Sieht wirklich eine Mehrheit die Demokratie in Deutschland gefährdet?

Bild: Andreas Breitling auf Pixabay

Das Gros der Deutschen glaubt, die Demokratie werde angegriffen. Es gibt Zweifel an der Umfrage und offene Fragen. Was die Glaubwürdigkeit der Studie untergräbt.

Die Demokratie in Deutschland ist in Gefahr, glaubt eine Mehrheit der Bürger in der Bundesrepublik. Das ist zumindest die Kernaussage einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) nahm die Umfrageergebnisse zum Anlass, um für das geplante "Demokratiefördergesetz" zu werben.

"Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft, die sich aus Überzeugung für unsere Demokratie und ihre Werte engagiert", erklärte Paus am Montag. Diesen Einsatz wolle die Bundesregierung mit dem neuen Demokratiefördergesetz stärker unterstützen. Ziel sei, "Demokratie, Vielfaltsgestaltung, Extremismusprävention und politische Bildung längerfristiger und bedarfsorientierter zu fördern".

Seit Jahren fördert die Bundesregierung zahlreiche Projekte mit dieser Zielsetzung. Über die Bundesprogramme "Demokratie leben" und "Zusammenhalt durch Teilhabe" werden erhebliche Mittel bereitgestellt: Im Jahr 2016 waren es noch 62,5 Millionen Euro, im kommenden Jahr sollen es bereits 212 Millionen Euro sein.

Die DeZIM-Umfrage zeigt: Es scheint in Deutschland erheblichen Bedarf an Projekten zu geben, welche die Demokratie fördern. Schließlich gaben fast 80 Prozent der Befragten an, die Demokratie werde heute stärker angegriffen als noch vor fünf Jahren.

Das ist ein wichtiger Befund – aber ein anderer könnte wichtiger sein, schreiben die Studienautoren. "Die Feststellung an sich, dass eine Bedrohung der Demokratie besteht, wird kaum in Frage gestellt", heißt es in dem Papier. Nur 3,4 Prozent seien überzeugt, dass die Demokratie weniger angegriffen werde als zuvor.

Ein anderes Umfrageergebnis macht den Auftrag an die Bundesregierung deutlich. Eine Mehrheit von 84,9 Prozent der Befragten sieht es als Aufgabe der Bundesregierung an, sich noch stärker für eine lebendige Demokratie einzusetzen.

Wodurch wird die Demokratie bedroht?

Einige Fragen bleiben offen. Etwa: Wodurch die Befragten die Demokratie in Gefahr gebracht sehen. Aus dem veröffentlichten Papier geht das nicht hervor. Und eine Anfrage an das DeZIM blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Unbedeutend ist die Frage nicht. Linke, Grüne, Liberale und Konservative könnten in dem allgemeinen Befund, die Demokratie werde angegriffen, übereinstimmen. Doch woher der Demokratie Gefahr droht, wird je nach politischem Standpunkt anders beantwortet werden.

Der konservative Journalist Hugo Müller-Vogg schrieb am Montag in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), Deutschland erinnere immer mehr an eine illiberale Demokratie. Eine "links-grüne Minderheit" schränke den Meinungskorridor immer weiter ein, indem sie alles als "Nazi" und rechtsextrem brandmarke, was ihr nicht passe.

Müller-Vogg steigert sich mit seinen Vorwürfen:

Die vielfältigen Bemühungen, die Deutschen in die richtige, links-grüne Spur zu zwingen, sind nicht das Ergebnis einer großen Verschwörung, eines "deep state". Vielmehr bilden unter den Journalisten jene mit linken und grünen Einstellungen die Mehrheit. Wobei der Begriff «Journalist» bei vielen Mitarbeitern der Öffentlichrechtlichen an Etikettenschwindel grenzt. Hier sind häufig politische Aktivisten am Werk, toleriert von ähnlich gesinnten oder konfliktscheuen Vorgesetzten.

Hugo Müller-Vogg, NZZ vom 22.05.2023

Man mag von solchen Aussagen halten, was man wolle – sie zeigen aber anschaulich, dass viele die Demokratie in Gefahr sehen, aber etwas anderes meinen können als andere Menschen. Insofern ist auch das Ergebnis der DeZIM-Umfrage ohne wirkliche Aussagekraft.

Nähe zwischen Familienministerium und Institut

Das ist aber nicht das einzige Problem mit der Studie. Ministerin Lisa Paus wirbt mit dem Papier eines Instituts, das von ihrem Ministerium gefördert wird und das selbst von einem Ausbau der "Demokratieförderung" profitieren dürfte.

Im Impressum der Studie wird auf eine Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hingewiesen, aber nicht erklärt, was das Ministerium finanziell unterstützt.

Auf den Internetseiten des Instituts und des Ministeriums wird man allerdings fündig. Demnach erhält das DeZIM eine Förderung aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben". Zudem besorgt es auch die wissenschaftliche Begleitung des Programms im Handlungsfeld "Vielfaltgestaltung".

Laut DeZIM-Seite fördert das Ministerium von Lisa Paus noch zahlreiche weitere Projekte des Instituts.

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