Schlechte Zeiten für Asylbewerber in Griechenland
Die Regierung Mitsotakis geht mit harten Maßnahmen gegen Asylbewerber vor und erweitert die Grenzmauer; NGOs stehen derweil unter Generalverdacht
Die Regierung Mitsotakis geht mit harten Maßnahmen gegen Asylbewerber vor. Sie bereitet sich zum Ende der ersten Welle der CoVid19-Pandemie auch auf einen erwarteten neuen Versuch der türkischen Regierung vor, Asylbewerber über die Grenzen nach Griechenland zu schicken. Derweil wird auf EU-Ebene den Vorwürfen gegen Griechenland wegen der illegalen Push-Back-Aktionen nachgegangen.
Außer um Menschenrechte geht es offenbar auch um Geld. Viel Geld, das im Namen der Flüchtlinge und Migranten ausgegeben wird, und in der Regel allen anderen außer den Betroffenen zu Gute kommt.
Erweiterung des Grenzzauns am Evros-Fluss
Die Verstärkung des Grenzschutzes an der Landgrenze am Evros-Fluss beinhaltet neben einer Aufstockung des für den Grenzschutz abgestellten Personals die bauliche Erweiterung des Grenzzauns. Zu diesem Zweck reiste Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis am Mittwoch an die Grenze (). Chrysochoidis stellte für den Grenzschutz 400 neue Beamte ein.
Insgesamt werden damit 1100 Polizisten die Grenze bewachen. Außer Chrysochoidis beschäftigen sich auch Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos und Außenminister Nikos Dendias mit den Vorgängen an der Grenze. Beide dementieren heftig die in Medien im In- und Ausland kursierende Behauptung, dass mehrere tausend Quadratmeter griechischen Staatsgebiets von türkischen Militärs besetzt worden seien. Ein Dementi, welches in Griechenland von den Oppositionsparteien angezweifelt wird. Die Landgrenze soll nach Angaben der Regierung mit Helikoptern, Drohnen und Wärmebildkameras "versiegelt" werden.
SYRIZA befürwortet nun den Zaun
Hinsichtlich der Erweiterung des knapp zehn Kilometer langen Grenzzauns auf 26 Kilometer gibt es von Seiten der größten Oppositionspartei, SYRIZA, keinen Widerstand. Der frühere Parlamentspräsident Nikos Voutsis verkündete im TV-Sender Mega: "Die Grenzen sind festgelegt. Es gibt bereits einen Zaun von 10 Kilometern. Nun wird der Zaun auf 26 Kilometer erweitert. Der Zaun am Evros muss und wird errichtet werden. Da gibt es keine Zweifel daran, dass ein Zaun existieren muss."
Das war nicht immer so. Früher, als Voutsis ebenso wie Tsipras zum Stimmenfang auf politisch linke Parolen setzte, sah er Zäune mit anderen Augen. Er meinte anlässlich einer vom Parlament organisierten Ausstellung zur Flüchtlingskrise, die im Mai 2017 ins Europäische Parlament gebracht wurde: "Niemals haben Zäune die Migration von Menschen stoppen können."
Für Voutsis galt damals: "Diejenigen, die Grenzen geschlossen halten, und damit diese Menschen außen vor lassen wollen, werden im Inneren den wirklichen Feind finden. Dieser heißt Faschismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit … Europa braucht keine Grenzen, keinen religiösen Fundamentalismus … sondern Brücken des Friedens, der Solidarität und der vielfältigen Kultur."
Monate vorher hatte er bei der ersten Eröffnung der Ausstellung vor einem Foto eines an einem mit Stacheldraht geschützten Zauns hängenden Schnullers an der Grenze Griechenlands zu Nordmazedoniens Tränen vergossen und die Hartherzigkeit der EU beklagt.
An der Flüchtlingskrise verdienen?
Die Zeiten ändern sich hinsichtlich der offiziellen Einstellung von SYRIZA zur Flüchtlingskrise. Eventuell treten nun aber die wahren Gedanken der betreffenden Politiker ans Tageslicht. Der Vizepräsident des EU-Parlamentes Dimitris Papadimoulis hielt bei der erwähnten Eröffnung der Ausstellung im EU-Parlament eine ergreifende Rede, die auch heute noch auf der Internetseite von SYRIZA abrufbar ist. Er forderte damals eine europäische Lösung zur Flüchtlingskrise.
Papadimoulis gehört zu den griechischen Politikern, die zumindest für ihr eigenes Vermögen sehr erfolgreich wirtschaften können. Im Jahr 2004 kam der spätere Europapolitiker zunächst als Abgeordneter ins griechische Parlament. Das brachte für ihn die Pflicht mit, eine öffentliche Vermögenserklärung abzugeben. Das ist für alle gewählten griechischen Politiker Pflicht.
2004 hatte er als einzigen persönlichen Immobilienbesitz die Hälfte eines 1000 Quadratmeter großen Feldstücks in Marathon angegeben. An Spareinlagen konnte Papadimoulis 200.000 Euro vorweisen. Seit 2016 verfügt Papadimoulis über mehr als eine Million Euro auf seinen Konten. Heute nennt er 28 Immobilien sein Eigentum.
Damit steht Papadimoulis erheblich besser da, als die Berufspolitiker der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia. Gemäß deren aktueller Vermögenserklärung schulden zehn Spitzenpolitiker der Regierung, darunter Premier Kyriakos Mitsotakis, Immigrationsminister Notis Mitarakis und Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis, zusammen mehr als zwanzig Millionen Euro.
Es hat zumindest einen üblen Nachgeschmack, dass er 2018 mitten in der Finanzkrise sechs seiner acht in Athen befindlichen Mietwohnungen erwarb und zwei weitere direkt nach dem Kauf an seine Kinder übertrug. Es war ein Jahr, in dem die Griechen unter dem Sparzwang der SYRIZA-Regierung litten und die Immobilien oft zu Schleuderpreisen verkaufen mussten. Die griechische Wirtschaftskrise wurde hauptsächlich durch Misswirtschaft der griechischen Politiker verursacht. Diese sozialisierten dann den von ihnen an den Staatsfinanzen verursachten Schaden. SYRIZA hatte bei der Wahl 2015 ein Ende dieser sozial ungerechten Maßnahmen versprochen - und das Gegenteil gemacht.
Um die Nutzung der Immobilien musste sich der Politiker keine Sorgen machen. Sie wurden an die NGO Solidarity Now für die Beherbergung von Flüchtlingen vermietet.
Die NGOs unter Generalverdacht
Die NGOs traten seit 2015 vermehrt in den griechischen Alltag. Sie fingen die Flüchtlinge und Migranten auf, die von der Regierung Tsipras zwar ins Land, aber danach im Stich gelassen wurden. Zunächst hatten sich Gruppen von solidarischen Bürgern, darunter viele Linke und Autonome, um die Menschen gekümmert, die sich oft in den Plätzen griechischer Städte sammelten und im Freien campieren mussten.
Die EU glaubte offenbar weniger an die Organisationsmöglichkeiten des griechischen Staats und mehr an die Effektivität der NGOs. Sie förderte in der Folge des anfänglichen Chaos die Flüchtlingsbetreuung durch NGOs. Die wiederum diente Gegnern der Flüchtlingspolitik als Argument für den Sozialneid. Immer wieder werden reale oder irreale Angaben über die Löhne und Gehälter von Mitarbeitern der NGOs durch die griechische Presse verbreitet. Meist fehlt der Hinweis, dass die aus dem Ausland nach Griechenland entsandten Mitarbeiter nach den im Heimatland gültigen Tarifen entlohnt werden. Bereits zu Oppositionszeiten zählte die heute regierende Nea Dimokratia zu den Hauptkritikern der NGOs.
Jeder Fauxpas einer NGO wird von der Presse aufgegriffen. So leistete sich die NGO "Corona Awareness Team" den Lapsus, im Zusammenhang mit der Pandemieprävention auf Lesbos von einem "griechischen Teil" und einem anderen Teil der Insel zu schreiben und zu sprechen. Das strittige Statement landete in der Presse und in sozialen Netzwerken. Lesbos, die Grenzinsel geteilt? Das wollten die Griechen nicht hinnehmen. Die Regionalregierung von Nord-Ägäis erstattete Anzeige.
320 NGOs operieren in Griechenland im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Die Regierung setzt nun 40 Fahnder der Steuerfahndung, der Kriminalpolizei und der Transparenzbehörde auf sie an. Gleichzeitig jedoch wurde im neuen Asylrecht ein Passus eingebaut, welcher dem Immigrationsministerium einen geheimen Etat zubilligt.
Ausgaben aus diesem Etat können nun ohne regelkonforme Ausschreibungen erfolgen. Die entsprechenden Nachweise können nach wenigen Wochen vernichtet werden. Eine demokratische, lückenlose Kontrolle der Ausgaben ist damit kaum möglich. Mit dem geheimen Etat können Baumaßnahmen wie geschlossene Flüchtlingslager und auch Maßnahmen am Grenzzaun finanziert werden.
Die politischen Entscheidungen der Nea Dimokratia lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass den Asylbewerbern das Leben so schwer wie möglich gemacht werden soll. So werden die Posten von Lagerdirektoren für Asylbewerber bevorzugt mit Personen besetzt, die ihre Abneigung gegen den Islam als Religion, wie Christos Tsiarchis, bereits öffentlich verbreitet haben. Es ist erklärtes Ziel der Regierung, potentielle Asylbewerber abschrecken zu wollen.
Asylverfahren in Zeiten von CoVid19
Auf Lesbos wurde am 18. Mai gegen vierzehn Asylbewerber, die wegen eines abgelehnten Antrags einen Anwalt aufsuchen wollen, eine Ordnungsstrafe von jeweils 150 Euro verhängt. Die Ausgangsbeschränkungen in Griechenland bestanden nämlich weiter, obwohl im gesamten Land Geschäfte, Schulen und Malls geöffnet wurden und obwohl die übrigen Bewohner des Landes seit dem 18. Mai ohne Sondererlaubnis von Ort zu Ort und ab dem 25. Mai auch auf Inseln reisen können.
Mit der weitgehenden Öffnung des öffentlichen Lebens am 18. Mai einher ging auch die Öffnung der Asylbehörden. Diese verschickten sodann eine Reihe von ablehnenden Bescheiden. Nach einer während der Pandemie verabschiedeten Novelle des Asylgesetztes sind nun pauschale Ablehnungen möglich. Kriterium hierbei ist keine Einzelfallprüfung, sondern allein die Herkunft des Antragstellers. Ein Einspruch gegen diese Bescheide muss innerhalb der nun per Gesetz verkürzten Frist von zehn Tagen erfolgen. Dadurch gerieten die Empfänger der Ablehnungen in Zugzwang. Ihre möglichen Widersprüche mussten zwingend zum 28. Mai bei der Asylbehörde eingehen. Sie mussten auf einen Bescheid reagieren und benötigten dafür juristischen Beistand. Dafür aber mussten sie das Lager verlassen, was wiederum verboten war.
Erschwerend für die Betroffen kam hinzu, dass die bergründete Ausgangserlaubnis von den Polizisten im Lager Moria mündlich und ohne schriftlichen Nachweis erteilt wird. In der Stadt, in Mytilene, wollten die dortigen mit der Kontrolle der Ausgänge befassten Beamten jedoch schriftliche Dokumente sehen.
Während der Quarantänezeit in Griechenland wurden 1789 Asylanträge abgelehnt, die nun von der Asylbehörde anlässlich der Wiederaufnahme des öffentlichen Betriebs zugestellt wurden. 1400 Anträge betreffen die erste Prüfung der Anträge. Die Behörde blieb zwar über Wochen für jeglichen Publikumsverkehr geschlossen, die Anträge wurden jedoch weiter bearbeitet.
Obdachlos mit positivem Asylbescheid
Ab dem 31. Mai könnten sich in Griechenland Zustände wie 2015 wiederholen. Die Regierung setzt nämlich rund 11.000 Asylanten auf buchstäblich auf die Straße. Sie sollen dann Wege finden, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, meint das zuständige Ministerium.
Wie das bei immer noch geltenden Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Panemie und mitten in der Corona-bedingten Wirtschaftskrise geschehen soll, erklärt das Ministerium nicht. Zudem können viele der anerkannten Asylanten kein Griechisch. Es dürfte damit vorprogrammiert sein, dass sie sich auf den Weg in den europäischen Norden machen werden.
Weil er Zustände wie 2015 vermeiden möchte, hat sich der Bürgermeister von Athen, Kostas Bakoyiannis, am Dienstag mit Immigrationsminister Mitarakis getroffen. Es ist nicht bekannt, was die beiden konkret hinsichtlich des Verbleibs von ab 1. Juni 2800 im Großraum Athen obdachlosen Asylanten vereinbart haben.
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