Staaten im Gefangenendilemma

Seite 2: Überlegungen zu einer Umverteilung der Einkommen

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Mithilfe von Quantitive Easing und Niedrigzinspolitik lassen sich zwar ein Rückgang der Konsumnachfrage und ein damit drohender wirtschaftlicher Zusammenbruch verhindern. Dennoch besteht allgemein Konsens, dass es sich nur um eine zeitlich begrenzte Maßnahme der Zentralbanken handeln kann. Sollte die Verschuldung der führenden Industriestaaten letztendlich ausufern, dann würde das Vertrauen in das Währungssystem nachhaltig erschüttert werden. Die Folgen wären schwer abzuschätzen.

Augenscheinlich verbleibt als einzige Alternative die Umverteilung der Einkommen. Ein optimales Resultat wird erreicht, wenn die Konsumentenhaushalte gerade so viel Mittel erhalten, dass der Konsumgütermarkt geräumt wird. Zugleich müssen sich die Einkommen potentieller Kapitalanleger auf einem solchen Niveau befinden, dass der nicht konsumierte Teil rentabel investiert werden kann. Die Konsumentenseite bräuchte sich dann nicht übermäßig verschulden, und für anlagesuchende Finanzmittel wären ausreichend lukrative Objekte vorhanden.

Die Umverteilung im hier beschriebenen Sinn ist jedoch kein Allheilmittel. Zu folgenden Aufgaben nimmt sie keine Stellung, sodass es hierfür eigens einer gesellschaftlichen Konsensfindung bedarf:

  1. die Verteilung der Einkommen innerhalb der Konsumentenschaft
  2. Entscheidungen über aktuellen Konsumverzicht zugunsten künftig höheren Konsums
  3. die Berücksichtigung von sozialen, regionalen und Umweltfaktoren bei Produktion und Konsum.

Die Höhe der Konsumenteneinkommen kann sich an Leistungs- oder sozialen Zielmarken orientieren. Meist besteht eine Kombination aus beiden, die kulturelle, historische und regionale Momente berücksichtigt. Ebenfalls ist zu klären, auf welche Art und in welchem Umfang öffentliche Institutionen bei der Befriedigung von Konsumbedürfnissen eingeschaltet werden.

Wie einem Privathaushalt bietet sich auch dem Staat die Möglichkeit, Konsumausgaben einzuschränken und dadurch Voraussetzungen für künftig schneller wachsenden Wohlstand zu schaffen. Die erforderlichen Investitionen können in Eigenregie geschehen, aber ebenso durch Förderung von Privatunternehmen. Der entscheidende Unterschied zur gegenwärtigen Lage ist die Zielvorgabe einer Erhöhung der Konsumenteneinkommen zu einem späteren Zeitpunkt. Davon profitieren auch die Produzenten, da deren Absatzrisiko nicht steigt, obwohl sie einen höheren Verkaufswert zu realisieren haben.

Bei der Berücksichtigung von sozialen, regionalen und Umweltfaktoren kann in der bisherigen Weise fortgefahren werden. Die Rahmenbedingungen würden sich indessen erheblich verbessern. Finanzierungen wären gesicherter, gesetzliche Vorschriften ließen sich leichter durchsetzen und dem Druck der Wirtschaftsverbände könnte eher widerstanden werden.

Zentrales staatliches Instrument der Regulierung von Einkommen ist das Steuersystem. Im Interesse einer Optimierung der Kapitalallokation könnten partiell anstelle von Gewinnen Anlagevermögen besteuert werden. Im Übrigen wären keine großen Veränderungen an der Struktur des Steuersystems erforderlich.

In der aktuellen Situation muss die Konsumentenseite gestärkt werden, was am ehesten durch eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen und Vermögen erreicht werden kann. Dies gelingt aber nur, wenn Kapital- und Steuerflucht wirksam unterbunden werden. Anzustreben wäre ein globales Regelsystem, dem sich zumindest die OECD-Staaten und die größeren Schwellenländer unterwerfen. Dies schließt eine effektive Überwachung und die Möglichkeit der Verhängung von Sanktionen ein. Steueroasen sollten der Vergangenheit angehören.

Von einer optimalen Verteilung der Einkommen würden nicht nur Konsumentenhaushalte profitieren. Ebenso könnten Kapitalanleger auf steigende Erträge blicken, die auf einem realen Wachstum der Wirtschaft beruhten. Allerdings wären sie in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, da sie sich der staatlich gelenkten Einkommenspolitik unterordnen müssten. Für institutionelle Anleger, die gesellschaftliche Verpflichtungen haben, wiegt jedoch schwerer, dass sie dem Teufelskreis fallender Renditen entkommen können.