Spanien für erfundene Anschuldigungen von Menschenrechtsgerichtshof verurteilt
Der baskische Friedensstifter Arnaldo Otegi und vier weitere Basken hatten keinen fairen Prozess, saßen dafür sechseinhalb Jahre in Haft und wurden von Wahlen ausgeschlossen
Nun ist über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt, dass man in Spanien nicht auf einen fairen Prozess hoffen darf, wenn eine Verurteilung wie im Fall von Arnaldo Otegi, Rafa Díez, Sonia Jacinto, Miren Zabaleta und Arkaitz Rodríguez praktisch Staatsräson ist. Dann sind trotz einer offensichtlichen Parteilichkeit einer Richterin alle Ebenen gleichgeschaltet und offensichtliche Unrechtsurteile werden wie im Fall der Basken einfach durch die Instanzen abgenickt. Dass die Befangenheitsanträge der Verteidiger gegen Ángela Murillo nicht ernst genommen wurden, war dem Gerichtshof nun definitiv zu viel. Schließlich hatte sogar einst der Oberste Gerichtshof eine zweijährige Haftstrafe gegen Otegi kassiert, weil die Richterin eindeutig befangen war.
Glücklicherweise ist Spanien in Straßburg beim EGMR wirklich inzwischen ein alter Bekannter für Menschenrechtsverletzungen. Inzwischen gibt es neun Urteile gegen das Land wegen Folter und Misshandlungen. In Straßburg ist bekannt, dass man auch Anschuldigungen erfindet, um Basken über die Verbüßung ihrer Haftstrafen hinaus nicht aus dem Gefängnis zu lassen, und dass es insgesamt in Spanien um die Meinungsfreiheit nicht gut bestellt ist.
"Sie haben gelogen und Anschuldigungen konstruiert"
Der Gerichtshof festgestellt, dass im Fall der fünf Basken gegen "Artikel 6 § 1(right to a fair trial) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen wurde. "Sie haben gelogen und Anschuldigungen konstruiert, sie haben uns eingesperrt, wir saßen Strafen ab...", erklärte Otegi per Twitter zum Urteil. Man sei dafür inhaftiert worden, weil man eine Friedensstrategie entworfen habe. "Ihre große Lüge liegt nun offen und Spanien wird als das gezeigt, was es ist: ein undemokratischer Staat."
Somit saßen die Basken, die zentral an einem Friedensweg und an der Abwicklung der bewaffneten Organisation ETA gearbeitet haben, illegal als angebliche ETA-Mitglieder im Knast. Es ist erstaunlich, dass Otegi und andere immer dann, wie schon 2006, inhaftiert wurden, wenn sich eine Friedenslösung abzeichnet. Das einstige Urteil, das nun kassiert wurde, hatte sogar noch 2016 die Wahlen verzerrt, denn Otegi konnte nicht als Präsidentschaftskandidat der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung antreten. Auf ihm lastet noch bis 2021 ein Amtsverbot. Nun müsste Spanien schon das Straßburger Urteil ignorieren, um zu verhindern, dass der Chef der Koalition EH Bildu (Baskenland vereinen) 2020 wieder antreten kann.
Beispiel für eine politisierte Justiz
Der Fall Otegi kann als beispielhaft für den repressiven Einsatz einer sehr politisierten Justiz in Spanien gesehen werden. Verhaftet wurde er mit anderen im Oktober 2009, weil er angeblich die verbotene Partei Batasuna (Einheit) für die Untergrundorganisation ETA wiederaufgebaut haben soll. Dafür wurde er zunächst 2011 sogar als angebliches ETA-Führungsmitglied verurteilt. Vom Obersten Gerichthof wurde aber das unfaire Urteil 2012 nicht kassiert, sondern er und seine Genossen wurden nur zu einfachen Mitgliedern herabgestuft. Dabei war schon zum Zeitpunkt der Verhaftungen klar, dass die Gruppe an einem einseitigen Friedensprozess gearbeitet hat, um die ETA zum Ende des bewaffneten Kampfs zu bringen.
Schon vor dem ersten Urteil am Nationalen Gerichtshof hatten trotz der Repression die Initiativen Fuß gefasst. Ein Friedenskongress war für Herbst 2011 <ngesetzt, die ETA hatte zuvor eine unbefristete Waffenruhe verkündet, die erstmals von einer internationalen Kommission überwacht wurde, die auch an der Vorbereitung des Kongresses mitgearbeitet hat. Nur wenige Tage nach dem Friedenskongress erklärte die Organisation, dass sie ihren Kampf "endgültig" einstellen wird.
Das alles fand auch bei der Revision des Urteils im folgenden Jahr auch am Obersten Gerichtshof keine Beachtung mehr. Trotz allem wurden die Friedensaktivisten verurteilt. Der baskische Sozialdemokrat Jesús Egiguren, damals Präsident der baskischen Sektion der spanischen PSOE, der mit Otegi den Versuch 2006/2007 angerührt hatte, um zu einer Friedenslösung zu kommen, meinte 2012: "Otegi wurde inhaftiert, weil er für den Frieden gearbeitet hat. Wenn er wie früher weitergemacht hätte, wäre er in Freiheit."
Inzwischen ist geklärt, dass die Initiativen der Friedensstifter letztlich gegen alle Widerstände von Erfolg gekrönt waren. Auch gegen die Versuche, die Entwaffnung der ETA zu torpedieren, wurde dieser Vorgang schließlich von der Zivilgesellschaft abgeschlossen. Seit Mai ist die Organisation Geschichte, denn sie hat sich inzwischen aufgelöst.
Parallelen zur Strafverfolgung von katalanischen Politikern
Die undemokratischen Vorgänge um baskische Politiker und Aktivisten könnten einige in Europa aufrütteln. Spanien erfindet gerade erneut Anklagen und will nun katalanische Politiker für bis zu 25 Jahre für eine angebliche Rebellion aus dem Verkehr ziehen. Hier halten sogar hochrangige Juristen im Land die Anklagen für "verrückt", die jeder "juristischen Basis" entbehren würden. Zudem ist bekannt, dass weder die Justiz in Deutschland, Belgien, Schweiz oder Großbritannien Spanien ihre Märchen-Rebellion abkaufen und deshalb Auslieferungen verweigern.
Muss man also erst abwarten, bis diese "unabhängige Justiz" in Spanien erneut Politiker in unfairen Prozessen verurteilt und sie jahrelang inhaftiert, um dann dem Land zehn Jahre später über den EGMR in die Parade zu fahren, wenn der Schaden längst angerichtet ist? In einem Europa, das auf seine angeblichen "Werte" noch irgendeinen Wert legt, sollte spätestens dieses EGMR-Urteil dazu dienen, endlich massiven Druck auf Spanien auszuüben. Es ist nicht mehr erklärbar, dass Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen eingeleitet werden und Spanien ungeschoren bleibt.
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