Sicherheitsreport 2019: Die neuen Ängste
Ganz oben steht die persönliche Sorge "Pflegebedürftigkeit im Alter, Demenz". Generelle Angstauslöser sind die Entwicklung der Gesellschaft, Trump und die Weltlage
Schaut man auf die Schaubilder des Sicherheitsreports 2019, so wird sofort einsichtig, wie sehr sich Ängste verändern. Ganz unten steht da nämlich das Schreckgespenst vieler Jahre, die Arbeitslosigkeit, mit 15 Prozent.
Ganz oben auf dem ersten Schaubild steht "Pflegebedürftigkeit im Alter, Demenz". Angegeben sind 40 Prozent, die diesem Punkt zugestimmt haben, als sie im "mündlichen- persönlichen Interview" danach gefragt wurden, wodurch sie sich am ehesten bedroht fühlen. Naheliegend wäre, dass sich vor allem Ältere diese Sorgen machen.
Allerdings ist anhand der veröffentlichten Ergebnisse des "Sicherheitsreports 2019" nicht zu entschlüsseln, wie diese Befürchtungen auf die Altersgruppen verteilt sind, inwieweit die Angst vor Pflegebedürftigkeit und Demenz auch zu Jüngeren durchsickert. Von den 1.249 Befragten heißt es lediglich, wie üblich, dass sie repräsentativ ausgewählt wurden. Die jüngsten Teilnehmer waren 16 Jahre alt. Die Interviews wurden Anfang bis Mitte Januar durchgeführt.
Wie sich Ängste und Sorgen der Deutschen ändern, ist das Grundanliegen des Sicherheitsreports, der seit 2011 durchgeführt wird. Auftraggeber ist das Centrum für Strategie und Höhere Führung in Köln, "ein führender Dienstleister bei Coaching, Sparring und individualisierter Fortbildung auf höchstem Niveau ", das Erwartungen an die Interpretation der Umfrageergebnisse auslöst, diese aber in den Kurzbesprechungen, die an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, leider nicht einzulösen versucht.
Man begnügt sich mit ein paar generellen Trend-Aussagen zum Beispiel von Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, das die Umfrage durchführte:
Die Bürger beurteilen zurzeit ihre persönliche Situation weitaus positiver als die Entwicklung der Gesellschaft insgesamt und der Weltlage. Diese Kluft wird immer auffälliger.
Renate Köcher, Institut für Demoskopie Allensbach
Das mag stimmig sein mit den Umfrageergebnissen, wonach die Befragten weniger Angst vor Arbeitslosigkeit als vor einigen Jahren haben und sich, wie das Schaubild 7 zeigt, zu mehr als zwei Dritteln (69%) große Sorgen machen, "dass die Lage in Europa und der Welt immer unberechenbarer wird".
"Wenig bezahlbare Wohnungen"
Doch bei dieser Rangliste der Sorgen um "äußere und innere Sicherheit" liegt die Sorge, dass es hierzulande nicht genügend Pflegekräfte gibt, auf den vorderen Plätzen (mit 61 Prozent). Wenn das nicht mit der persönlichen Situation zu tun hat.
Zu den persönlichen Ängsten, die allerdings weit verbreitet sind, gehört auch die Sorge, "dass es zu wenig bezahlbare Wohnungen gibt". Mehr als die Hälfte, 55 Prozent der Befragten, stimmten dieser Einschätzung zu. Zu erkennen ist daran, dass Befürchtungen, wonach Regierungspolitik nur in Ausnahmefällen weiter als bis zur nächsten Wahl konzipiert, zutreffend sind. Die Wohnungsbaupolitik ist ein Beleg dafür.
Extremismus in Deutschland
Nach der Sorge um "Gewalt und Kriminalität", einem Klassiker, der sich auch in anderen Fragestellungen ziemlich konstant weit oben hält, gibt es eine zeittypische Befürchtung: 64 Prozent (dritter Platz) sorgen sich, dass der Extremismus in Deutschland zunimmt. Das passt auch gut zur Sorge, die 49 Prozent haben: "Dass sich unsere Gesellschaft immer mehr spalten könnte, dass sich verschiedene Lager unversöhnlich gegenüberstehen."
Zu den am stärksten polarisierenden Themen gehört bekanntlich Migration, die Ängste, die sie auslöst, und die Art, wie Politik mit Zuwanderung und Zuwanderern umgehen sollte. Das Thema kommt unter den Sorgen "um äußere und innere Sicherheit" in unterschiedlichen Aspekten vor. 51 Prozent sorgen sich, "dass unter den Flüchtlingen viele Kriminelle sind" und 49 Prozent, "dass es vielleicht nicht gelingt, die Zuwanderer zu integrieren".
Etwas mehr als ein Drittel, 36 Prozent, sorgen sich, dass es in Deutschland wirtschaftlich bergab gehen könnte und sie empfinden, wie von Renate Köcher von Allensbach angesprochen, "eine allgemeine Unsicherheit, wie es weitergeht".
Angst vor Terroranschlägen geht zurück
Auffällig ist, dass die Angst vor Terroranschläge zurückgegangen ist. Hier wird auch eine Vergleichszahl ins Spiel gebracht. Nach einem Höchststand im Jahr 2016, als sich 45 Prozent persönlich durch Terrorismus bedroht fühlten, sind es jetzt nur mehr 28 Prozent. Erklärt werden könnte dies mit den Terroranschlägen im benachbarten Frankreich 2015/2016.
Danach war auch im Zusammenhang mit der großen Zahl an Migranten, die Ende 2015, Anfang 2016 nach Deutschland kamen, sicherheitspolitische Kompetenz bei den Parteien in Umfragen hoch angeschrieben. Momentan ist, so scheint es, anderes wichtiger, wie man etwa am Erfolg der Grünen in neueren Umfragen sehen kann.
USA als "größte Gefahr für den Weltfrieden"
Sehr zeittypisch ist die Feststellung, die Klaus Schweinsberg vom Centrum für Strategie und Höhere Führung macht:
Der Sicherheitsreport 2019 zeigt deutlich: Für die Bundesbürger gibt es einen zentralen Unsicherheitsfaktor, der ihnen Angst macht. Und der heißt USA unter der Führung von Donald Trump.
Klaus Schweinsberg, Centrum für Strategie und Höhere Führung
Vor allem die USA werden laut Report als größte Gefahr für den Weltfrieden gesehen, "vor Nordkorea, der Türkei und Russland".
Auch dieser Bericht stellt Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland fest: In Ostdeutschland würden die USA "tendenziell als noch bedrohlicher wahrgenommen als in Westdeutschland, vor allem aber Russland und China als weitaus weniger bedrohlich: Während 45 Prozent der Westdeutschen auch Russland als einen Gefahrenherd sehen, gilt dies nur für 21 Prozent der Ostdeutschen".