Sollen die USA gegen Putin und die "russische Cybermacht" zurückschlagen?

Seite 2: Wie die USA einen hybriden Krieg gegen Russland führen müssen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Zu der Kampagne von Politikern, Geheimdiensten und Medien würde passen, dass die Zeitschrift Foreign Policy einen Artikel des konservativen Militärexperten Max Boot, Mitglied im einflussreichen Thinktank Council on Foreign Relations und Trump-Gegner, veröffentlichte, der dazu auffordert, nun endlich auch einen "hybriden Krieg" gegen den Kreml zu führen.

Wie üblich wird die Politik von Boot personalisiert, weil dies plakativer ist. Mit Kreml gemeint ist eine einzige Person, nämlich Wladimir Putin, als würden die Verhältnisse in Russland eine andere Welt darstellen, in der einzelne Personen ein ganzes Land beherrschen und nicht Repräsentanten mit beschränkter Macht in Netzwerken sind, auf die sie Rücksicht nehmen müssen. Aber Boot strickt an der vereinfachten Erzählung mit, die man auch eine seit lange verbreitete Fake News nennen könnte, dass Putin ein in seinem Land praktisch allmächtiger "Diktator" sei, der an den zwei miteinander verbundenen Zielen arbeitet, "seine eigene Macht und seinen Reichtum und die des von ihm regierten Landes zu vergrößern. Je mächtiger Russland wird, desto mächtiger wird auch sein Präsident." Das ist eine gewichtige daherkommende Binsenwahrheit, die auch für Donald Trump stimmt, obgleich man dort noch nicht sagen kann, ob dessen Politik mit dem Kabinett aus Oligarchen, in den USA Milliardäre genannt, und Militärs erfolgreich sein wird.

Herausgestrichen wird wieder einmal die "hybride Kriegsführung", beispielsweise den verdeckten Einsatz des Militärs mit den "kleinen grünen Männchen" auf der Krim. Putin verfolge die Taktik einer Aggression, vermeide aber die Verletzung der traditionellen roten Linien, was den Westen überrascht habe (der natürlich solche Taktiken überhaupt nicht kennt). Daher sei der Westen auch von der Kampagne des "politischen Kriegs" von Putin überrascht worden, "antirussische Regime zu untergraben und sie mit angenehmeren Führern zu ersetzen". Solche politischen Diskurse könnte man als gewohnte Weise beiseitestellen, wie eigene nationale Interessen durchgesetzt und begründet werden. Interessant ist hier aber, dass sich die Argumentation aus Teilen der Politik, des Sicherheitsapparates und der Medien auch gegen den eigenen gewählten Präsidenten richtet. Der habe zwar wahrscheinlich nicht wegen der Beeinflussung der Wahl durch Putin gewonnen, aber man könne es nicht wissen, Trump leugne allerdings "heftig", dass die Hacks ihm helfen sollten und vom Kreml ausgingen, weswegen er "wie ein Mann mit schlechtem Gewissen" handle. Dazu habe er noch Rex Tillerson, den ExxonMobil-Chef, als Außenminister designiert, der ein Freund Putins sei.

Putins "Kampagne der Subversion und Desinformation" ziele nicht nur auf die USA, so Boot, sondern auch auf die EU und die Nato. Er unterstütze Le Pen, aber in Frankreich habe auch der Präsidentschaftskandidat Francois Fillon enge Beziehungen zu Moskau. In Deutschland werde zwar Merkel die Wahl gewinnen, sie fahre auch eine "relativ harte Linie gegenüber dem Kreml", aber WikiLeaks habe gerade viele Geheimdokumente aus dem NSA-Untersuchungsausschuss veröffentlicht: "Das wird weithin als Versuch gesehen, Merkel zu schwächen, da WikiLeaks seit langem eine bevorzugte Veröffentlichungsplattform für die russischen Geheimdienste ist."

Moor sagt, es müsse mehr gemacht werden, als Putin zu beschuldigen. Das könne seine "Aura der Macht" noch fördern. Obama habe "beschämenderweise" verzichtet, Putin "einen Preis für die Aggression" bezahlen zu lassen. Zwar habe man einmal mit einem Gegenangriff gedroht, dies aber dann unterlassen. Moor verweist auf den oben erwähnten NYT-Artikel und die Angst vor der Auslösung eines Cyberwar sowie der Notwendigkeit, mit Russland in Syrien zu kooperieren. Das habe Clinton verlieren lassen: "Man kann sich kaum vorstellen, dass Donald Trump, der von den russischen Cyberangriffen begünstigt wurde, viel machen wird, aber Obama ist noch ein paar Wochen im Amt, um zu handeln." Das könnte die Eile und nahezu hysterische Aufregung erklären, die derzeit in den USA inszeniert wird. Könnte das Weiße Haus noch gedrängt werden, einen Cyberangriff auf Moskau auszuführen, dann würde ein Konflikt hochkochen, der von Trump nicht mehr vernachlässigt werden könnte.

Moor führt als Möglichkeiten der Reaktion weitere Sanktionen an. Die NSA könne doch auch einmal Emails von Putin leaken. Oder die Geheimdienste könnten Belege über seine Bankkonten im Ausland veröffentlichen, was sie freilich wohl längst gemacht hätten, wenn sie denn Genaueres wissen würden. Für Moor geht es darum, seine Macht zu schmälern, indem seine "Aura der Selbstgerechtigkeit" beschädigt wird. Das könne auch dazu führen, dass seine Konten eingefroren werden. Da wird also ein persönlicher Rachekrieg ausgeheckt, aber natürlich soll es weitergehen.

Moor erinnert daran, was allerdings nicht ganz so geschickt zu sein scheint, dass CIA im frühen Kalten Krieg Antikommunisten auf der ganzen Welt geholfen hat, Wahlen zu gewinnen, während man mit Organisationen und Medien wie Radio Free Europe/Radio Liberty eben das machte, was man jetzt Moskau seit dem Start des Auslandssender RT vorwirft. Geschlossene Gesellschaften wie Russland, Iran oder China seien weiterhin verletzlich durch Kampagnen, "die Dissidenten unterstützen, die herrschende Elite diskreditieren und gewöhnlichen Menschen helfen, genaue und unzensierte Nachrichten zu erhalten". Das ist just das, was der Westen Russland vorwirft und als Informationskrieg/hybride Kriegsführung bezeichnet, Moor meint allerdings, dass neben "offenen und demokratiefreundlichen Unterstützungen durch den National Endowment for Democracy, Washington wenig gemacht hat, um antiwestliche Führer zu schwächen oder prowestliche Alternativen zu befördern." Das wurde freilich nicht nur mit der Unterstützung von bunten Revolutionen und Milliarden gemacht, sondern auch wenig soft durch Kriege wie gegen Serbien, Irak, Syrien oder Libyen, um nur wenige zu nennen.

Moor erklärt im Sinne der sich formierenden Kampagne in den USA, den Konflikt noch schnell mit Russland vor dem Amtsantritt von Trump zuzuspitzen, dass es höchste Zeit für Veränderungen sei: "Die USA müssen die Fähigkeiten der politischen Kriegsführung wiederbeleben, die sie einst besessen haben und die seitdem verkümmert sind." Nicht nur Putin, auch der Iran und der Islamische Staaten würden aktiv die politische Kriegsführung betreiben: "Wir haben nicht den Luxus zu sagen, dass es unter unserer Würde sei, das Spiel zu spielen. Nichts weniger als die Zukunft der Demokratie steht auf dem Spiel." Das erinnert an Ex-Vizepräsident Dick Cheney, der nach 9/11 erklärt hatte, dass man sich nun die Handschuhe ausziehen müsse …

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.