Snowden: Letzte Ausfahrt Russland
Russland wird den Whistleblower Snowden erst einmal nicht los, der nun mangels Alternativen doch Asyl beantragt hat
Die Lage für Edward Snowden scheint verzweifelt zu sein. Offenbar ist keine Möglichkeit in Sicht, Russland verlassen zu können. Daher hatte der Whistleblower heute Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, Rechtsanwälte und Politiker zu einem Treffen auf den Flughafen eingeladen, um über seine Situation zu sprechen.
Das Ergebnis ist nicht viel versprechend für den jungen Mann, der von der US-Regierung der Spionage bezichtigt wird. Er hat nun doch die russische Regierung um vorübergehendes politisches Asyl gebeten, bis er in ein anderes Land ausreisen kann. Sicherheitshalber nahm er alle Asylangebote an, die bereits erhalten hat und die in Zukunft vielleicht noch gemacht werden. Und er kritisierte einige Länder in Europa, die sein Recht auf Asyl verhindern wollen. Indem sie ihn nicht nach Lateinamerika reisen lassen. Er bat, ihm zu helfen, sicher nach Lateinamerika zu kommen.
Wie sich Human Rights Watch und Amnesty unterscheiden
Zunächst hatte Snowden ein Angebot des russischen Präsidenten Putin abgelehnt, weil der einen Aufenthalt in Russland mit der Verpflichtung verbunden hatte, den USA nicht mehr zu schaden. Nach Tatyana Lokshina, der Chefin der russischen Sektion von Human Rights Watch, die auch am Treffen teilgenommen hat, sei Snowden aber überzeugt, dass er mit der Veröffentlichung von Geheiminformationen den USA nicht schade. Er wolle hingegen, dass die USA erfolgreich seien. Snowden muss nun zum diplomatischen Spieler werden, was nicht leicht ist. Gäbe er auf Verlangen Russlands auf, für Aufklärung zu sorgen, würde er seiner Reputation schaden, die er aber wahren muss, um sich zu schützen.
Er habe die Menschenrechtsorganisationen gebeten, ihm bei seinem Asylantrag an Russland zu unterstützen und an Präsident Obama zu appellieren, ihn nicht zu verfolgen. Dinah PoKempner, Rechtsberaterin von HRW erklärte, Snowden habe einen ernsthaften Asylantrag gestellt, der von Russland fair geprüft werden sollte. Die Zurückhaltung der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation könnte auch dadurch begründet sein, dass die US-Regierung sie offenbar unter Druck setzte. Jen Psaki, die Sprecherin des US-Außenministeriums, räumte zumindest ein, dass HRW angerufen worden sei und machte klar, dass die US-Regierung Snowden nicht als Whistleblower oder Menschenrechtsaktivisten betrachte, sondern als jemanden, der "schwere Vergehen" begangen habe. Sie kritisierte überdies Russland, Snowden eine "Propagandaplattform" zu bieten. Auch Jay Carney, der Sprecher des Weißen Hauses, bezichtigte Russland, Snowden eine Propagandaplattform zu bieten, was der Aussage Putins widerspreche, dass er den USA nicht mehr schaden dürfe. Man bestehe weiter auf Auslieferung, weil der Straftaten begangen habe.
Amnesty ist ein wenig offensiver. Auch Sergei Nikitin, der Leuter des Moskauer Büros von Amnesty, war bei den Treffen anwesend. Er wiederholte die Unterstützung für Snowden und erklärte, man werde weiter Druck auf Regierungen ausüben, die Rechte von diesem zu respektieren, die das Recht einschließen, Asyl zu beantragen. Seine Entscheidungen als Whistleblower seien gerechtfertigt und im öffentlichen Interesse: "Er hat auf ungesetzliche Lauschprogramme aufmerksam gemacht, die unabstreitbar mit dem Recht eines jeden auf Privatsphäre kollidieren. Staaten, die versuchen, Menschen zu hindern, solch ein ungesetzliches Verhalten aufzudecken, verletzen internationales Recht. Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht."
Snowden: Überwachungsprogramme sind gesetzwidrig
Snowden selbst rechtfertigte in einem Statement seine Entscheidung, Geheimdokumente der NSA zu veröffentlichen, weil die Überwachungsprogramme amerikanisches Recht verletzen. Er kritisierte die Praxis von Geheimgerichten mit geheimen Beschlüssen: "Das Amoralische kann nicht durch ein geheimes Recht moralisch gemacht werden." Zumindest wird diese Rechtsprechung durch die FISA-Gerichte bzw. diese Kontrolle der Geheimdienste zu einer demokratischen Farce und öffnet die Tür zu einem Willkürrecht.
Snowden jedenfalls will sich so verstanden wissen, dass er die Fehler korrigieren wollte. Er habe sich weder bereichern, noch habe er versucht, US-Geheimnisse zu verkaufen oder mit einer Regierung zu kooperieren, um sich zu schützen. Er habe die Informationen an die Öffentlichkeit gegeben, damit sie öffentlich diskutiert werden können. Seine Entscheidung sei moralisch gerechtfertigt und richtig gewesen, auch wenn sie allen Schwierigkeiten bereitet hat.
Russische Politiker sprechen sich für die Gewährung von Asyl aus
Sergej Naryschkin, der Vorsitzende der Duma, hat sich für ein politisches Asyl für Snoweden ausgesprochen, der ein Menschenrechtler sei. In den USA würde Snowden die Todesstrafe erwarten, das dürfe man nicht zulassen, sagte er, ohne natürlich auf die Menschenrechtslage in Russland und die fehlende Unabhängigkeit der Gerichte eingehen, die gerade auch einen Whistleblower wegen Steuerhinterziehung posthum verurteilt haben, der 2009 im Gefängnis vermutlich zu Tode geprügelt worden war. Die Untersuchung zu seinem Tod wurde eingestellt. Magnitski hatte korrupte Netze im russischen Innenministerium aufgedeckt.
Valentina Matviyenko, Sprecherin des russischen Föderationsrates, hat sich ebenfalls dafür ausgesprochen, Snowden Asyl zu gewähren. Sie verwies wieder darauf, dass Snowden in den USA die Todesstrafe drohen könne. Man müsse sich an internationales und russisches Recht halten. Snowden müsse sich aber den Bedingungen der russischen Regierung unterwerfen und die USA als Partner Russland.
Snowden scheint aus nachvollziehbaren Gründen nicht in Russland bleiben zu wollen. Um aus seiner fatalen Situation als staatenloser Mensch herauszukommen, würde aber ein politisches Asyl hilfreich sein, um die Ausreise in ein anderes Land angehen zu können. Immerhin haben sich die Mercosur-Länder hinter Nicaragua, Venezuela und Ecuador gestellt, die Snowden unter bestimmten Bedingungen Asyl gewähren wollen. Und es sollen die Botschafter der vier europäischen Länder einbestellt werden, die der Maschine des bolivianischen Präsienten Morales vorübergehend die Überflugrechte verweigert haben. Das Recht, Asyl zu beantragen und zu gewähren, sei unveräußerlich.