Sechs erstaunliche Fakten über die Treibhausgasemissionen und die Braunkohleförderung
Deutschland wird seine Klimaschutzziele nicht erreichen
Obwohl die Bundesregierung ihr Ziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Verhältnis zu 1990 zu senken, weit verfehlen wird, sieht sie sich mit dem "Klimaschutzplan 2050" noch immer in einer Vorreiterrolle unter den Industrie- und Schwellenländern hinsichtlich der Wende hin zu erneuerbaren Energien und der Reduktion von Treibhausgasen. Dass diese Sichtweise von den Bürgern übernommen wird, hängt jedoch eher mit einem gutem Marketing der hoch gesteckten Ziele zusammen als mit harten Zahlen und Fakten.
Deutschland ist in der EU bei weitem der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen
Deutschland steht bei dem Ausstoß von Treibhausgasen weltweit hinter China, den USA, Russland, Indien und Japan an sechster Stelle und beim Pro-Kopf-Ausstoß in dieser Vergleichsgruppe hinter Russland und den USA gar an dritter Stelle. In der EU befindet sich die Bundesrepublik damit an einsamer Spitze. Mit 901,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent emittierte das Land im Jahr 2015 fast doppelt so viel wie das zweitplatzierte Großbritannien (503,5 Mio. t) und das drittplatzierte Frankreich (457,1 Mio. t). Der Treibhausgasausstoß pro Kopf liegt damit in Deutschland ein Drittel höher als in Großbritannien und fast doppelt so hoch wie in Frankreich.
Auch hinsichtlich der Reduktion der Emissionen seit 1990 befindet sich Deutschland innerhalb der EU nur im Mittelfeld. Länder wie Großbritannien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn liegen allesamt deutlich vor der Bundesrepublik und konnten ihren Ausstoß an Treibhausgasen zum Teil um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren.
Von einer Vorreiterrolle Deutschlands kann also aufgrund dieser ernüchternden Zahlen nicht die Rede sein, auch wenn das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik um etwa ein Drittel höher liegt als das von Großbritannien und Frankreich und der niedrige Pro-Kopf-Wert bei den Treibhausgasemissionen Frankreichs aus der dortigen überwiegenden Stromerzeugung aus Kernkraft resultiert. Eine wesentliche Ursache für die hohen Emissionswerte Deutschlands ist die Verwendung von heimischer Braunkohle bei der Abdeckung des Energiebedarfs.
Braunkohle ist Klimakiller Nummer 1
Von allen hauptsächlich genutzten fossilen Energieträgern hat Braunkohle den höchsten spezifischen CO2-Ausstoß je eingesetzter Energieeinheit. Mit bis zu 113,1 Tonnen CO2 je Terajoule liegt dieser Wert mehr als doppelt so hoch wie der von Erdgas (55,9 t CO2/TJ) und immerhin noch ein Drittel höher als der von Dieselkraftstoff (74,0 t CO2/TJ) oder Benzin (73,1 t CO2/TJ).
Steinkohle verfügt einen ähnlich hohen spezifischen CO2-Ausstoß von bis zu 108,1 t CO2/TJ. Doch das ist nur ein Teil der Ursache für die hohen CO2-Emissionen bei der Stromproduktion aus Braunkohle. Der Effizienzgrad von Braunkohlekraftwerken liegt bei gerade einmal 35 Prozent. Das heißt, von einem Terajoule eingesetzter Energie werden nur 0,35 Terajoule Strom erzeugt. Der Effizienzgrad von Gaskraftwerken liegt mit 53 Prozent ungleich höher. Einfacher ausgedrückt: Jede Kilowattstunde Strom, die mit Braunkohle erzeugt wird, belastet die Atmosphäre mit dreimal so viel Kohlendioxid wie dieselbe Strommenge, welche bei der Verbrennung von Erdgas erzeugt wird.
Deutschland ist das größte Braunkohleförderland der Welt
Der Braunkohleabbau ist zwar zwischen 1970 und 2000 in Deutschland um etwas mehr als die Hälfte zurückgegangen, seither hat er jedoch zeitweise wieder um bis zu 10 Prozent zugenommen. 2016 lag die geförderte Menge bei 171,5 Millionen Tonnen pro Jahr und damit 2 Prozent über dem Wert aus dem Jahr 2000. Zum Vergleich: China, der zweitgrößte Braunkohleproduzent der Welt, förderte 2016 140,0 Millionen Tonnen und Russland, der drittgrößte Produzent, 73,7 Millionen Tonnen.
Die Fördermenge von Braunkohle in NRW hat sich unter der politischen Mitverantwortung der Partei Bündnis 90/Die Grünen kaum verändert. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen war in den Jahren 1995 bis 2005 sowie von 2010 bis 2017 in NRW als Koalitionspartner der SPD in der Regierungsverantwortung. In beiden Zeiträumen hat sich der Abbau von Braunkohle in NRW kaum verändert. Zwischen 1995 und 2005 ist die Braunkohleförderung um etwas weniger als 3 Prozent zurückgegangen, während sie zwischen 2010 und 2017 wieder um 0,5 Prozent und kurzzeitig in 2012 sogar um 12 Prozent gestiegen ist.
Liest man das Wahlprogramm der Partei zur Landtagswahl 2010, dann ist noch nicht einmal ein Wille zu einer zeitnahen signifikanten Reduzierung des Braunkohleabbaus zu erkennen. Dort ist auf Seite 41 höchstens von einem "sozialverträglichen Auslaufen der Braunkohleverstromung bis spätestens 2045" die Rede. Im Wahlprogramm für die NRW-Landtagswahl 2017 ist diese Forderung noch schwammiger formuliert: "Der Zielkorridor für die gesetzlich festgelegten Restlaufzeiten der jeweiligen Kohlekraftwerke soll bundesweit für die nächsten zwei Jahrzehnte abschließend definiert werden."
Wenn sich indessen in einer Umfrage von infratest dimap für das ARD-Morgenmagazin 59 Prozent aller Befragten und gar 88 Prozent der Grünen-Anhänger für einen möglichst schnellen Braunkohleausstieg aussprechen, dann kann man an diesem Beispiel nichts weniger als das Versagen der repräsentativen Demokratie erkennen.
Die Außendarstellung der Bundesregierung und die Berichterstattung in den Medien kaschieren die Defizite und das Versagen der deutschen Klimapolitik
Auf seiner Webseite führt das Umweltbundesamt, das dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unterstellt ist, in einem stetig aktualisierten Bericht mit dem Titel "Treibhausgas-Emissionen in Deutschland" die Reduktion des CO2-Ausstoßes ausschließlich auf den Rückgang der Nutzung fossiler Energien sowie die außergewöhnlich warme Witterung im Jahr 2018 zurück. Das mag vielleicht für den Vergleich des Jahres 2018 mit dem Vorjahr stimmen. Der Titel des zugehörigen Absatzes lautet jedoch "Emissionsentwicklung 1990 bis 2017".
Gemäß den Daten zum Endenergieverbrauch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ist die Erzeugung von Strom aus Braunkohle in diesem Zeitraum um 885 Petajoule zurückgegangen. Die Energieerzeugung aus Erdgas ist hingegen zwischen 1990 und 2017 um 558 Petajoule gestiegen. Ersetzt man 558 Petajoule Energie aus Braunkohle durch dieselbe Menge Energie aus Erdgas, dann reduzieren sich die CO2-Emissionen bei der Stromerzeugung aufgrund des deutlich geringeren spezifischen CO2-Ausstoßes von Erdgas und unter Berücksichtigung des signifikant höheren Effizienzgrades von Erdgaskraftwerken gegenüber Braunkohlekraftwerken um 119 Millionen Tonnen.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes sind die CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2017 um 256 Millionen Tonnen zurückgegangen. Das bedeutet, dass knapp die Hälfte dieses Rückgangs auf den Austausch eines fossilen Energieträgers mit einem anderen zurückzuführen ist. Hinter dem Begriff "Kohleausstieg" steckt also in Wirklichkeit der Einstieg in die vermehrte Nutzung von Erdgas. Diese wesentliche Information wird vom Umweltbundesamt auf seinen Webseiten unterschlagen. Auch die Tatsache, dass Deutschland noch immer größter Braunkohleproduzent der Welt ist, sucht man in dem Internetauftritt der Behörde vergeblich.
Dieses unlautere Marketing, mit dem die Defizite und das Versagen der eigenen Klimapolitik kaschiert werden, findet sich auch in den einflussreichsten Medien wieder. "Vier Prozent weniger Treibhausgase" titelt tagesschau.de am 02.04.2019. In dem Beitrag kommt zunächst Bundesumweltministerin Svenja Schulze zu Wort, welche den Rückgang der Treibhausgasemissionen im Jahr 2018 von 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr nicht nur auf die günstige Witterung, sondern auch auf das Wirken von "Klimaschutzmaßnahmen wie Ökostromausbau, Kohleausstieg und Emissionshandel" zurückführt. Erst im vorletzten Absatz wird erwähnt, dass das von der Bundesregierung seit Jahren hoch gesteckte Ziel der Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 um knapp 10 Prozent verfehlt wird. Letzteres zeigt deutlich, dass die Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung eben nicht wirken.
Das im Grunde katastrophale Versagen der deutschen Klimapolitik wird im Folgesatz bereits wieder abgeschwächt. Denn dort wird berichtet, dass die Regierung sich vorgenommen hat, bis 2030 die Emissionen um mindestens 55 Prozent zu senken. In 28 Jahren ist es gerade einmal gelungen, 30,6 Prozent der Treibhausgasemissionen zu reduzieren, obwohl bis 2020 40 Prozent eingeplant waren. In den kommenden 12 Jahren sollen die Emissionen jedoch um weitere 25 Prozent gesenkt werden. Hat die Bundesregierung noch ein Ass im Ärmel, oder wird hier verantwortungslose Augenwischerei betrieben?
Die Potenziale zur Senkung der Treibhausgasemissionen reichen unter den heutigen politischen und ökonomischen Voraussetzungen nicht aus, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen
Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch in Deutschland nimmt laut Umweltbundesamt jährlich um circa 1 Prozent zu. Nehmen wir einfach einmal die günstigste aller Entwicklungen an: 2030 wird die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle vollkommen durch erneuerbare Energien ersetzt sein, obwohl der derzeitige Plan zum Kohleausstieg längere Laufzeiten vorsieht und obwohl gleichzeitig sukzessive aus der Kernenergie ausgestiegen werden soll. Zudem wird der Verbrauch von Gas bis 2030 nicht zunehmen, obwohl derzeit deutschlandweit weitere vier Gaskraftwerke mit insgesamt 1.280 Megawatt Leistung in Bau und weitere neun mit einer Leistung von insgesamt circa 7.400 Megawatt in Planung sind. Auch Ölheizungen werden bis 2030 komplett verschwinden und beispielsweise durch Wärmepumpen ersetzt werden.
Falls dieses unwahrscheinliche Szenario eintritt, könnten die CO2-Emissionen um weitere 171 Millionen Tonnen gesenkt werden. Dies entspräche einer zusätzlichen Minderung im Vergleich zu 1990 um knapp 14 Prozent. Dann fehlten noch immer mehr als 10 Prozent zu der angestrebten Reduzierung um 55 Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2030. Wo sollen diese herkommen?
Aus der Reduzierung der Emission weiterer Treibhausgase jenseits von CO2 jedenfalls nicht. Neben Kohlendioxid, dessen Anteil an allen Treibhausgasen bei 88 Prozent liegt, sind auch Methan (6,1 Prozent) und Distickstoffmonoxid (4,2 Prozent) verantwortlich für den Treibhauseffekt. Der weitaus größte Verursacher von Methan-Emissionen ist die Landwirtschaft und dort insbesondere die Viehhaltung. Um hier zu einer signifikanten Senkung zu kommen, müssten die Deutschen konsequent auf Tierprodukte wie Fleisch, Milch und Käse verzichten. Das ist aus heutiger Sicht extrem unwahrscheinlich. Auch für die Entstehung von Distickstoffmonooxid ist hauptsächlich die Landwirtschaft durch Düngung von Ackerböden verantwortlich. Auch hier ist keine bedeutende Absenkung zu erwarten.
Das größte Potential liegt ihm Verkehr. Laut den Daten zum Endenergieverbrauch des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bildeten Kraftstoffe mit 29,3 Prozent in 2017 den größten Anteil am deutschen Energiebedarf. Tatsächlich geht die Bundesregierung in ihrem "Klimaschutzplan 2050" davon aus, dass im Bereich Verkehr bis 2030 die Treibhausgasemissionen von derzeit 160 auf 95-98 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent gesenkt werden können - trotz einer Steigerung der Fahrleistung von Personenkraftwagen um 10 Prozent und von Lastkraftwagen um 28 Prozent gegenüber heute. Dies würde theoretisch zu einer zusätzlichen Reduktion des Treibhausgasausstoßes von bis zu 5 Prozent gegenüber 1990 führen.
Die Senkung soll, so die Bundesregierung, durch eine Kombination aus der Effizienzsteigerung der Fahrzeuge und dem verstärkten Einsatz Treibhausgas-neutraler Energien erfolgen. Bisher hat die Effizienzsteigerung jedoch lediglich dazu geführt, dass immer größere und leistungsstärkere Fahrzeuge produziert wurden, was unter anderem zur Folge hatte, dass der Kraftstoffbedarf seit 1990 stetig angestiegen ist.
Der Umstieg auf Elektroautos würde den Ausstoß von Treibhausgasen in der Summe nicht senken, da die notwendige Energie für den Antrieb aus länger laufenden Kohlekraftwerken und zusätzlichen Gaskraftwerken bereitgestellt werden müsste. Als einzige Alternative bleibt der Einsatz von Biokraftstoffen. Um jedoch nur die Hälfte des Erdölbedarfs der Deutschen mit Biokraftstoffen abzudecken, bedarf es zu deren Herstellung der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche Deutschlands. Man müsste den CO2-neutralen Treibstoff daher aus Ländern importieren, die noch über nicht genutzte riesige Anbaufläche verfügen. Das würde zum Beispiel eine weitere kontraproduktive Rodung der Regenwälder in Brasilien nach sich ziehen.
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, genauso verfehlt werden wird, wie die Senkung um 40 Prozent bis 2020. Es sei denn, die Deutschen würden einsehen, dass eine kurzfristige drastische Reduktion des Treibhausgasausstoßes nur mit einer deutlichen Senkung des Energieverbrauchs machbar ist. Das bedeutet weniger Autofahren, Reisen, Heizen, Luxusgüter, Stromverbrauch und damit weniger Wirtschaftswachstum. Auf ein derartiges Umdenken im aktuellen deutschen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Klima zu hoffen, kommt der Vorstellung gleich, die Schere zwischen Arm und Reich würde sich im unregulierten Kapitalismus wieder von selber schließen.