber des Angry-Arab-Blogs, deutet an, dass sich mit den Festnahmen und der Absetzung des Prinzen Miteb, der in der Thronnachfolge auch weit oben positioniert war, "so etwas wie ein Krieg innerhalb der königlichen Familie" zeige.
Das "Framing"
Von außen ist das schwer zu beurteilen. Auffällig ist, dass Positionskämpfe innerhalb des Hauses Saud über Jahrzehnte diskret abliefen, mit dem Erscheinen Muhammad bin Salman auf der Bühne änderte sich das. War schon sein Aufstieg in der Nachfolge-Rangliste zum Platz des Kronprinzen ein spektakuläres Ereignis, das in der internationalen Öffentlichkeit für Wellen sorgte, so sprengt auch diese Aktion die früher üblichen Diskretionsbarrieren.
Zumal mit Prinz Alwalid, einer der schillerndsten und reichsten Menschen des Nahen Ostens auf der Liste der Festgenommenen steht. Alwalid ist an Konzernen wie Twitter, Apple, Rupert Murdochs News Corporation, die Citigroup und die Hotelkette Four Seasons beteiligt. Festgehalten wird in beinahe jedem Bericht über die Festnahmen, dass Alwalid früher geschäftliche Verbindungen zu Trump hatte und sich mit ihm, als Trump noch Präsidentschaftskandidat war, ein Twittergefecht lieferte (hier und hier).
Ebenfalls berichtet wird über einen vorhergehenden Besuch von Jared Kushner, Trumps Schwiegersohns in Riad. Was zu Spekulationen darüber führt, inwiefern die US-Führung über die Festnahmen Bescheid wusste oder der Aktion Rückendeckung gab.
In diesem Zusammenhang kommt der Arbeit der Think Tanks in Washington einige Beachtung zu, sie versuchen die Aktion richtig einzurahmen ("framen"). Der Akzent derjenigen Think Tanks, die gute Beziehungen zu Saudi-Arabien haben, wird darauf liegen, die "Säuberungs"-Aktion als Ausweis des Reformwillens des Kronprinzen herauszustellen.
Zu sehen ist die Bemühung etwa an den Tweets von Mohammed K. Alyahya, der derzeit für den Think Tank Atlantic Council tätig ist und sich darauf konzentriert, "absurde Theorien" beiseite zu wischen und die Anti-Korruptions-Aktion in den Vordergrund zu stellen. Wie sehr sich Alyahya für ein gutes Image des Königreichs bemüht, zeigt sein Meinungsartikel in der New York darüber, dass weder der Wahabismus noch Saudi-Arabien für den Terrorismus verantwortlich seien.
Verstärkte Front gegen Iran
Die "absurden Theorien" verlaufen dagegen in eine Richtung hinter der Kabinettsumbildung und den Festnahmen, die mit dem Kurs gegen Iran in Zusammenhang gebracht werden. Laut Intercept wird im Hintergrund der Aktion eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Kronprinzen und den Vereinigten Arabischen Emirate sichtbar. Beide Golfstaaten sind auf Konfrontationskurs mit Iran.
Laut Moon of Alabama ist es kein Zufall, dass der libanesische Ministerpräsident Saad al-Hariri am Wochenende in Saudi-Arabien seinen Rücktritt verkündete. Hariri wird vorgeworfen, dass er der Hizbollah im Libanon zu viel Gestaltungsfreiheit ließ (siehe dazu auch den Ha'arez-Kommentar). Saad al-Hariri machte Iran für seinen Rücktritt verantwortlich.