Schlafen die deutschen Autobauer weiter?
Nie zuvor stand die deutsche Autoindustrie so unter Druck und Verdacht wie jetzt zu Beginn der Internationalen Automobilausstellung, der IAA in Frankfurt
Der Betrug mit der Diesel-Software und der Verdacht der Kartellabsprachen lässt die Versprechen für das Zeitalter der E-Mobilität hohl und unglaubwürdig erscheinen (NABU: Studie belegt geringes Interesse der Automobilindustrie an E-Autos). Die größten Sprüche kommen wieder einmal von Volkswagen.
Vor zehn Tagen hieß es noch, die Wolfsburger werden bis 2025 25 E-Modelle produzieren, kurz danach wurde die Zahl auf 30 erhöht und bei Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt waren es noch 23. VW-Chef Müller kündigte wieder einmal vollmundig an, VW werde bis 2025 weltweit "an der Spitze der E-Mobilität" stehen. Schon wieder ein Weltmeister aus Wolfsburg - wie schon so oft. 20 Milliarden Euro sollen in den Antrieb der Zukunft investiert werden.
Die Älteren unter uns erinnern sich noch daran, unter welchem Bohei vor 25 Jahren der damalige VW-Chef Ferdinand Piech das "Ein-Liter-Auto" propagierte. Den Prototypen habe ich im VW-Museum in Wolfsburg mal gesehen, aber nie ein "Ein-Liter-Auto" auf der Straße.
Selbst die Produktion des "Drei-Liter-Autos" Lupo wurde nach wenigen Jahren wieder eingestellt. Es wurde nie intensiv beworben, weil mit großen Benzinern viel mehr Geld verdient werden konnte.
Deshalb gibt es jetzt viel Grund zur Skepsis, wenn deutsche Autobauer den "Durchbruch beim E-Auto" ankündigen. Nicht nur Tesla, sondern die Chinesen und Japaner sind den Deutschen um Jahre voraus.
Beim geplanten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor sind die skandinavischen Länder, England, die Niederlande und Frankreich uns Deutschen ebenfalls weit voraus.
In China sagen bei Umfragen 60%, dass sie sich beim nächsten Autokauf einen E-Wagen vorstellen können. In Deutschland sind es 25%. Wenn VW, Daimler, BMW und Co nicht bald bessere Carsharing-Konzepte anbieten, werden auch dieses Geschäft Wettbewerber aus dem Ausland übernehmen, zum Beispiel aus dem Silicon Valley.
Wovon VW und Co nur träumen können: Tesla in Kalifornien hat sein erstes Mittelklasse-Auto, Model 3, angeboten und 455.000 Vorbestellungen notiert. Täglich kommen 1.800 weitere dazu. Deutschland ist noch für lange Zeit Entwicklungsland beim E-Auto.
Hierzulande wird zwar ständig über E-Autos geredet, aber sie werden woanders gebaut und verkauft. Ende 2016 kündigten die deutschen Autobauer an, dass sie gemeinsam 4.000 Schnelllade-Stationen aufstellen wollen. Jetzt, neun Monate später steht noch keine einzige.
Tesla hat weltweit bereits über 6.000 Schnelllader aufgestellt - bis zum Jahresende sollen es 10.000 sein. Dort kann jeder Tesla-Fahrer in etwa 20 Minuten kostenlos seine Batterie laden. Ich wurde gerade mit einem Tesla gefahren. Der Fahrer war 1.300 Kilometer von Wien nach Rostock gekommen, hat viermal geladen und dafür null Euro bezahlt. Das E-Auto kommt, ob mit oder ohne die Deutschen.