Selenskyj in Kanada: Applaus für die SS

Seite 2: Viele Hunderttausend Leichen und Nationalhelden

Das große Bild birgt allerdings viele Hunderttausend Leichen, ermordete polnische Zivilisten und Pogrome gegen Juden.

Wie sehr daran ukrainische Unabhängigkeitskämpfer beteiligt waren, in welcher Zahl, mit welchen Einheiten, Verantwortlichen und mit welcher Verbindung und Nähe zur Nazi-Ideologie, hat spätestens seit 2014 zu verstärkten Kontroversen geführt.

Das ist ein komplexes Streitgebiet, mit stellenweise entlarvenden Aussagen, die mehr aus einer ideologischen Position gemacht werden als mit einer intellektuellen Redlichkeit. Exemplarisch zeigte sich das in einem Interview, das Thilo Jung mit dem damaligen ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk Ende Juni 2022 führte.

Dabei ging es um den in der Ukraine von Nationalisten als Helden verehrten Chef der 1929 gegründeten "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN), Stepan Bandera.

"Für mich war er als Person jemand, der versucht hat, einen unabhängigen ukrainischen Staat zu erreichen." Zur Ermordung von 800.000 Juden in der Ukraine durch deutsche Truppen und Verbündete behauptete Melnyk: "Er hat keinen Befehl gegeben, Juden zu vernichten. Dazu stehe ich."

Historische Belege, die Jung während des Interviews vorlas, gab Melnyk an, zum ersten Mal zu hören. Darunter waren auch antisemitische Programmbeschlüsse der Bandera-Organisation OUN-B. Forschungsergebnisse rückte Melnyk mehrfach in die Nähe von Propaganda.

ZDF

Welchen Platz der vom Beifall im kanadischen Parlament umtoste und geehrte Jaroslav Hunka in diesem komplexen Gelände einnimmt, ist bisher nicht spruchreif gedeckt.

Auffallend ist, dass offenbar ein Tuch in der Berichterstattung über die Frage gelegt wird, wie mit Rechten bzw. UItrarechten unter früheren wie gegenwärtigen ukrainischen Kriegshelden umgegangen werden soll. Wie viel Aufklärung sein darf.

Da Russland seinen Angriff auf ukrainisches Territorium unter anderem mit der Haudrauf-Parole "Entnazifizierung" begründet, wird das Problem, wie in der Ukraine mit Rechten umgegangen wird, im Westen nur mit Fingerspitzen angefasst. Oder gar nicht mehr.

Zumindest nicht in Berichten mit großer Aufmerksamkeit. Das Thema ist für viele zu heikel. Man muss israelische Medien lesen, um zu erfahren, nach welchem verehrten Helden, der ein Nazi-Kollaborateur war, wieder eine Straße benannt wurde.

Auch im Fall der peinlichen Jubelaktion im kanadischen Unterhaus gab es zunächst nur spärliche Berichte, etwa bei Springers Welt und bei Politico, die, was die millionenfache Vernichtung der Juden angeht, eine spezielle Verpflichtung haben. Auch in der linken Jungen Welt gab es einen kurzen Bericht wie auch bei RND. Mittlerweile zeigt sich ein größeres Interesse.