Schuld ist der liebe Gott ...
Bayer verteidigt sich in der Gentech-Reis-Affäre
Die Verunreinigung von Langkornreis durch den nicht zugelassenen Gentech-Reis LL601 aus dem Hause Bayer (Der Reis, den keiner wollte) hat den amerikanischen Reis-Bauern erheblichen Schaden zugefügt. Hunderte Farmer aus dem Süden beteiligen sich deshalb an Sammelklagen. Nun gibt ein 30-seitiges Antwortschreiben von Bayer Crop Science an die Anwälte erste Hinweise auf die Verteidigungsstrategie des Konzerns. Wie die Washington Post berichtet, wären danach höhere Gewalt, aber auch angeblich sorglose Landwirte selbst Schuld an der Misere.
Mitte August wurden die US-Behörden über das Auftauchen der nicht genehmigten Gentech-Reislinie LL601 von Bayer CropScience informiert Der Reis, ursprünglich von Aventis CropScience entwickelt, zählt zu den herbizidtoleranten Gentech-Sorten und ist unempfindlich gegenüber dem Unkrautvernichtungsmittel Liberty Link. LL601 Reis wurde nie kommerzialisiert und nur im Feldversuch zwischen 1998 und 2001 getestet. Der US-Landwirtschaftsminister bestätigte allerdings, dass kontaminierter Reis in einer Ernte 2005 aufgetaucht war.
Der Skandal war perfekt. Wie Analysen zeigten, war ein erheblicher Anteil der US-Reis-Ernte verunreinigt. Die EU reagierte prompt und schreibt für Reisimporte aus den USA inzwischen Zwangstests vor. Da keine Sicherheitsbewertung nach den Regeln der Europäischen Behörde für Ernährungssicherheit (EFSA) für LL601 vorliegt, gilt Null-Toleranz. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen den Reis aus dem Verkehr ziehen. In Deutschland gab Baden-Württemberg als erstes Bundesland am 13. September bekannt, dass in sieben von 46 untersuchten Proben LL601-Reis gefunden worden war. Mehrere Bundesländer meldeten ähnliche Ergebnisse.
Die Preise für US-Langkornreis fielen anfänglich drastisch. Der Absatzmarkt Europa brach überhaupt ein, zumal große Lebensmittelproduzenten vorsichtshalber sofort auf Lieferanten aus anderen Ländern auswichen. In den USA taten sich die geschädigten Landwirte zusammen und reichten Sammelklagen in Millionenhöhe ein. Jetzt liegt ein erstes Antwortschreiben von Bayer vor. Wie die Washington Post berichtete, umfasst die Antwort dreißig Seiten. Die Botschaft lässt sich der amerikanischen Zeitung zufolge aber im Wesentlichen auf drei Kernpunkte zusammenfassen. Erstens lehne Bayer jegliche Verantwortung im strafrechtlichen Sinn ab. Nach Ansicht des Unternehmens wären dagegen “unvorhersehbare Umstände“ und letztlich „höhere Gewalt“ geltend zu machen. Darüber hinaus werden aber auch „sorglose Farmer“ ins Visier genommen.
Denying any culpability, the Bayer response variously blames the escape of its gene-altered variety of long-grain race, LL601, on “unavoidable circumstances which could not have been prevented by anyone” “an act of God”; and “farmers” “own negligence, carelessness, and/or comparative fault”.
Die Klägervertreter zeigen sich empört. „Die Landwirte sind unschuldige Opfer“, zitiert das Blatt Don Downing von der Kanzlei Gray, Ritter & Graham PC, die eine der größten Klagen in Missouri eingebracht hat. Die Landwirte hätten keinerlei Hinweise auf irgendwelche Verunreinigungen gehabt.
Der Grund für die Kontamination ist noch nicht bekannt
Fakt ist, dass man bis heute nicht genau weiß, wie es zu den massiven Verunreinigungen kommen konnte, obwohl lediglich Feldversuche mit der ungenehmigten Sorte durchgeführt worden waren. Eine Spur führt zur Louisiana State University, dem damaligen Züchtungspartner von Aventis. Die Universität gab im August bekannt, dass konventionelles Saatgut der Sorte Cheniere 2003 mit LL601 verunreinigt gewesen ist. Die Saatgutpartien der Jahre 2004 und 2005 seien frei von gentechnischen Kontaminationen. Die Reissorte Cheniere wird seit 2004 auf mehreren tausend Hektar entlang des Mississippis angebaut. Von den Kontaminationen besonders stark betroffen sind Landwirte in Missouri und Arkansas.
Grundsätzlich können Verunreinigungen mit Gentech-Varianten sowohl durch Pollenflug, schlampige Saatgutselektion, gemeinsame Nutzung von Landwirtschaftsmaschinen oder Lagerräumen etc. entstehen. Was bei LL601 genau passiert ist, wird aber noch zu klären sein. Erste Hinweise auf Kontaminationen gab es offensichtlich bereits Januar. Warum eine Reaktion von Bayer bis in den Sommer dauerte, wird ebenfalls in den USA diskutiert.
Die Reaktionen der US-Farmer auf das strenge Vorgehen der EU waren zunächst oftmals von Verärgerung geprägt. Von Seiten amerikanischer Behörden bemühte man sich um Schadensbegrenzung und betonte, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht zu befürchten sei. Es handelt sich aber eben um keine - nicht einmal in den USA - geprüfte Sorte. Eine abschließende Risikobeurteilung konnte die EU deshalb nicht vorlegen. Und selbst in den USA ist der eilig gestellte Antrag auf Zulassung durch Bayer noch nicht durch. Bisher wurde lediglich eine vorläufiger Unbedenklichkeitsstatus von den US-Behörden gewährt – wohl um noch größeren wirtschaftlichen Schaden außen vor zu halten.
In den Vereinigten Staaten – zumindest bei etlichen Vertretern der Reis-Industrie - scheint sich indes die Meinung durchzusetzen, dass man vom Verbraucher nicht verlangen kann, dass er einfach essen soll, was auf dem Tisch kommt. Vielmehr solle man anbauen, was der Verbraucher wünscht. Vertreter der US-Reisbauern setzen einer geplanten nachträglichen Zulassung deshalb auch einigen Widerstand entgegen. Ein Vertreter meinte etwa, dass niemandem damit geholfen sei. Denn nachdem Bayer den Antrag nur in den USA gestellt hätte, sei damit das Export-Problem noch lange nicht gelöst. Sorge mache nicht nur der europäische, sondern auch der kanadische Markt. In Arkansas erwägt man derzeit ein Anbauverbot der betroffenen Reis-Sorte Cheniere zumindest für die Anbausaison 2007, eventuell sogar noch ein Jahr länger.
Zudem wird diskutiert, sich an europäischen Standards bezüglich der Sicherheitsbewertung zu orientieren. Dabei spielen offensichtlich primär wirtschaftliche Überlegungen und Kundenorientierung eine Rolle. Ein Händler sagte gegenüber dem Fachmedium Deltafarmpress.com, es ginge hier nicht darum, ob die Ablehnung von Gentechnik rational sei oder nicht, man müsse sich am Verbraucherwunsch orientieren.