Schulen am Limit: Was tun gegen Lehrermangel?
Überlastung, zu große Klassen, Frust über respektlose Kinder: Die Attraktivität des Berufs nimmt ab. Viele steigen sogar aus. Sind Lösungsansätze in Sicht?
Der Lehrkräftemangel in Deutschland ist ein bundesweites Problem. Die Zahl derjenigen, die aus dem Beruf aussteigen, hat in den letzten Jahren zugenommen.
Allein in Berlin kündigten knapp 1.000 Lehrkräfte – teils verbeamtet – 2023 ihren sicheren Job. Ebenso viele taten dies in Nordrhein-Westfalen. Vergleichsweise wenige quittierten bisher in Hessen den Schuldienst – hier gab es aber seit 2018 einen deutlichen Anstieg: Nachdem vor sechs Jahren insgesamt 120 verbeamtete und angestellte Lehrerinnen und Lehrer in dem Bundesland das Handtuch geworfen hatten, waren es im Jahr 2022 bereits 228.
Neuer Beruf: Ausstiegsberaterin für Lehrkräfte
Für Lehrkräfte, die vorerst im Beruf bleiben, verschärft sich dadurch die Lage: "Aufgrund der Mangelsituation empfinden es viele Lehrkräfte so, dass sie durch ihren Alltag nur noch mit dem pädagogischen Feuerlöscher herumrennen, Konflikte schlichten, Lehrplänen hinterher wetzen und den Prüfungsmechanismus aufrechterhalten", verriet die Ex-Lehrerin und Ausstiegsberaterin Isabell Probst Ende letzten Jahres dem Portal News4Teachers.
Das stimme nicht mit dem überein, was sie gelernt hätten und "als Menschen und Pädagogen für richtig halten".
Während es also mittlerweile "Exit-Beraterinnen" und "Ausstiegscoaches" gibt, die sich auf diese Berufsgruppe spezialisiert haben, lautete am Freitag der Appell eines Gymnasiallehrers in einem Gastbeitrag für die Zeit: "Liebe erschöpfte Kollegin, lieber zweifelnder Kollege, bleib doch!"
Droht Brandenburg ein Bildungskollaps?
In Brandenburg wurde die Lage in diesem Jahr als so prekär eingestuft, dass das dortige Bildungsministerium auch um den Wiedereinstieg von Lehrkräften im Ruhestand warb. Von einem drohenden "Bildungskollaps" war im Sommer die Rede.
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Zum Schulstart nach den Sommerferien waren in dem Bundesland rund 450 Lehrerstellen unbesetzt, aber nur 378 ausgeschrieben, wie Landesbildungsminister Steffen Freiberg (SPD) Anfang September erklärte.
Keine Schule ohne Quer- und Seiteneinsteiger
Es würden jedoch fortlaufend weitere Lehrerinnen und Lehrer eingestellt, hieß es laut einem RBB-Bericht, darunter viele Quer- und Seiteneinsteiger. Gemeint sind Akademiker ohne Lehramtsstudium, die inzwischen fast 20 Prozent der Kollegien ausmachen.
Lehrerinnen: Beruf mit hohem Frauenanteil
Einer der möglichen Gründe des Mangels: Während im Schuldienst Frauen überrepräsentiert sind – über alle Schultypen hinweg waren 2023 gut 73 Prozent aller Lehrkräfte weiblich, an Grundschulen rund 89 Prozent, an Real- und Hauptschulen jeweils 65,5 Prozent und an Gymnasien immer noch gut 60 Prozent –, wandern junge Frauen aus Brandenburg überproportional ab.
In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen kamen dort nach Zahlen des Amts für Statistik-Berlin-Brandenburg Ende letzten Jahres nur noch 100 junge Frauen auf 115 junge Männer. Insgesamt lebten demnach 130.537 junge Männer, aber nur 113.473 junge Frauen dieser Altersgruppe in dem Bundesland.
Welche Rolle spielt Sexismus an Schulen?
Gemutmaßt wurde laut einem Bericht des RBB, dass Frauen häufiger als Männer einen urbanen Lebensstil bevorzugen. Andererseits berichten seit Jahren gerade Lehrerinnen gerade an großstädtischen "Brennpunktschulen" in Westdeutschland von einem besonders schwierigen Arbeitsalltag mit Kindern, die gerne mal "Fotze" sagen.
In Brandenburg, wo am Sonntag nächster Woche ein neuer Landtag gewählt wird, warb die Bildungsgewerkschaft GEW für mittel- bis langfristige Investitionen in bessere Arbeitsbedingungen und eine Aufwertung des Lehrerberufs. Sowohl das Lehramtsstudium müsse attraktiver werden als auch die Qualifizierung von Seiteneinsteigern verbessert.
Lehrermangel: Keine kurzfristige Verbesserung in Sicht?
Hier sei das Geld besser angelegt als in einer Werbekampagne zur Reaktivierung von Lehrkräften im Ruhestand, meinte laut RBB der Brandenburger GEW-Vorsitzende Günther Fuchs. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – etwa durch kleinere Schulklassen – wird wohl erst möglich sein, wenn solche Maßnahmen bereits gegriffen haben.
Die GEW kritisiert das deutsche Bildungssystem seit Jahren als unterfinanziert und ungerecht. Fuchs zeigte sich für die Zukunft dennoch optimistisch, falls denn die Kritik einmal beherzigt würde: "Wenn die Schülerinnen und Schüler merken, wie schön dieser Beruf ist und dass man nicht permanent überlastet ist, dann hat man die beste Werbung."
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