Seid investiert, Ihr Milliarden!
Arabische Renaissance? Dubai will mit einer Kulturstiftung die Kluft zwischen den arabischen und europäischen Kulturen schließen
Wenn eine Kulturstiftung mit einem Startkapital von 10 Milliarden Dollar gegründet wird, dann staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Denn die mindestens 500 Millionen Dollar jährliche Rendite müssen laut Satzung ja irgendwie ausgegeben werden. Doch auch hierbei zeigt das kleine Golfemirat Dubai wieder einmal, dass es genau weiß, wie man das macht: Mit einer Reihe von Kulturvereinbarungen und einem ambitionierten Plan, die Kluft zwischen den arabischen und den europäischen Kulturen zu schließen.
Am 13. März 2008 unterzeichnete die Mohammed Bin Rashed Al Maktoum Foundation mit dem in Berlin ansässigen west-östlichen diwan e.V. ein Abkommen zur kulturellen Förderung der deutsch-arabischen Zusammenarbeit und setzte damit den Grundstein für den Bau einer Autobahnbrücke zwischen Ost und West – wo es bisher kaum mehr als schwankende Hängebrücken gab, deren Seile finanziell oftmals dermaßen durchgescheuert waren, daß es nur selten jemand wagte, sie forschen Schrittes zu betreten.
Doch „Seine Hoheit Scheich Mohammed Bin Rashed Al Maktoum, Vizepräsident und Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Herrscher von Dubai“, ist ein Dichter, der insbesondere die altarabische, beduinisch geprägte "Wüstendichtung" liebt. Deshalb verwunderte es auch nicht sehr, als er bei seinem letzten Besuch im Februar in Berlin während eines Treffens mit Intellektuellen, Autoren und Lyrikern im Maschatta-Saal der islamischen Abteilung des Pergamon-Museums bekundete, dass ihm Dichter lieber seien als Politiker. Der eine oder andere mag dies als arabische Übertreibung werten, hatte der Scheich doch ein Mehrfaches seiner Zeit für Gespräche mit Führungskräften aus Wirtschaft und Politik investiert. Aber ein solches Urteil greift zu kurz.
Als im vergangenen Jahr die Gründung der Al Maktoum Stiftung bekannt gegeben wurde, tat das mancher noch mit einem Achselzucken ab. Nur allzu oft waren schon derartige Stiftungen gegründet worden und bald darauf wieder in der Versenkung verschwunden. Warum also sollte es diesmal anders sein? Doch bald darauf verschlug es auch den letzten Zweiflern die Sprache, als nämlich bekannt wurde, dass das vom Scheich aus seiner privaten Schatulle zur Verfügung gestellte Stiftungskapital sage und schreibe 10 Milliarden Dollar betrug. Für Kultur war bislang noch nirgendwo ein ähnlicher Betrag investiert worden. Die zu erwartenden jährliche Rendite lässt demzufolge auch die ambitioniertesten Projekte als realistisch erscheinen. Und diese haben es wahrlich in sich.
Übergeordnetes Ziel ist die „Verbesserung der kulturellen und intellektuellen Beziehungen und die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen der arabischen Welt und dem Westen“ – eine Begriffskonstruktion, die sich bislang leider viel zu häufig als reine Worthülse entpuppt hatte. Diesmal jedoch soll die kulturelle Kluft regelrecht zugeschüttet werden. Das bereits zwei Wochen nach dem Besuch unterzeichnete Memorandum of Understanding zwischen der hochsolventen Stiftung und dem west-östlichen diwan e.V. umfaßt daher eine Zusammenarbeit in den Bereichen Übersetzung literarischer Werke aus dem Deutschen ins Arabische und umgekehrt, die Entwicklung der Humanressourcen in den Bereichen des kulturellen Erbes und der traditionellen und zeitgenössischen Kunst, sowie organisierte Aktivitäten und Programme des kulturellen Austauschs zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dazu gehören die Durchführung von Konferenzen und Workshops zur Förderung des kulturellen Dialogs, der Austausch von Erfahrungen und wissenschaftlichem Personal sowie die Förderung von Studien und Initiativen, die dazu beitragen sollen, das gegenseitige Verständnis auf allen Ebenen effektiv zu fördern.
Doch die Ideen, Vorschläge und Ziele zur kulturellen Bewältigung der Herausforderungen, die aus den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der Globalisierung erwachsen, gehen jedoch noch viel weiter und beschränken sich auch nicht auf die Kooperation im deutschen Sprachraum. Bei einer Präsentation in den Räumen der Berliner Festspiele wurden denn auch ein paar Zahlen genannt: Innerhalb der ersten drei Jahre sollen 1.000 Bücher ins Arabische übersetzt werden, man verhandelt mit Google über eine Art arabisches "Gutenberg-Programm", bei dem insgesamt eine Million arabischer Bände und Folianten eingescannt werden sollen, eine Übersetzer-Akademie soll gegründet sowie die Fehlerquote der maschinellen Übersetzung ins Arabische von derzeit 50 % auf 15 % gesenkt werden. Bislang haben sich noch kein Staat und schon gar nicht eine private Institution so weit aus dem Fenster gelehnt.
Durch die finanzielle Kraft hinter dieser umfassenden Vision besteht jedoch erstmal eine realistische Chance, daß dadurch ein tatsächlicher Beitrag zur Aktivierung des Dialogs zwischen der arabischen Zivilisation und anderen Kulturen initiiert wird, bei gleichzeitiger Stärkung der arabischen Region durch echte Möglichkeiten für die kreativen Köpfe der arabischen Welt. Denn auch Stipendien für Forscher, Wissenschaftler und Künstler aus allen Bereichen stehen auf dem Programm, ebenso wie die Durchführung jährlicher Festivals auf der ganzen Welt. Mit 13 Universitäten in arabischen Ländern bestehen bereits Kooperationsvereinbarungen, alleine für die Studienfächer Management, Verwaltung und Medien werden jährlich 100 Hochschulstipendien vergeben. Und mit Intel unterzeichnete die Stiftung eine Vereinbarung zum Aufbau eines kostenlosen Online-Weiterbildungs-Netzwerkes für 2 Millionen Lehrer in der arabischen Welt, das 2011 an den Start gehen soll.
Nicht nur Dubai prescht vor
Die kulturelle Renaissance in den Emiraten scheint ansteckend zu sein. Auf der jüngst zu Ende gegangenen dreitägigen Londoner Buchmesse (LBF) verkündete so die Abu Dhabi Authority for Culture and Heritage, dass man im Rahmen der Initiative „Kalima“ (= Wort), ebenfalls 100 Bücher pro Jahr übersetzen lassen will. Auch die ersten Titel wurden schon genannt: "Zeichen" (Il Segno) von Umberto Eco, "Der Halo Effekt" von Phil Rosenzweig, "Eine kurze Geschichte der Zeit" von Stephen Hawking, "Kafka am Strand" von Haruki Murakami, sowie "Die Zukunft der menschlichen Natur" von Jürgen Habermas.
Die Maktoum-Stiftung konnte in London sogar schon die ersten 30 veröffentlichen Übersetzungen präsentieren, darunter "Eine unbequeme Wahrheit" von Al Gore, "Die Google-Story" des Pulitzer-Preisträgers David A. Vise und Mark Malseed, sowie "Die Memoiren einer Überlebenden" aus der Feder der Nobelpreisträgerin Doris Lessing.
Und auch die lokalen Autoren werden jetzt stärker motiviert. So konnte kürzlich der mit 60.000 US-Dollar dotierte International Prize for Arabic Fiction (IPAF) erstmals verliehen werden, der in Zusammenarbeit mit der Booker Prize Foundation von der Emirates Foundation in Abu Dhabi gestiftet wurde.
Von einer kulturellen Renaissance Arabiens zu sprechen ist vielleicht noch etwas zu früh, aber was da in den vergangenen Wochen und Monaten gestartet wurde ist weit mehr als nur ein dünner Silberstreif am Horizont – oder die Fata Morgana einer erfrischenden Oase.