Smart Chips - kleine Brüder oder große Chance?
Der Big Brother Container kann nicht das Sinnbild einer demokratischen Gesellschaft sein
Das Leben wäre so viel einfacher, würde man alles und jeden mit einem kleinen Transponder-Chip ausstaffieren. Kein lästiges Schlangestehen an der Supermarktkasse, kein Rumgewühle nach der Kundenkarte, kein Gefummel im Geldbeutel. Stattdessen ließe man sich flugs per Radiowelle durchsuchen. Den Rest erledigen die Miniatursender mit ihren weltweit einzigartigen Identnummern wie von selbst. Mit harmlosen Beispielen wie diesem versuchen die Hersteller der so genannten Smart Chips - auch RFID-Tags, Transponder, kontaktlose Chipkarten, Smart Label, Proximity Integrated Circuit Card (PICC), Green Chips oder Schnüffelchips genannt - skeptische Verbraucher von den Vorzügen der 'Radio Frequency Identification' (RFID) zu überzeugen. Doch statt sich über die vielen neuen Möglichkeiten zu freuen, machen sich die Konsumenten Sorgen um ihre Privatsphäre und Elektrosmog.
Um herauszufinden, ob sich beide Extreme in Einklang bringen lassen, lud die Heinrich-Böll-Stiftung zu Berlin am Montag Abend zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel Smart Chips - kleine Brüder oder große Chance? - Datenschutz und Verbraucherschutz vor neuen Herausforderungen. Aufeinander trafen Entwickler, Lobbyisten, Konsumenten, Aktivisten und Datenschützer.
Datenschutz ausgehebelt
Das Problem ist wie immer nicht die Technik an sich, sondern was man daraus macht. Zum Beispiel sollten Firmen kein Geheimnis daraus machen, wenn sie Transponder verwenden. Das vertrage sich nicht mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, meint der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Schließlich werden nicht nur Verpackungen markiert, vielmehr werden Produkte mit Personen in Verbindung gebracht - und spätestens da werde der Datenschutz ausgehebelt. Theoretisch lässt sich der Transponder an der Kasse entfernen oder zumindest deaktivieren. Doch lasse sich dies erstens nicht zweifelsfrei nachweisen, zweitens liege ein solches Vorgehen nicht im Interesse aller Hersteller. Deshalb fordert Schaar eine umfassende Deklarationspflicht für jede Art von Transponder.
Transponder sind nicht nur winzig klein, sie können auch die unterschiedlichsten Formen annehmen, sie werden in Kleidungsstücke eingenäht, in Schuhen versenkt, in Papp-Anhängern verborgen und in Geldscheinen eingebettet. Je nachdem, ob man es mit einem aktiven Transponder mit eigener Batterie oder mit einem passiven Transponder ohne eigene Stromversorgung zu tun hat, liegt die Reichweite zwischen ein paar Zentimetern und mehreren Metern. Unterschieden werden muss zwischen unveränderbaren ID-Karten, beschreibbaren Speicherkarten und CPU-Karten, die kleine Programme auf der Karte selbst ausführen können. Mit dem entsprechenden Equipment sind die gespeicherten Daten ohne Zutun und Wissen des Trägers einsehbar - und je nach Chip-Typ auch veränderbar.
Glaubt man den Herstellern und Befürwortern der Transponder, so liegt das große Potential der Winzlinge im Bereich der Logistik. Allein in Deutschland ließen sich laut Jörg Pretzel, Geschäftsführer der Centrale for Coorganisation, fünf bis acht Milliarden Euro einsparen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, setzt sich Pretzel für einheitliche Standards in Sachen 'Radio Frequency Identification' (RFID) ein. Schließlich soll RFID in ein paar Jahren den Barcode ersetzen. Das bedeutet nichts anderes als dass Transponder bald flächendeckend eingeführt werden sollen. Noch scheitert dieses Vorhaben an den vergleichsweise hohen Kosten pro Chip und den mangelhaften Leseraten.
Der Chip meines Vertrauens
Trotzdem haben Transponder längst Einzug gehalten in den deutschen Alltag. So befinden sich die winzigen Chips in jedem modernen Autoschlüssel. Weil Versicherungen auf einer zeitgemäßen Wegfahrsperre beharren. Auch in Skipässen, Schwimmbad-Tickets und an Mülltonnen sind Transponder bereits im Einsatz. Insofern sei die Aufregung um die neue Technik vollkommen übertrieben, meinte Hartmut Keuper, der als technischer Berater je nach Auftragslage mal für Befürworter, mal für Gegner der RFID-Technologie arbeitet.
Ähnlich argumentierte Matthias Urbach, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt der Tageszeitung. Er saß hauptsächlich deshalb auf dem Podium, weil er in seiner Kolumne unlängst ein Loblied auf den Chip seines Vertrauens gesungen hat. Seiner Rolle als gutgläubiger Konsument wurde er mehr als gerecht: er könne beim besten Willen nichts Schlimmes daran finden, wenn alle Bücher einer Bibliothek mit Transpondern ausgestattet würden. Nur so ließen sich verstellte Bücher aufspüren. Auch das Nahverkehrsticket mit RFID-Tag würde er nicht verschmähen, wenn sich dank Bewegungsprotokoll am Monatsende ein paar Euro sparen lassen. Und was sei schon das bisschen Überwachung gegen die Gefahr, die von einer schmutzigen Bombe ausgehe.
Aktivisten wie padeluun vom Verein FoeBuD jedoch geht es nicht um die Verteufelung einer neuen Technik, sondern vielmehr um Transparenz. Es könne nicht angehen, dass Feldversuche wie im Extra-Future-Store der Metro bei Duisburg nur zufällig ans Licht (vgl. RFID-Chips in Metro-Payback-Kundenkarten versteckt) kommen. Um weiteren Missbrauch zu verhindern, müssten neue Gesetze her. Leider verzichten deutsche Schnäppchenjäger allzu gern auf ihre Datenhoheit, nur um eine Hand voll Bonuspünktchen zu ernten. Ein Trend, der dem Bundesdatenschutzbeauftragten Sorge bereitet: "Viele sagen, 'ich habe doch nichts zu verbergen', doch der Big Brother Container kann nicht das Sinnbild einer demokratischen Gesellschaft sein."