Spermien aus der Petrischale

Embryonale Stammzellen von Mäusen können dazu gebracht werden, sich zu Spermien zu entwickeln, die Eizellen befruchten

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Embryonale Stammzellen sind ein unspezialisiertes Material, aus dem Wissenschaftler weltweit eine Vielzahl unterschiedlichster Zelltypen entwickeln möchten. Amerikanische Forscher haben hierbei jetzt weiteres Neuland eröffnet: Sie haben embryonische Keimzellen von Mäusen » überlistet« und dazu gebracht, sich zu Spermien zu entwickeln, die Eizellen befruchten können. Die Methode, die bislang ausschließlich an Mäusezellen erprobt wurde, soll Forschern zu einem besseren Verständnis der molekularen Vorgänge bei der Produktion von Spermien sowie der Zellentwicklung verhelfen. Das Team um George Q. Daley von der Harvard Medical School in Boston berichtet im der aktuellen Ausgabe von Nature von seinen Ergebnissen.

Für ihre Studien verwendeten die amerikanischen Forscher Stammzellen, die man zuvor zu größeren Zellhaufen, so genannten Embryoid-Körpern (embryoid bodies), hatte wachsen lassen. Aus diesen Zellgebilden entnahmen die US-Forscher nach vier bis zehn Tagen so genannte primordiale Keimzellen, eine Vorform der Keimzelle, und kultivierten diese mit Hilfe von Wachstumsfaktoren zu einer kontinuierlich weiter wachsenden Keimzelllinie.

Dass dies gelang, ist ein Erfolg und die Forscher hoffen nun, anhand solcher Zelllinien Aufschlüsse beispielsweise über die Entwicklung bestimmter Eigenarten bei Krebszellen zu gewinnen. Denn ähnlich wie bei Krebszellen verfügen embryonale Keimzellen noch nicht über die Befehlsstrukturen, die die Wachstumsprozesse im Organismus steuern. Außerdem könnten mit Hilfe der in vitro gezüchteten Zelllinien womöglich auch die Vorgänge besser verstanden werden, die zur Spezialisierung von Stammzellen führen.

In einer weiteren Phase ihrer Experimente ließen Daley und sein Team, die Embryoid-Körper zwei bis drei Wochen heranreifen. Dabei entwickelten sich aus den Keimzellen männliche Gameten - eine Art Vorläufer der männlichen Keimzelle, dem allerdings der Schwanz zur Fortbewegung noch fehlt - die in Eizellen gespritzt wurden. Obwohl die männlichen Keimzellen noch nicht ausgereift waren, gelang es, die Eizellen mit den Samenzellen zu befruchten und tatsächlich Mäuse-Embryonen mit einem vollen Chromosomensatz zu erzeugen.

Die Bostoner Forscher werten ihre Arbeit als wichtigen Fortschritt in der Grundlagenarbeit:

Unser Bericht weist zusammen mit der jüngst gezeigten Zucht von Eizellen und Spermien aus embryonalen Stammzellen eine neue Sphäre von Möglichkeiten auf, um die Entwicklung von Keimzellen, die epigenetische Programmierung und die Modifikation der Keimbahn zu erforschen

Daley

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Mit den nun vorliegenden Ergebnissen ist es nun möglich, Leben unabhängig von einem konkreten Lebewesen allein aus Zellkulturen zu züchten: Vor einiger Zeit war es einem Forschungsteam an der Universität von Pennsylvania gelungen, weibliche Eizellen aus Mäuse-Stammzellen zu gewinnen.

Ob aus den mit selbstgemachten Spermien gezeugten Embryonen allerdings auch wirklich Mäusebabys werden, muss in weiteren Experimenten noch erforscht werden. Derzeit testen die Bostoner Wissenschaftler, ob sich die Embryonen in Mäuseweibchen weiterentwickeln.