Sri Lanka warnt vor flüchtigen Terrorverdächtigen mit Sprengstoff

Colombo, die Hauptstadt von Sri Lanka. Foto: Sadeep Sasanka. Lizenz: Pexels

Zahl der Toten steigt auf 359, darunter 45 Kinder

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Drei Tage nach den Anschlägen auf Christen und Touristen in Sri Lanka (vgl. Sri Lanka: Anschläge in Kirchen und Touristenhotels) ist die Zahl der festgenommenen Verdächtigen auf über 60 gestiegen. Unter ihnen soll sich ein syrischer Staatsangehöriger befinden. Gleichzeitig nahm auch die Zahl der Menschen zu, die an den Folgen der Anschläge starben: Von 321 auf 359.

Ein weiterer Anstieg ist durchaus möglich, weil über 500 teilweise schwer verletzte Opfer in Krankenhäusern versorgt werden. Von den bislang 359 Toten sind UNICEF-Sprecher Christophe Boulierac zufolge mindestens 45 Kinder. Das jüngste davon war nur 18 Monate alt. Fünf Kinder, die in Hotels starben, gehörten zu Touristenfamilien.

"Weitere bewaffnete Terroristen im Land"

Aber nicht alle Personen, die die Polizei festnehmen wollte, sitzen in Untersuchungshaft: Premierminister Ranil Wickremesinghe warnte auf einer Pressekonferenz, dass "einige Verdächtige" geflüchtet und "manche" davon "im Besitz von Sprengstoff" seien. Auch Staatspräsident Maithripala Sirisena erklärte, die Sicherheitskräfte gingen davon aus, "dass es weitere bewaffnete Terroristen im Land gibt". Die "Gefahr weiterer Anschläge" ist seinen Worten nach "hoch". Wegen dieser Gefahr sprengte die Polizei heute früh vor einem Kino in Colombo einen Motorroller, der ihr verdächtig vorkam. Die Untersuchung der Trümmer ergab später, dass das Fahrzeug harmlos war.

Von den insgesamt neun Selbstmordattentätern, die sich am Ostersonntag in die Luft sprengten, wurden inzwischen acht identifiziert. Zwei davon gehörten zur Führungsriege der Islamistenorganisation National Thowheeth Jama’ath (NTJ). Die beiden auf die 30 zugehenden Söhne eines reichen Kaufmanns fielen als Gäste in den teuren Hotels Shangri-La und Cinnamon Grand in Colombo nicht auf. Dass sie zu den Tätern gehörten, die sich Wickremesinghes Angaben nach im Ausland aufhielten, ist wahrscheinlich. Eine weitere Information über diese Auslandsaufenthalte gab Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene preis: Ihm zufolge studierte einer der Terroristen in Großbritannien und Australien.

Änschläge "mindestens sieben oder acht Jahre lang geplant"

Wijewardenes Angaben nach wurden die Änschläge "mindestens sieben oder acht Jahre lang geplant". Der Terroranschlag auf Moslems in Neuseeland sei dann der Anlass gewesen, dass man sie an Ostern durchführte. Die für die Tat hauptverantwortliche NTJ unterhielt seinen Erkenntnissen nach "enge Verbindungen" zu einer im bengalischen Sprachraum aktiven Islamistenorganisation mit der Abkürzung JMI. Sie wird in einigen Meldungen als "Jamaat-ul-Mujaideen India", in anderen als "Jamaat-ul-Milatu-Ibrahim" ausgeschrieben. Weiteren Medienberichten nach soll sie eher dem Terrornetzwerk al-Qaida als dem damit konkurrierenden Islamischen Staat (IS) zuneigen, der die Anschläge gestern für sich beanspruchte.

Dass der IS der NTJ-Terroristen bei der Planung und Durchführung zur Seite stand, hält unter anderem der von der Tageszeitung Die Welt konsultierte Terrorexperte Guido Steinberg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik für plausibel. Er spricht von einem "Lehrbuchfall einer IS-Aktion". "Nachdem die Terrormiliz in ihrer Heimatregion im Irak und Syrien militärisch geschlagen ist", könnte sie sich seiner Einschätzung nach "in anderen Teilen der Welt neue Betätigungsfelder suchen". Dazu rechnet er auch Asien, wo sich die Organisation auf den Philippinen bereits vorher eine Kirche als Anschlagsziel ausgesucht hatte.

Zugang zu Sozialen Netzwerken blockiert

Zu einer bengalischen Beteiligung passt, dass eine der Warnungen ausländischer Geheimdienste vor bevorstehenden Anschlägen aus Indien gekommen sein soll. Alaina Teplitz, die amerikanische Botschafterin in Colombo, bestritt heute früh, über solche Informationen verfügt zu haben. Sie warnte Reiselustige und Geschäftsleute mit den Worten: "Wir glauben aber jetzt, dass es weitere Pläne für Terrorangriffe in Sri Lanka gibt." Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangte die chinesische Botschaft in Colombo, die mitteilte, sie könne Staatsbürgern der Volksrepublik wegen der "extrem großen Sicherheitsrisiken" in Sri Lanka nur bedingt behilflich sein.

Das deutsche Auswärtige Amt informiert vor allem über den seit Dienstagfrüh geltenden Notstand (vgl. Sri Lanka ruft Notstand aus). Da deshalb "im ganzen Land, insbesondere aber auch im Bereich der Flughäfen […] mit weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen wie Absperrungen und verstärkten Kontrollen zu rechnen" sei, sollten "Flugreisende […] spätestens vier Stunden vor Abflug am Flughafen eintreffen".

Wenn sie zusätzlich zu ihrem Reisepass ein entsprechend datiertes Flugticket mit sich führen, dürfen sie die Anreise auch während der nächtlichen Ausgangssperre wagen. "Anweisungen von Sicherheitskräften" soll aber unbedingt "Folge geleistet" werden. Diese Sicherheitskräfte haben durch den Notstand wieder die Befugnisse, die sie während des Tamilenaufstands zwischen 1983 und 2011 hatten, weshalb sie auch ohne richterliche Anordnung verhaften und durchsuchen können.

Darüber hinaus haben die Sicherheitsbehörden veranlasst, dass Telekommunikationsprovider den Zugang zu Sozialen Netzwerken blockieren. Facebook hat währenddessen angekündigt, die Übersetzung der Nutzungsregeln in Singhalesisch, die Landessprache von Sri Lanka, habe nun oberste Priorität. Ob das die Anschläge verhindert hätte, ist nicht nur deshalb zweifelhaft, weil offen ist, ob sich die Terroristen davon beeindrucken hätten lassen: Die Sonagar, die Moslems in Sri Lanka, sprechen nämlich nicht Singhalesisch, sondern Tamilisch.

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