Schwarze Löcher: Die Singularität des vorigen Tages

Seite 3: Rotierende Schwarze Löcher

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Dem Leser, der vielleicht bereits überlegt, sich der Troll-Guerilla anzuschließen, sei zur Entspannung gesagt, dass alle diese Feststellungen natürlich äußerst spekulativ sind. Eigentlich debattieren die Physiker vor allem intensiv darüber, ob man Einsteinschen Differentialgleichungen unter solchen extremen Bedingungen noch trauen kann oder ob nicht eine andere Theorie notwendig ist, die mit Singularitäten zurechtkommen oder sie ganz vermeiden kann.

Aber zunächst einmal wird es doch schlimmer… Die Schwarzschild-Lösung gilt nicht für rotierende Schwarze Löcher. Wenn aber ein rotierender Stern in sich zusammenbricht, muss das Drehmoment erhalten bleiben und deswegen soll es auch rotierende Schwarze Löcher geben. Dafür braucht man eine andere Lösung als die von Schwarzschild. Erst im Jahr 1963 hat Roy Kerr sein Resultat für rotierende und nicht geladene Schwarze Löcher vorgelegt.

Die Kerr-Lösung für rotierende Schwarze Löcher besitzt aber viel mehr innere Struktur als die Schwarzschild-Lösung. Es gibt einen externen Ereignishorizont, wobei die Kugelform nicht mehr besteht und die Oberfläche eher einem Ellipsoid ähnelt. Neben dem externen Ereignishorizont kommt ein interner Ereignishorizont hinzu, wo sich der Lichtkegel des hineinstürzenden Beobachters nochmal verdreht. Anders gesagt, die Zeit und die radiale Komponente wechseln zum zweiten Mal das Vorzeichen und die Zeitachse ist nun so orientiert wie außerhalb des Schwarzen Lochs. Kausalität, wie wir sie kennen, wird wiederhergestellt. Das hilft dem hineinfallenden Beobachter nicht, da die Singularität im Zentrum nicht mehr punkt-, sondern ringförmig ist. Dorthin wird jedes Teilchen angezogen. Die Singularität muss ringförmig sein, da das Drehmoment nicht in eine punktförmige Singularität untergebracht werden kann.

Abb. 6 zeigt die Struktur eines solchen rotierenden Schwarzen Loches mit zwei Ereignishorizonten und zwei sogenannten Ergoregionen. Die externe Ergoregion entspricht einer Hülle um den Ereignishorizont, innerhalb dessen Raum und Zeit durch die Rotation des Schwarzen Lochs mitgeführt werden. Das wird "frame dragging" genannt. Ein Objekt, das sich nahe genug am Schwarzen Loch befindet, wird in Rotation versetzt, weil der Raum um das Schwarze Loch selber mitgedreht wird. Der innere Ereignishorizont besitzt auch so ein Gebiet, in dem "frame dragging" stattfindet, das allerdings zum Zentrum des Schwarzen Loches hin verlagert ist. Die Berechnung all dieser Gebiete ist extrem kompliziert, aber das Resultat zeigt, dass ein rotierendes Schwarzes Loch ein ziemlich strukturiertes Objekt ist.

Abb. 6: Die Struktur eines rotierenden Schwarzen Loches mit zwei Ereignishorizonten. Die Form ist nicht mehr sphärisch, sondern die eines Ellipsoids. In der Nähe des Ereignishorizonts findet "frame dragging" statt (zwischen Ereignishorizont und Ergooberfläche). Die Singularität ist nun ring-, statt punktförmig. Bild: Raúl Rojas

Was Zeitreisen betrifft, ist das Problem nun, dass es in solchen Schwarzen Löchern geschlossene Geodäten in Raum und Zeit gibt. D.h. man startet die Reise irgendwo und kommt am selben Ort wieder an, aber in der Vergangenheit. Im inneren Bereich des Schwarzen Loches (hinter dem zweiten Ereignishorizont), geschieht das nicht, aber man kann sich nicht dort retten, da man in Richtung der Ringsingularität abgestoßen wird.5

Gravitationstheoretiker, die ins Innere von Schwarzen Löchern schauen möchten, machen aber dort nicht halt. Eine andere Möglichkeit dort hineinzuschauen, besteht darin, die sogenannten Invarianten der Lösungen der Einstein-Gleichungen mit dem Computer abzubilden. Es gibt mehrere solche Invarianten. Abb. 7 zeigt eine davon, die sogenannte Weyl-Krümmungsinvariante, so wie diese von Astrophysikern berechnet worden ist. Das heißt nicht, dass diese Oberflächen so im Inneren von Schwarzen Löchern existieren, sondern dass die Kombination von vielen dieser Invarianten uns die Geometrie an jeder Stelle verrät.

Abb. 7: Die Struktur der Weyl-Krümmungsinvariante innerhalb eines rotierenden Schwarzen Lochs, rekonstruiert am Computer. Bild: R. Henry , J. Overduin, K. Wilcomb, "A New Way to See Inside Black Holes",arXiv: 1512.02762v1

Messung der Eigenschaften von Schwarzen Löchern

Es scheint, als wäre es ein hoffnungsloses Unterfangen, die Spekulationen der Theorie durch astronomischen Messungen bestätigen zu können. Die Masse eines Schwarzen Loches kann allerdings indirekt über den Effekt auf die Bahnen von um ihn rotierenden Sternen bestimmt werden (siehe Abb. 1). Auch das Drehmoment kann vielleicht durch Messungen der Störungen von denselben Bahnen berechnet werden (um "frame dragging" zu beobachten). Andere Eigenschaften könnten vermutlich durch auf der Erde detektierte Gravitationswellen abgeleitet werden.

Detektoren für Gravitationswellen, wie LIGO in den USA und VIRGO in Italien, messen nicht einfach die durch Gravitationswellen erzeugten Verformungen der Apparatur. Dafür ist das Signal-Rauschen-Verhältnis zu ungünstig. Diese Labore fahnden nach Wellenmustern der Kollisionen von Schwarzen Löchern, die theoretisch vorberechnet wurden. Nur so kann man die vorgeschlagenen Signale durch Korrelationsrechnungen aus den verrauschten Daten hervorstechen lassen. Es ist eine Nadel im Heuhaufen, aber von der Nadel hat man ein theoretisches Model, das die Suche erst ermöglicht. Eine Gruppe von Astrophysikern schlug neulich vor, die Form dieser Gravitationswellen noch genauer zu berechnen und dazu mögliche Echos in Betracht zu ziehen.

Wie man sieht, sind alle diese theoretischen Berechnungen zum Teil ziemlich spekulativ. Deswegen redet man seit Jahrzehnten von einer Quantentheorie der Gravitation, die Quanten- und Gravitationseffekte womöglich zusammenbringt. Vielleicht verschwinden damit die Singularitäten und Paradoxien, die man sonst über das normale Instrumentarium nicht auslöschen kann.

Schwarze Löcher sind also Gravitationsungeheuer, aber unglaublich reiche Konstrukte, an denen sich die moderne Physik auf dem Weg zu neuen Ufern die Zähne ausbeißen muss.

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