Saudi-Arabien: Umstrittene Pläne zur Zerstörung des Prophetengrabs

Der grüne Dom innerhalb der Prophetenmoschee, dort befindet sich das Grab des Propheten; Bild: Mausoleum Muhammad/CC BY-SA 3.0

Experten befürchten eine Verschärfung der Spannungen zwischen Wahhabiten und Schiiten

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Die Propheten-Moschee an-Nabawi in Medina gilt als zweitheiligste Moschee im Islam, nach der al-Haram Moschee in Mekka. Sie beherbergt das Grab Mohammeds sowie der ersten beiden "rechtgeleiteten" Kalifen Abu Bakr und Umar Ibn al-Chattab, den großen Persönlichkeiten des "Ur-Islam", jene vorgeblich ideale Zeit, die fundamentalistische Fanatiker wiederherstellen wollen, weswegen sie den heiligen Krieg ausgerufen haben. Das Prophetengrab sowie Räume, die früher zu seinem Haus in Medina gehört haben, die ebenfalls zur Prophetenmoschee gehören, sind ein wichtiger Ort der Verehrung, sowohl für Sunniten wie für Schiiten.

Laut Informationen des Direktors der Islamic Heritage Research Foundation, Irfan al-Alawi, gibt es Pläne, das Grab und Räume, die zum "Ziel frommer Besuche" seit dem zehnten Jahrhundert wurden, zu zerstören.

Die Nachricht löste gestern erste Reaktionen aus, die den Widerstand gegen die Pläne anzeigt. Die Pläne sind in einem Dokument zu finden, dasvon einem führenden saudi-arabischen Gelehrten stammen, so der Independent-Bericht, der sich dazu weitgehend auf Aussagen Irfan al-Alawis von der Islamic Heritage Research Foundation stützt.

Mammutprojekt

Erwähnenswert dazu ist, dass al-Alawi schon Ende Oktober 2012 dem russischen Medium RT von Plänen berichtete, wonach die saudi-arabische Führung einen sechs Milliarden Dollar teuren Erweiterungsumbau der an-Nabawi-Moschee für Ende November des Jahres plane. Damals hieß es, dass die Zunahme der Pilgerscharen in Mekka und Medina solche Baumaßnahmen erfordern würden. Wer Fotos aus Mekka der letzten Jahre miteinander vergleicht, der kann sich davon überzeugen, dass die saudi-arabischen Baumaßnahmen nicht gerade kleinlich sind und auch wenig Rücksicht auf "Denkmalschutz" nehmen.

2012 war befürchtet worden, dass die Bulldozer nicht nur in Mekka, sondern auch in Medina in dieser Hinsicht rücksichtslos vorgehen könnten, so dass ihnen auch Räume und Gebäudeteile der an-Nabawi-Moschee zum Opfer fallen könnten, die als heilig gelten.

Laut Islamischer Zeitung soll das "Mammutprojekt in Medina", das als Erweiterung der Propheten-Moschee in Medina geschildert wird, bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Anscheinend ist es bislang nicht zu den Zerstörungen gekommen, vor denen al-Alawi vor zwei Jahren warnte - oder, was auch einige Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann, es gelang den saudi-arabischen Behörden gut, etwaige Zerstörungen an alten Bausubstanzen und Gebäudeteilen gut hinter der Glorie des Neubaus zu verschleiern.

Möglich, dass es nun in der Endphase der Umbauten ans "Eingemachte", an den Umbau älterer Kultstätten geht, ansonsten würde Irfan al-Alawis Warnungen keinen Sinn ergeben.

In einer Erklärung zum aktuellen Independent-Bericht präzisiert al-Alawi, wonach zu den Plänen, denen zufolge das Grab des Propheten Muhammed verlegt werde, noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Dass aber die bereits angerichteten Zerstörungen von historischen islamischen Stätten durch saudi-arabische Behörden keine Spekulation, sondern Tatsachen seien. Weshalb auch die jüngsten Pläne Aussicht auf Durchführung haben, so der Schluss, den al-Alawi nahelegt.

Kulträume der Schiiten

Nach den Informationen, die er der britischen Zeitung übermittelt, spricht sich ein saudi-arabischer Universitätsgelehrter namens Ali bin Abdulaziz al-Shabal für die Zerstörung von Räumen in der Moschee aus und für die Verlegung des Grabes wie auch der Überreste, ohne künftige Kenntlichmachung. Niedergeschrieben sind diese Forderungen in einem 61-seitigen Dokument, das als Expertise bei den Zuständigen für die Prophetenmoschee in Medina kursiert und in einer wichtigen Publikation veröffentlicht ist. Was auf Einfluss hindeutet.

Der heikle Punkt daran ist, dass es anscheinend um Räume geht, die das Prophetengrab umgeben und früher den Frauen und Töchtern Muhammeds gehört haben - die Moschee wurde, wie es heißt, über dem ehemalige Wohnhaus Muhammeds in Medina errichtet. Diese Räume würden besonders von schiitischen Besuchern verehrt, die eine besondere Beziehung dazu haben, da ihr erster Imam, Ali, eine Tochter Mohammeds, nämlich Fatima, geheiratet hat.

Einen weiteren brisanten Hintergrund liefert der Wahhabismus, dessen äußerst strenge Auffasung des Monotheismus dem radikales Vorgehen gegen jede Art der "ablenkenden Anbetung" Vorschub leistet, wie ja auch bei den brachialen und ignoranten Kulturgutzerstörungen der IS-Fanatiker zu beobachten ist.