Sicherer leben im Wohnsilo
Gute Beleuchtung, schlanke Grünpflanzen was ist nötig, um kriminelle Tatgelegenheiten zu entschärfen und was helfen solche Maßnahmen wirklich?
In Projekte zur Kriminalprävention fließt derzeit viel Geld. In diesem Zusammenhang gewinnt auch das Thema Städtebau und Kriminalprävention an Bedeutung. Gemeint sind damit städtebauliche Vorgaben und Bestandserhaltungsmaßnahmen, mit denen Stadträume und ihre Nutzung mitgestaltet werden können, um Kriminalität zu vermeiden.
Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat jetzt ein internationales Projekt gestartet, in dem städtebauliche Maßnahmen zur Kriminalitätsprophylaxe auf den Prüfstein kommen, mit dem Ziel, Empfehlungen für die Sanierung von in die Jahre gekommenen Großwohnsiedlungen zu erarbeiten.
Der Lack ist ab: wenn Großwohnsiedlungen altern
Zur Zeit ihrer Erbauung galten sie als Errungenschaften der Moderne, heute sind sie heruntergekommen und häßlich, gelten als Brutstätten der Kriminalität: Die Großwohnsiedlungen der 70er-Jahre haben ein schlechtes Image und das ist eben so. Dabei könnte man schon mit geringem Aufwand im Zuge fälliger Sanierungsmaßnahmen das eine oder andere ändern. Doch wenn dort etwas repariert wird, dann höchstens mal ein kaputtes Heizungssystem. Das Wohlbefinden der Bewohner zählt wenig. Ein internationales Projekt des Max-Planck-Instituts in Freiburg will hier nun neue Maßstäbe setzen.
„Unser Projekt ist geleitet von der Frage, inwieweit Maßnahmen baulicher und sozialer Art in Hochhausquartieren dazu geeignet sind, das Ausmaß der Kriminalität und das subjektive Unsicherheitsempfinden zu reduzieren. Wir fragen danach, welchen Einfluss bestimmte Maßnahmen auf die Entwicklung der Kriminalität und der Kriminalitätsfurcht haben“, erklärt Tim Lukas, Soziologe und Begleiter des Projekts „Städtebau und Kriminalprävention in Großwohnsiedlungen“.
Außerdem wollen wir versuchen, das Monopol sozialer Maßnahmen zu durchbrechen. Hierzulande wird Kriminalitätsprävention häufig gleichgesetzt mit Maßnahmen aus dem sozialen Bereich. Das heißt, man setzt Sozialarbeiter ein, die unter den Jugendlichen für adäquate Sozialisationsbedingungen o. Ä. sorgen sollen. Das sind zwar Maßnahmen, die ihre Berechtigung haben, wir gehen nur eben davon aus, dass dies möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Im angelsächsischen Raum z. B. oder in den Niederlanden liegt der Schwerpunkt eher auf der Gestaltung des öffentlichen Raumes und der Wohnhausarchitektur. Weil man davon ausgeht, dass nicht nur Mängel in der Sozialisation die Ursache von Kriminalität sein können, sondern dass auch Gelegenheiten, die von potentiellen Straftätern wahrgenommen werden können, einen Einfluss auf Kriminalität haben. Dieser Ansatz fristet bei uns eher ein Schattendasein. Das Ziel des Projektes ist es daher auch, verschiedene nationale Ansätze miteinander zu vergleichen, auf ihre Übertragbarkeit hin zu überprüfen und voneinander zu lernen.
Synthesepunkt Deutschland
Projektleitung und -verantwortung liegen beim MPI in Deutschland, Projektpartner sind aber auch die University of the West of England Bristol, die Jagiellonian University Krakau, DSP-groep BV Amsterdam und das National Institute of Criminology in Budapest. Im Mittelpunkt der Analyse stehen soziale und bauliche Maßnahmen in sechs west- und osteuropäischen Hochhausquartieren. In den Partnerländern wird jeweils eine Untersuchung durchgeführt, in Deutschland sind es wegen der historischen Ausgangssituation zwei: jeweils ein Gebiet im Osten und eines im Westen Berlins.
Schöner wohnen in Großwohnsiedlungen
Laut Lukas gibt es in Deutschland 720 Hochhausquartiere aus den 70er-Jahren, die mehr als 1.000 Wohneinheiten umfassen. Was sind das nun für Maßnahmen, die eingesetzt werden können, um den Bewohnern von anonymen Wohnsilos das Dasein angenehmer zu gestalten?
In erster Linie setzt man dabei auf ein Konzept namens „Crime Prevention through Environmental Design“: d. h., man baut Straßenfluchten ohne Winkel und Erker, in denen Täter auflauern könnten. Man legt die Hauseingänge zur Straße hin und versieht sie mit Türen aus Klarglas. Man begrünt die Anlagen mit Bäumen und Büschen, die so schlank sind, dass sich niemand dahinter verbergen kann und sorgt für eine gute Beleuchtung. Nach der Broken-Windows-Theorie sollen Anzeichen von Verschmutzung und Zerstörung umgehend beseitigt werden. Alle diese Maßnahmen zielen darauf, die Bewohnerschaft zu aktivieren, sich mit ihrem Viertel zu identifizieren und Kriminalität wie Kriminalitätsfurcht zu senken.
Interdisziplinärer Austausch
Wie effizient solche Maßnahmen sind, darüber wurde schon viel geschrieben, doch ob und wie es mit der Übertragbarkeit auf Deutschland aussieht, darüber gibt es wenig. Um hier fundierte Aussagen zu treffen, setzt das Projekt auf drei Säulen. „National sind das die Befragungen von Bewohnern und von Experten wie Polizisten, Hausmeister usw. International ist das eine Karussellstruktur, in der das Team die einzelnen Untersuchungsgebiete bereist und über seine Beobachtungen Expertisen zu positiven und negativen Maßnahmen erstellt“, erklärt Lukas. „Das Team ist interdisziplinär angelegt. Es sind Architekten, Stadtsoziologen, Landschaftsarchitekten etc. vertreten, also Fachleute, die jeweils einen völlige unterschiedlichen Schwerpunkt bei der Begutachtung der kriminalpräventiven Bemühungen haben.“
Tipps für Sanierungen
Zum Schluss sollen Erfahrungen und Erkenntnisse in einem Handbuch zusammengeführt werden, um gute Beispiele allgemein zugänglich zu machen. Denn etwas soll vermieden werden: Deliktsverlagerung und Täteranpassung. So wie ausgelöst durch technische Sicherheitsmaßnahmen der Bankraub heutzutage häufig in Geiselnahmen mündet, ist auch in „präventiv gesicherten“ Wohnsiedlungen zu beobachten, dass die Kriminalität nur abwandert.
Im nächsten Herbst soll das Projekt abgeschlossen sein. Hoffentlich früh genug, um bei möglichen Sanierungsunterfangen etwas für die Bewohner herauszuholen. Versuchen kann man es ja wenigstens.