Selenskyj in Kanada: Applaus für die SS
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Nach der Rede des ukrainischen Präsidenten ehrt das Parlament einen ehemaligen Kämpfer der Waffen-SS als ukrainischen Kriegshelden. Jüdische Organisationen protestieren. Die Peinlichkeit hat Gründe.
Der Umgang mit sogenannten Kriegshelden kann tückisch sein. Am vergangenen Freitag gab es im kanadischen Unterhaus stehende Ovationen für einen ehemaligen Kämpfer der Waffen-SS-Division Galizien, die in Massaker verstrickt war.
Der Sprecher des Parlaments rühmte den mittlerweile 98-jährigen Jaroslav Hunka als "ukrainischen und kanadischen(!) Helden". Der Veteran auf der Besuchertribüne war sichtlich ergriffen, der kanadische Premierminister Trudeau klatschte, der ukrainische Präsident Selenskyj, zu Besuch im Haus, wo er eine Rede gehalten hatte, erhob die Faust.
Später musste sich Parlamentssprecher Anthony Rota offiziell entschuldigen. Jüdische Organisationen waren mit dieser Ehrung eines mutmaßlichen Nazi-Kollaborateurs überhaupt nicht einverstanden, sondern sehr verärgert.
Anthony Rota entschuldigte sich für seine Ehrung des Mannes auf der Tribüne, den er wiedererkannt hatte, da er zu seinem Wahlkreis gehört. Ob das nun tatsächlich eine spontane Einlage war, oder doch schon irgendwie vorher geplant, wie ihm vorgehalten wird, ist nebensächlich.
Die Hauptsache, mit der sich das kanadische Parlament und die Verantwortlichen nun konfrontiert sehen, ist eine Peinlichkeit. Man erwartet eher, dass ein Veteran der Waffen-SS-Division vor Gericht gestellt wird, um zu überprüfen, ob er an Verbrechen beteiligt war, die die Deutschen in der Ukraine im 2. Weltkrieg an Juden begangen haben, statt ihn zu feiern.
Die Sache ist einfach und sie ist zugleich schwierig. Einfach ist sie, weil sie enthüllt, wie sehr eine durch den Ukraine-Krieg vereinfachte moralische Lesart in einen Beifall münden kann, der im Enthusiasmus für die gute Sache auf Sauberkeit im Umgang mit einer komplexen Wirklichkeit verzichtet.
Peinlichkeit und ein neuralgisches Gelände
Dass Jaroslav Hunka bei der genannten SS-Einheit in der Ukraine gekämpft hat, davon kündet das Archiv des Mannes, Fotos wie angeblich auch Texte. Das ist ein Fakt. Dass der Parlamentssprecher nichts davon wusste, obwohl ihm bekannt war, dass der Mann aus der Ukraine stammte und Kämpfer im Zweiten Weltkrieg war, spricht nicht für seine Sorgfaltspflicht (wer wird da geehrt?), sein Geschichtswissen und seine Urteilskraft.
Das ist angesichts der Helden-Rolle, die Anthony Rota dem Veteranen Jaroslav Hunka vor Abgeordneten und der Öffentlichkeit zuwies, höchst blamabel. Die Peinlichkeit hätte vermieden werden können.
So aber verweist sie auf neuralgische Punkte in der Debatte um ukrainische Freiheitskämpfer und den Krieg gegen Russland, der aufgrund des Einmarsch-Befehls des russischen Präsidenten Putin seit Februar 2022 auf ukrainischem Boden stattfindet.
Um den schwierige und komplexen Hintergrund zunächst auf eine einfache Aussage zu bringen: Die Mitgliedschaft bei einem Freiwilligenbataillon der Ukraine, die im Zweiten Weltkrieg aufseiten der deutschen Nazi-Verbände kämpften, heißt nicht automatisch, dass der Kämpfer ein Nazi oder ein Faschist war.
Nicht nur ukrainische Historiker lenken seit einigen Jahren die Aufmerksamkeit auf einen delikaten und umstrittenen Punkt der Kollaboration ukrainischer Kämpfer mit der deutschen Besatzungsarmee. Erklärt wird, dass es sich dabei um einen nationalistischen Befreiungskampf handelte.
Nach den grauenhaften Erfahrungen, die die Ukrainer mit Stalin und der Hungerkatastrophe (Holodomor) Anfang der Dreißigerjahre des letzten Jahrzehnts gemacht hatten, war Stalin zum Feind geworden und Hitler-Deutschland ein opportuner mächtiger Verbündeter.