Schweizer Parlando
Seite 2: Verwechslungen aller Art
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Kurioserweise wissen die Schweizer selber oft nicht, wofür sie eigentlich in der übrigen Welt bekannt sind. Und Verwirrungen sind sowieso immer angesagt. Der bekannteste Schweizer Krimi-Autor, Friedrich Glauser, Verfasser der Wachtmeister-Studer-Romane, war z.B. ein gebürtiger Wiener. Deutsche Leser verstehen seine Romane leichter in englischer Übersetzung. Der zweitbeste Schweizer Krimi-Autor ist besser bekannt als Dramatiker: Friedrich Dürrenmatt.
Der bekannteste Roman, der je in der Schweiz geschrieben wurde, entstammt der Feder einer jungen Engländerin: Mary Shelley. Sie schrieb ihn am Ufer des Genfer Sees, hochschwanger, und keine 20 Jahre alt. Es ist der Roman "Frankenstein", der seither, seit seinem Erscheinen vor genau 200 Jahren, niemals, und zu keiner Zeit, ungedruckt blieb. Das Buch ist ein Bestseller und Longseller zugleich, im wahrsten Sinne des Wortes.
Ob Mary Shelley auch an der Übersetzung des erfolgreichsten Kinderbuchs aller Zeiten mitgearbeitet hat, bedürfte, nach meinem Dafürhalten, einer modernen Computer-Analyse. Ihr Vater, William Godwin, betrieb jedenfalls einen Verlag, in dem er auch Jugendliteratur herausbrachte. Dort veröffentlichte er 1814 eine Robinsonade, d.h. die Geschichte einer Familie, die auf einer Insel gestrandet war, verfasst von einem Schweizer Autor, dem Berner Pfarrer Johann David Wyss.
"Der Schweizerische Robinson" erschien unter dem Titel "The Swiss Family Robinson", in der Übersetzung von Mary Jane Godwin, der zweiten Frau von Mary Shelleys Vater. Von Mary Shelley selber waren aber schon Texte erschienen, als das Kind erst 10 Jahre alt war, also die beiden Marys könnten sehr wohl in dem engen Familienbetrieb gleichzeitig oder nebeneinander / nacheinander an den gleichen Texten geschrieben und gearbeitet haben.
Relevant ist, dass "Swiss Family Robinson" auf Englisch in mehr als 200, wenn nicht 300, verschiedenen Bearbeitungen, Erweiterungen, Übersetzungen usw erschienen ist. Der ursprüngliche "Schweizer Robinson" ist in der Schweiz heute praktisch unbekannt, und daneben auch noch tödlich langweilig. Aber auf eine Rückübersetzung der modernsten englischen Fassung scheint niemand Wert gelegt zu haben. Man kann sagen, die Schweiz schottet sich gerne gegen jede Einmischung von außen immer wieder hermetisch ab.
Ebenfalls superbeliebt in Amerika waren die "Heidi"-Romane der Johanna Spyri. So beliebt, dass die Amerikaner es nicht ertragen konnten, als die Quelle der Romane versiegte. Der "Original-Übersetzer" setzte die Reihe daraufhin fort — aber in der Schweiz selber war man an den amerikanischen Folgebänden natürlich nicht mehr weiter interessiert. Der bekannteste literarische Held der Schweiz in den USA ist seinerseits Wilhelm Tell. Der Gag, das jemand einen Apfel auf dem Kopf balanciert, und jemand anderer versucht, ihn irgendwie mit einer Schusswaffe zu entfernen, ist sozusagen universal-amerikanisch, sei es, dass Charly Chaplin — in "Der Zirkus" — den Apfel durch eine Banane ersetzt, oder dass der Autor William Burroughs bei einem Nachvollzug der Tell-Szene ganz real seine eigene Ehefrau erschießt.
Ein weltbekannter Schweizer
Der heute weltweit bekannteste — oder überhaupt einzig bekannte — Schweizer ist der Hobby-Archäologe Erich von Däniken. Däniken war ein Hotelier, dem beim Betrachten von Fotos lateinamerikanischer und ägyptischer Pyramiden die Erkenntnis zuwuchs, dass Außerirdische zwischen den Kontinenten umhergereist sein, und die frühmenschlichen Kulturen angefacht haben mussten. Im Sommer 1968 erschien sein Erstling "Waren die Götter Astronauten?" in der Weltwoche als Vorabdruck.
Die Ideen waren nicht neu, aber einzig von Däniken schaffte es, Millionenauflagen und Weltruhm damit zu erlangen. Heute, 50 Jahre später, scheint man in der Schweiz den großen Phantasten der Archäologie eher schamhaft zu verschweigen, dabei gehört er absolut in die gleiche Klasse wie ein Thor Heyerdahl oder Heinrich Schliemann.
Heyerdahls "Kon Tiki"-Reise resultierte in einem der größten Bestseller aller Zeiten, Schliemanns "Entdeckung Trojas" stimulierte die moderne Archäologie, die es ohne ihn womöglich gar nicht erst gegeben hätte. Von Däniken warf Fragen auf, die —genau so, wie die Theorie der Kontinentalverschiebung eines Alfred Wegeners bedurfte — erst durch ihn in den Fokus echter Wissenschaft gerieten. Vor allem aber popularisierte er den ganzen Wissensbereich Archäologie in einer Weise, wie es nicht einmal dem Bestseller-Autor C. W. Ceram mit seinem "Götter, Gräber und Gelehrte" gelungen war.
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