SpaceX lässt Konkurrenz alt aussehen: Wie das Starship die Raumfahrt revolutionieren könnte
Starship erreicht neuen Meilenstein mit Boosterlandung. Weltweit größte Rakete könnte die Raumfahrt nachhaltig verändern. Doch die Konkurrenz schläft nicht.
Der fünfte Testflug der größten jemals gebauten Rakete war ein voller Erfolg. Am Sonntag gelang es dem US-Raumfahrtunternehmen SpaceX erstmals, sein "Starship" nicht nur in den Orbit zu bringen und dort alle geplanten Manöver auszuführen – sondern auch, die erste Raketenstufe bei der Landung wieder einzufangen.
Momentan ist das Unternehmen mit dem Konzept seiner wiederverwendbaren Riesenrakete an der technologischen Weltspitze. Doch die Konkurrenz schläft nicht.
Bilderbuchlandung in Boca Chica
Um Punkt 7 Uhr Ortszeit am 13. Oktober hob das unbemannte Raumschiff ab. Erstmals zündeten dabei alle 33 "Raptor"-Triebwerke des Super-Heavy-Boosters, wie die untere Stufe der 121 Meter großen Rakete genannt wird. Nach zwei Minuten und 40 Sekunden erfolgte die Trennung in 64 Kilometern Höhe bei einer Geschwindigkeit von Mach 5,2.
Rund fünf Minuten später konnte die staunende Weltöffentlichkeit eine spektakuläre Landung auf dem Gelände der "Starbase" im texanischen Boca Chica beobachten. Der Booster schwebte dabei mehrere Sekunden lang neben dem Startturm, bevor er von dessen riesigen Greifarmen präzise eingefangen wurde. Ein tadelloser Volltreffer direkt beim ersten Versuch, von dem selbst optimistische Beobachter überrascht wurden.
Das Starship selbst wurde rund 50 Minuten später im anvisierten Zielgebiet über dem indischen Ozean gezielt zum Absturz gebracht, wobei sich die verbesserten Hitzeschilder beim Wiedereintritt bewährten.
Lediglich das Abbremsmanöver kurz über der Wasseroberfläche erfolgte geringfügig zu spät, so dass das Schiff mit 57 Stundenkilometern Restgeschwindigkeit aufkam und im Wasser explodierte. Dennoch wurden damit alle geplanten Ziele der Mission erreicht und vor allem jede Menge Daten für die künftige Entwicklung gewonnen.
Historischer Meilenstein
"Dies ist ein Tag für die Geschichtsbücher der Ingenieurskunst!", kommentierte SpaceX-Qualitätssicherungsmanagerin Kate Twice den Testflug. Der Tech-Milliardär Elon Musik ist damit seinem Vorhaben, eine wiederverwendbare Marsrakete zu bauen, in kurzer Zeit erneut ein Stück näher gekommen.
"Heute wurde ein großer Schritt in Richtung eines multiplanetaren Lebens gemacht", schrieb Musk auf X. Von Musk mag man halten, was man will, aber in Bezug auf die Raumfahrt scheint er ein klares Ziel zu verfolgen. Vor allem jedoch kann SpaceX auf ein versiertes Ingenieursteam zurückgreifen, dass in der Lage ist, selbst kühne Visionen in die Tat umzusetzen.
Anders als bei früheren Starts wurde der Erfolg diesmal auch in der deutschen Medienöffentlichkeit als solcher eingeordnet. Bei den vorherigen Missionen war oft pauschal von Misserfolgen die Rede, auch wenn die vorgesehenen Missionsziele größtenteils erreicht und Fortschritte gemacht wurden.
SpaceX' iteratives Entwicklungssystem, das sich völlig von der Vorgehensweise traditioneller Raumfahrtagenturen unterscheidet, bei denen der erste Start erst nach Jahren der Entwicklung erfolgt und möglichst perfekt verlaufen soll, sorgt in Deutschland zumeist für Stirnrunzeln. Tatsächlich scheint die Praxis SpaceX jedoch Recht zu geben, wenn man einen Blick auf die Fortschritte seit dem ersten Testflug vor anderthalb Jahren wirft:
Die bisherigen vier Testflüge des Starship-Systems fanden im April und November 2023 sowie im März und Juni dieses Jahres statt. Mit jedem Flug verbesserte sich die Leistung der Rakete. Der erste Flug dauerte beispielsweise nur vier Minuten; SpaceX ließ die Rakete hoch am Himmel über Texas explodieren, nachdem es nicht gelungen war, die beiden Stufen des Starship voneinander zu trennen.
Flug vier, der am 6. Juni startete, war der erste volle Erfolg: Das Raumschiff erreichte die anvisierte Umlaufgeschwindigkeit, und sowohl Starship als auch Super-Heavy-Booster überlebten die Rückkehr zur Erde und landeten in den vorgesehenen Splashdown-Zonen.
Laut SpaceX hätte die Genehmigung für Flug fünf bereits zwei Monate früher erteilt werden können. Das Unternehmen erklärte Anfang August, dass das Starship technisch einsatzbereit war. Die Starts erfordern jedoch die Genehmigung der US-Luftfahrtbehörde FAA. Aufgrund eines geänderten Flugablaufs benötigte die Behörde mehr Zeit, um den Test freizugeben.
Zukunftsvehikel für Mond und Marsmissionen
SpaceX plant, mit dem Starship künftig Menschen auf den Mond und Mars zu befördern und arbeitet dazu auch mit dem Artemis-Programm der Nasa zusammen. Der wiederverwendbare Charakter der Rakete soll die Kosten für künftige bemannte Missionen deutlich senken, was den Ausbau permanent bemannter Außenposten möglich macht.
Allerdings nicht in der jetzigen Variante. Erst die gerade in Entwicklung befindliche zweite Version des Starship wird in der Lage sein, die geplante Nutzlastkapazität von mindestens 100 Tonnen in den niedrigen Erdorbit zu befördern.
Eine auf 150 Meter vergrößerte dritte Version des Starships soll sogar bis zu 200 Tonnen schaffen – doppelt so viel wie das Space Launch System (SLS) der Nasa, das am 16. November 2022 zum ersten und bisher einzigen Mal erfolgreich gestartet ist und seither als leistungsfähigste Schwerlastrakete der Welt gilt.
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Mit Startkosten von mehr als zwei Milliarden US-Dollar ist das System allerdings alles andere als wettbewerbsfähig. Zum Vergleich: Ein Starship-Start kostet rund 100 Millionen US-Dollar und ist damit 95 Prozent günstiger.
Wohl auch deshalb hat die Nasa das Starship als ihren ersten bemannten Lander für ihr Mondforschungsprogramm ausgewählt. Wenn alles nach Plan läuft, wird Starship Nasa-Astronauten im Rahmen der für September 2026 geplanten Artemis-3-Mission zum Mond bringen. Später soll das Starship auch für Flüge zum Mars genutzt werden.
Konkurrenz schläft nicht
Dem Konzept der wiederverwendbaren Raketen, welches von SpaceX mit der Falcon 9-Rakete 2015 erstmals im kommerziellen Betrieb eingesetzt wurde, scheint die Zukunft zu gehören. Einmal gemeistert bietet die Technik so große Kosteneinsparungen, dass konventionelle Raketenstarts dagegen wie pharaonische Pyramidenbauten in Zeiten des Stahlbetons wirken.
Entsprechend versucht die Konkurrenz weltweit nachzuziehen. Bisher jedoch mit großem Abstand. Europa hat mit der Ariane 6 dieses Jahr seine neueste Lastenraketengeneration in Betrieb genommen, deren Startkosten zwar nur halb so hoch wie die der Vorgängerin sein sollen – dennoch ist das technische Konzept dahinter bereits veraltet. Die Entwicklung der teilweise wiederverwendbaren Ariane 7 hat 2023 begonnen und dürfte noch viele Jahre dauern.
In den USA arbeitet das private Raumfahrtunternehmen Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos mit der New Shepard ebenfalls an einem wiederverwendbaren Raumfahrtsystem.
Auch in China wird an wiederverwendbaren Systemen gearbeitet. Dem 2015 gegründeten Unternehmen LandSpace, das 2023 die weltweit erste methangetriebene Rakete ins All beförderte, gelang dieses Jahr ein Testflug in 10.000 Metern Höhe mit erfolgreicher Landung seiner Zhuque-3-Rakete.
Die Konkurrenzansätze sind jedoch noch in einem sehr frühen Stadium, oder von vornherein auf deutlich niedrigere Kapazitäten ausgelegt. Bei der Wiederverwendbarkeit im für interplanetare Missionen relevanten Schwerlastbereich ist SpaceX derzeit einsam an der Spitze der technologischen Entwicklung und dürfte dies auf absehbare Zeit bleiben, wie der erfolgreiche Testflug am Sonntag gezeigt hat.