Schnell in den Krieg

Bundestag soll Entsendung neuer Soldaten in das afghanische Kundus beschließen. Was noch vor wenigen Jahren undenkbar war, ist inzwischen Routine geworden.

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In der Nacht von Montag auf Dienstag hat der UN-Sicherheitsrat in New York auf den Antrag Deutschlands beschlossen, das Mandat der ISAF-Truppe in Afghanistan zu erweitern. Geht es nach dem Willen des Auswärtigen Amtes in Berlin, sollen damit deutsche Truppen im afghanischen Kundus stationiert werden. Bislang ist das ISAF-Mandat auf die Hauptstadt Kabul begrenzt. Der Bundestag wird voraussichtlich in der kommenden Woche über die Entsendung von mehr Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan einen Beschluss fassen.

Aus den meisten Fraktionen wird Zustimmung kommen. Vielleicht wird ein Christian Ströbele der Entsendung widersprechen, oder eine der beiden fraktionslosen Abgeordneten für die PDS. Dass die Diskussion nicht wirklich ernst genommen wird, darauf weisen zwei Umstände hin. Zum einen hat die NATO, die derzeit die Führung der ISAF-Truppe in Afghanistan innehat, das deutsche Projekt bereits letzte Woche abgesegnet. Sollte der Bundestag zustimmen, so wurde verlautbart, könnte ein Vorauskommando von 70 Soldaten sofort entsandt werden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie bereits marschbereit sind.

Aber das alles soll noch viel schneller gehen. "Wir müssen uns auf Situationen einstellen", sagte der CDU-Verteidigungsexperte und stellvertretende Vorsitzende der CDU, Wolfgang Schäuble, "in denen unsere bisherigen langwierigen Verfahren nicht ausreichen werden." Will heißen: Das Parlament soll die im Grundgesetz verankerte Kontrolle über die Streitkräfte abgeben. Ohne größeres Unbehagen fordert der sozialdemokratische Verteidigungsminister Peter Struck tiefe Einschnitte in der (historisch begründeten) demokratischen Bundeswehrkontrolle. Nicht mehr die Abgeordneten sollen künftig über die Einsätze entscheiden, sondern ein "Sonderausschuss".

Unterstützung kam naturgemäß vom Bundeswehrverband, der sich schon immer gegen inkompetente Bevormundung durch Zivilisten gestört fühlte. In der Chemnitzer Freien Presse jedenfalls beeilte sich Verbandschef Bernhard Gertz seinem Minister beizupflichten. Die parlamentarischen Entscheidungen dauerten einfach zu lange, beteuerte auch er. Struck ging nach einer NATO-Übung im US-amerikanischen Colorado Springs vor wenigen Tagen in die Offensive. Bei dem Planspiel habe sich gezeigt, dass schnellere Entscheidungen notwendig seien, erklärte der Minister, und forderte daher gleich ein "Entsendegesetz" bis zu den Osterferien 2004. Doch die sozialdemokratische Heimatfront erweist sich zäher als vermutet. Der Vorstoß stößt in der SPD derzeit auf mehrheitliche Ablehnung. Laut SPD-Fraktionsvize Gernot Erler seien die Beratungen dazu "noch nicht abgeschlossen".

Die aktuelle Diskussion kommt alles andere als überraschend. Sei Beginn der neunziger Jahre wird in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Speziellen an einer interventionsorientierten Streitkraft gearbeitet. Der erste Golfkrieg zwischen den USA und Irak gab dazu im wahrsten Sinne des Wortes den Startschuss. Interessant ist, dass seither ein geschürtes Unsicherheitsgefühl als Begründung für eine aktive Streitmacht herausgezogen wurde. So war bereits auf dem NATO-Gipfel 1991 in Rom von "vielgestaltigen Risiken und Gefahren die Rede". Massenvernichtungswaffen erfreuten sich in der sicherheitspolitischen Rhetorik schon damals größter Beliebtheit. Als ein Jahr später auf Initiative des damaligen Verteidigungsministers Gerhard Stoltenberg (CDU) die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien vorgestellt wurden, war schwarz auf weiß zu lesen, was viele befürchtet hatten: Erstmals wurden wirtschaftliche Interessen explizit als Einsatzgrund für die Bundeswehr genannt.

Damit bewegte sich Berlin durchaus im internationalen Trend. Während die "Friedenseinsätze" in Somalia und Bosnien schließlich noch unter UN-Verwaltung liefen, hat die Weltorganisation seit 1999 ihre legislative Macht abgegeben. Im April jenes Jahres wurde in Calw übrigens das "Kommando Spezialkräfte" (KSK) gegründet, dessen 1.000 Mann zum "schnellen Eingriff" bereitstehen. Als Rudolf Scharping das Verteidigungsressort übernahm, verfügte die Bundeswehr über 37.000 Einsatzkräfte. Den Eckdaten der Bundeswehrreform zufolge - wie sie erstmals am 14. Juni 2000 vom Bundestag abgenickt wurden - sollen es bis 2006 gut 150.000 Soldatinnen und Soldaten werden.