Schlusslicht Deutschland

Seite 2: Vorerst weniger CO2

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Unterm Strich bedeutet der Rückgang der Stromerzeugung in Kohlekraftwerken zusammen mit dem Corona bedingt erheblich verminderten Straßen-, Schienen- und Luftverkehr geringere Treibhausgasemissionen. Einige Wissenschaftler haben den weltweiten Effekt der Corona-Maßnahmen abgeschätzt und ihre Ergebnisse in Nature Climate Change veröffentlicht.

Demnach lagen die globalen täglichen CO2-Emissionen Anfang April um 17 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Genauigkeit der Abschätzung liege im Bereich -11 bis -25 Prozent. Wie stark der Rückgang bis zum Ende des Jahres ausfallen wird, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Pandemie und die Gegenmaßnahmen weiter entwickeln.

Wenn schon im Juni wieder der alte Zustand von Wirtschaft und Verkehr erreicht sein sollte würde das Emissions-Minus vier Prozent (-2 bis -7 Prozent) betragen. Sollten einige Restriktionen bis zum Ende des Jahres aufrechterhalten werden, rechnen die Autorinnen und Autoren mit einem Minus von sieben Prozent (-3 bis -13 Prozent).

Noch nicht eingerechnet wurden dabei die Folgen der schweren Wirtschaftskrise, die auf uns zurollt. Während der Finanzkrise 2008/09 waren die Emissionen 2009 um 1,4 Prozent zurückgegangen, hatte aber schon im darauffolgenden Jahr weit überdurchschnittlich um 5,1 Prozent zugelegt.

So schnell wird die Erholung diesmal sicherlich nicht kommen - die Lufthansa geht fürs eigene Unternehmen davon aus, dass dessen Krise erst 2023 überstanden sein wird -, und ob die Emissionen wieder steigen wird sehr vom Pfad abhängen, der für den Umbau der Energieversorgung und den Verkehrssektor eingeschlagen wird.

Das scheint durchaus vielen Menschen bewusst zu sein, auch wenn die Medienaufmerksamkeit sich derzeit ganz auf die Corona-Pandemie konzentriert. Die Proteste der Schülerinnen und Schüler gehen jedenfalls weiter, wie letzten Freitag unter anderem in Hamburg, London, und Mumbai, in Argentinien, Pakistan, Uganda und in Sierra Leone zu beobachten war.

Staatsknete für Dividenden?

Einige Tage zuvor hatte Fridays-for-Future-Sprecherin Carla Reemtsma Bundeswirtschaftsminister Peter Altmayer bei "Hart aber fair" erklärt, wie unsozial, umweltschädlich und volkswirtschaftlich unsinnig die geplante Abwrackprämie für Pkw ist. Nächsten Monat soll für diese ein konkretes Konzept vorgelegt werden.

Gefordert hatte sie unter anderem vom BMW-Chef Oliver Zispe, der vergangene Woche der Hauptversammlung seines Konzerns vorgeschlagen hatte, ein Dividende von 1,6 Milliarden Euro auszuschütten. Rund die Hälfte davon, 800 Millionen Euro, gehen an die beiden Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt. Auch auf diese Verbindung hatte die Fridays-for-Future-Sprecherin hingewiesen.

Doch wie nicht anders zu erwarten, ließ sich der eine recht säuerliche Miene ziehende Altmayer nicht überzeugen. Wie auch, wenn seine Regierung nicht einmal auf den von ihr eingesetzten Sachverständigenrat für Umweltfragen hört. Der hatte ihr letzte Woche einmal mehr vorgerechnet, dass "die deutschen Klimaschutzziele nicht ausreichen, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen", und dass das Klimaschutzgesetz entsprechend nachgebessert werden muss.

Entgegen der eigenen Wahrnehmung gehört Deutschland nämlich inzwischen in Klimaschutz seit langem eher zu den Schlusslichtern unter den Industrienationen. Während Dänemark zwischen 2005 und 2017 seine Treibhausgasemissionen um 37 Prozent, Großbritannien um 33 %, Schweden um 23 % und Frankreich immer noch um 17 Prozent verringerte, schaffte man zwischen Rhein und Oder nur ein Minus von neun Prozent.