"Sind wir eure Kuscheltiere?"
Der arabischstämmige Psychologe Ahmad Mansour beklagt paternalistische Klischees von Linksliberalen und Grünen
Ahmad Mansour ist ein israelischer Araber, der als Psychologe in Berlin lebt und letztes Jahr mit seinem Buch Generation Allah Schlagzeilen machte. Darin postuliert er unter anderem, dass der Islamismus eine Pyramide bildet, an deren Spitze Gruppen wie der IS und al-Qaida stehen und an deren unterem Ende sich Jugendliche befinden, "die vielleicht sogar den Salafismus ablehnen, deren Denken und mitunter auch Handeln aber nicht mit den Werten unserer Gesellschaft übereinstimmen und nicht mit der Demokratie vereinbar sind."1
Mansour zufolge spalten sich solche Jugendlichen nicht nur deshalb ab, "weil die Mehrheitsgesellschaft sie diskriminiert, sondern auch, weil in manchen Familien die Ablehnung eben dieser Gesellschaft und ihrer Werte Teil der Erziehung ist."2 Solche Probleme werden seiner Meinung nach in Deutschland nicht klar genug angesprochen, sondern tabuisiert.3
Nun macht der Psychologe mit einem "Wir sind nicht eure Kuscheltiere" betitelten Artikel in der Taz Furore. In ihm hält er dem er dem "linksliberalen Spektrum" vor, sich zum "Beschützer" konservativer Moslems zu machen. "Kritischen Muslimen", von denen es seinen Worten nach mehr gibt, "als Ihr denkt", werde dagegen die "Debatte" nicht nur "von den offiziellen muslimischen Verbänden", sondern auch "von den meisten linken, grünen Milieus" verweigert.
"Kultursensibilität" vs. Gewaltfreie Erziehung
Als Anlass für seinen Brandbrief schildert Mansour das Beispiel einer Mitarbeiterin eines Jugendamts, die nicht mehr einschritt, als sie durch blaue Flecken auf gewalttätige Erziehungsmethoden in einer Familie aufmerksam wurde, sondern ihn als arabischstämmigen Psychologen fragte, ob sie mit einem Einschreiten nicht gegen die von der Behördenleitung auferlegte Pflicht der "Kultursensibilität" verstoße. Die Anfrage ist ihm zufolge kein Einzelfall, sondern eine von Hunderten, die er von Sozialarbeitern und Lehrern erhielt.
Als Freudianer sieht Mansour einen Zusammenhang zwischen innerfamiliärer Gewalt, Angstpädagogik, sexuellen Tabus, sexuellen Übergriffen und Islamismus. Bereits in seinem Buch befand er, zur "Überwindung des Buchstabenglaubens" bedürfe es einer"gänzlich neue[n] Definition des Vaterbildes im Islam".4 Ein "patriarchale[r], strafende[r] Gott" ist ihm zufolge, "eine[r] der stärksten Machtfaktoren für ein hierarchisches, antidemokratisches Weltbild".
"Nicht mehr ganz so nett"
Seit Mansour das ausspricht, sind die "viele[n] nette[n] Menschen", die ihm "in Deutschland im linksliberalen Spektrum begegnet[en]", seinem Eindruck nach "nicht mehr ganz so nett". "Einen Araber wie mich", so Mansour, "mögen manche Leute nicht mehr", weil er nicht dem Klischee entspricht, das sie pflegen.
Der Psychologe ist verblüfft darüber, dass man sich im Land der aufklärerischen Religionskritiker Kant, Hegel, Marx und Weber zwar über Zustände in kirchlichen Kinderheimen empört, aber Religionskritiker unter Muslimen selbst dann "mit Argwohn betrachtet", wenn ihre Kritik "ebenso berechtigt" ist. Eine Erklärung sieht er darin, dass das "links-grüne Lager" aus einer unbewusst paternalistisch-entmündigenden Haltung heraus meint, "Kritik an unserer Religion sei zu kränkend für uns, wir Muslime seien nicht fähig, kritisch zu denken und uns von verkrusteten Traditionen zu lösen".
Kritische Muslime wie er brauchen seiner Ansicht nach aber keine gutgemeinte Entmündigung und wollen nicht "für die 'Opferrolle' gecastet werden", sondern "als gleichberechtigte Bürger gleiche Rechte und Pflichten wahrnehmen" und "die Solidarität der Demokraten im Land". Werden Debatten in der "Mitte der Gesellschaft" tabuisiert und unterdrückt, dann besetze eine "neue Rechte" das Thema nicht "politisch aufklärend, soziologisch klar und religionsanalytisch", sondern rassistisch.
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