Scholz und Habeck in Kanada: Außer Spesen nichts gewesen
Am Ende der Verhandlungen stand ein Abkommen, das irgendwann einen Bruchteil des deutschen Energiebedarfs sichern könnte. Bei kurzfristigen Lieferungen von Erdgas blitzten die Deutschen ab.
Am Mittwoch endete die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kanada. Er und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kamen mit einem Abkommen nach Berlin zurück, das manchen als ein Meilenstein gilt: Kanada soll demnach Deutschland ab 2025 mit Wasserstoff beliefern.
Am Dienstag hatten Habeck und der kanadische Energieminister Jonathan Wilkinson das Abkommen in Stephenville unterzeichnet, einer Kleinstadt an Neufundlands Küste. Und Scholz erklärte bei der Gelegenheit, dass mit diesem Abkommen die Partnerschaft mit Kanada auf eine strategischere Ebene gehoben werde.
Bei dem Abkommen handelt es sich um eine gemeinsame Absichtserklärung zwischen Deutschland und Kanada. Das Ziel der Zusammenarbeit sei "die Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln und eine transatlantische Lieferkette für Wasserstoff deutlich vor 2030 zu schaffen, bei der erste Lieferungen 2025 geplant sind", heißt es laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) in dem Papier.
Kanada erklärt sich bereit, Milliarden in die Entwicklung von Technologie und Infrastruktur zu stecken, während die Bundesregierung heimische Importeure beim Aufbau eines internationalen Handelskorridors unterstützen will.
Geliefert werden soll "grüner" Ammoniak. Im Gegensatz zu "grünem" Wasserstoff ist er weniger flüchtig, lässt sich mit geringerem Aufwand verflüssigen und ist sicherer zu transportieren. Er wird über die Elektrolyse von Wasser produziert und mit erneuerbaren Energien. Am Bestimmungsort kann er dann entweder direkt verwendet oder in "grünen" Wasserstoff umgewandelt werden.
Die deutschen Energieunternehmen Uniper und E.ON sollen den Import organisieren. Im Rahmen der Kanada-Reise haben beide Konzerne eine Absichtserklärung mit dem kanadischen Unternehmen Everwind abgeschlossen. Insgesamt eine Million Tonnen grünen Ammoniak pro Jahr wollen sie ab Mitte des Jahrzehnts kaufen.
Die Menge ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Energiedichte von Ammoniak liegt bei 5,2 Kilowattstunden (kWh) pro Kilogramm. Auf die vereinbarte Menge hochgerechnet bedeutet das: Beide Unternehmen importieren bis zu 5,2 Terawattstunden (TWh) Ammoniak pro Jahr.
Die Bundesregierung geht in ihrer Wasserstoffstrategie allerdings von einem Bedarf im Jahr 2030 von 110 TWh aus. Und aus der Produktion in Deutschland sollen bislang bis zu 14 TWh des "grünen" Wasserstoff kommen. Eine enorme Deckungslücke bleibt.
Keine schnellen LNG-Lieferungen nach Deutschland
Wasserstoff ist Zukunftsmusik. Aber Bundeskanzler Scholz hatte auch darauf gehofft, kurzfristige Energielieferungen aus Kanada erhalten zu können.
Offiziell war zwar stets betont worden, dass die Erwartungen der deutschen Regierung an die Lieferung von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus Kanada gering sind. Es sei klar, dass in den nächsten ein, zwei Jahren ohnehin nichts geliefert werden könne, berichte die Deutsche Welle und berief sich auf Regierungskreise in Berlin. Begründet hatte man das mit fehlenden Exportterminals an der Ostküste.
Auf einer deutsch-kanadischen Wirtschaftskonferenz in Toronto wählte Scholz dagegen andere Worte. "Da sich Deutschland in rasantem Tempo von der russischen Energieversorgung abwendet, ist Kanada unser Partner der Wahl", sagte er laut Nachrichtenagentur Reuters. "Das bedeutet zunächst, dass wir unsere LNG-Importe erhöhen müssen. Wir hoffen, dass kanadisches LNG dabei eine wichtige Rolle spielen wird."
Eine namentlich nicht genannte Quelle habe demnach gegenüber Reuters gesagt: In dem Bestreben, die Lücken in den Erdgaslieferungen aus Russland in diesem Winter zu schließen, sei Deutschland "ziemlich scharf auf Gas von überall her".
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau machte schließlich deutlich, dass es keine schnelle Hilfe aus Kanada geben werde. Er betonte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten solcher Projekte – und dass es Jahre dauern würde, bis sie fertiggestellt sein werden.
In den letzten Monaten war im Gespräch, das Importterminal der spanischen Firma Repsol in New Brunswick könnte das am meisten machbare Projekt sein. Der Umbau zum Exportterminal könnte aber drei bis vier Jahre dauern, hatte der kanadische Energieminister Wilkinson nun betont.
Ein neues Terminal zu bauen, könnte sogar noch länger dauern. Bis alle Genehmigungen eingeholt und die Proteste von Umweltschützern ausgestanden sind, könnte ein Jahrzehnt vergehen, so Wilkinson.
Ganz ohne Hoffnung wollte Trudeau die Deutschen dann doch nicht nach Hause fliegen lassen. Im Beisein von Scholz versprach er: "Wir werden tun, was wir können", um durch eine kurzfristige Erhöhung der Kapazitäten einen Beitrag zur globalen Energieversorgung zu leisten.
Kanada werde auch "Wege erkunden, um zu sehen, ob es sinnvoll ist, LNG zu exportieren und ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, LNG direkt nach Europa zu exportieren".
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