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Firewallsoftware sucht nach Schimpfwörtern
Man sollte seinen Geschäftspartnern und Kollegen im Büro sicher keine unflätigen Dinge an den Kopf werfen. Auch nicht am Telefon und schon gar nicht per Email. Wer es trotzdem tut, kann zukünftig mit einem automatischen Eintrag in der Personalakte rechnen.
Firewallsoftware ist in Unternehmen längst üblich. Sie scannt alle eingehenden Emails nach Viren und erspart so, jedes einzelne im Originalzustand ja höchst gefährliche Outlook mühsam virensicher machen zu müssen. Dabei sind die Firewall-Virenlisten allerdings selten aktuell - "I love you" konnte so seinerzeit unbehelligt einen ganzen Verlag lahm legen, obwohl die Sekretärin noch extra den Chefredakteur einer im Hause residierenden Computerzeitschrift misstrauisch fragte: "Was ist das denn für ein komisches Icon?" Der aber meinte nur jovial: "Na klicken Sie es halt an, dann werden wir schon sehen, was es ist."
Dafür kennen die Firewalls aber garantiert auch die ältesten Witze - von "Freibier.exe" bis "Small-Penis-Joke": Geht so ein Teil ein, wird es ungefragt vor der Mailablieferung aus dem Attachment gelöscht und die IT-Abteilung erhält eine Virenwarnung. Kursiert der Witz gar innerhalb des Hauses, so bekommen als nächstes natürlich der Absender und der Adressat ebenfalls eine Warnung.
Im konkreten Fall - beim "Small-Penis-Joke" (eine Dialogbox, die auf die unerwartete Meldung: "Programmfehler: Sie haben einen zu kleinen Penis" nur ein peinliches "Ok" als Antwort zulässt) war der Adressat nun dummerweise der Chef. Der hatte zuvor zwar extra um die Zusendung solcher Dinge gebeten, um einen Beitrag über Email-Witze zu verfassen, bekam nun aber doch einen Schreck, dass ihm sein Mitarbeiter da einen "kleinen-Penis-Virus" unterjubeln wollte - ist der am Ende ansteckend? - und war dementsprechend wenig begeistert.
Firewall-Alarm: Schwere Witzverletzung in "smalljoke.exe"
Der Witz war natürlich virenfrei und der Firewallhersteller erklärte auf die empörte Nachfrage ausführlich, dass man auch bekannte Witzdateien in die Datenbank einspeise und zur Unterscheidung ja extra das Wort "Joke" (Witz) in die Virenwarnung einfüge. Man müsse halt englisch können, das sei bei dieser preiswerteren Version der Firewall-Software auch so im Systemhandbuch vermerkt. Wenn man keine unnötigen Streits wolle, könne man ja auch die nächstgrößere Version verwenden, die dann klarer und auf Deutsch zwischen Viren und Witzen unterscheide. Damit ließ sich dann nach kaum einer Stunde sinnlos verplemperter Zeit auch der Chef beruhigen.
Solche Scharmützel drohen nun häufiger: Der Firewallsoftware-Hersteller Baltimore Technologies will nämlich seinen "Mimesweeper" aufrüsten. Und diese Software prüft nicht etwa nur die eingehende, sondern auch die ausgehende Post. Beispielsweise als "Pornsweeper" auf Bilder mit einem zu hohen Anteil unbekleideter Haut. Oder als "Secretsweeper", damit Firmengeheimnisse auch solche bleiben. Leicht daneben allerdings die zur Verdeutlichung des Programmnutzens herangezogene Fallbeschreibung auf der Website des Herstellers:
Deutschland. Ein leitender Angestellter von CompuServe Deutschland wurde zu Gefängnis auf Bewährung verurteilt, weil er die Veröffentlichung von obszönem Material über das Internet ermöglicht hatte. Das Urteil wurde später wieder aufgehoben.
Aha, also wenn Mimesweeper einst Felix Somms persönliche Email gescannt hätte, dann hätte es keinen Sex in den Internet-Newsgroups gegeben?!? Dass Felix Somm die Bilder eigenhändig in die Newsgroups eingespielt habe, unterstellte ihm noch nicht einmal der ihm absolut nicht wohlgesonnene Richter Wilhelm Hubbert in der ersten, verlorenen Instanz. Wie man sieht, also eine Firma mit echtem Durchblick in Sachen Internet ...
So mancher mag nun geneigt sein, einen gotteslästerlichen Fluch auszustoßen. Doch auch davon hat Baltimore Technologies mal wieder keine Ahnung. Um unflätige Ausdrücke und Beschimpfungen in eingehenden Emails zu erkennen und auszufiltern, ohne jedes Mal externe Fachkräfte wie beispielsweise die Kinder der Putzfrau um Rat fragen zu müssen, wurde deshalb kurzerhand in Zusammenarbeit mit dem offensichtlich finanziell klammen Satiremagazin Schandmännchen ein Preisausschreiben ausgerufen.
Noch bis zum 20. Januar kann hier jeder seine persönlichen Lieblingsbeschimpfungen in das System einspeisen. Ein arbeitsloser Jurist oder anderweitig zur Beurteilung von Beschimpfungen qualifizierter Freiwilliger sichtet den Unrat dann am anderen Ende und entscheidet, ob er sich nun getroffen fühlt oder nicht. Die Auswahl entbehrt dabei nicht einer gewissen Komik: "Windows-Benutzer" geht beispielsweise noch nicht als Beleidigung durch, "Bill-Gates-Verehrer" erwies sich dagegen ein Volltreffer. Zu gewinnen gibt es sogenannte Schandsäcke: Sitzgelegenheiten, die notfalls auch als Punchingball verwendet werden können, wenn wieder mal eine Beleidigung gesessen hat.
"Bill-Gates-Verehrer" sollte man den Chef besser nicht nennen...
Soweit könnte man das Ganze ja durchaus als gelungene Satire-Aktion des Schandmännchens verstehen. Doch werden die Schimpfwörter ja keinesfalls aus Jux und Dollerei gesammelt. Vielmehr kommen sie alle in die nächste Version von Mimesweeper. Wenn zukünftig also der eine Mitarbeiter dem anderen eine Mail schickt: "Findest Du nicht auch, dass diese neue Sprecherin vom Süddeutschen Rundfunk eine dumme Gans ist?", dann gibt es umgehend eine Verwarnung von Administrator und Chef. Auch das Ersetzen der "Gans" durch eine bekanntlich ebenso wohlschmeckende "Pute" täuscht den elektronischen Knigge nicht und hat dieselben Folgen. Schickt man dann wutentbrannt ein "Verdammte Email-Schnüffler!" hinterher, ist das Maß voll: Erraten: "Email-Schnüffler" ist vom Schimpfmännchen auch bereits als gültige Beleidigung anerkannt worden.
Verbalschläger werden zukünftig also auf die Flame-Wars in einschlägig bekannten Foren und Newsgroups ausweichen müssen. Auch die Lycos Prügelpause bietet sich zum Ausweichen an. Und die Hotline Ihres Providers kann zukünftig guten Gewissens behaupten, Ihre wütende Email über den seit drei Tagen lahmenden DSL-Anschluss überhaupt nicht erhalten zu haben...