Staatsbürgerschaftsentzug oder Kurse gegen antisoziales Verhalten?
Die britischen Tories streiten über den Umgang mit salafistischen Extremisten
Nach britischen Behördenschätzungen hat die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) mindestens 500 britische Bürger rekrutiert, die im Irak und in Syrien für sie tätig sind. Werden diese britischen Staatsbürger nicht von der syrischen Armee oder von kurdischen Milizen getötet, stellen sie ein potenzielles Problem für die Sicherheit der restlichen 64 Millionen Briten dar, weil sie jederzeit in ihre Heimat reisen und dort Terroranschläge verüben können.
Die konservative Innenministerin Theresa May reagierte auf dieses Problem unter anderem mit der Ankündigung, salafistische Extremisten zu Kursen gegen antisoziales Verhalten - so genannten ASBOS-Maßnahmen - zu verpflichten. Nach diesem Vorschlag erntete sie nicht nur Spott aus der oppositionellen Labour-Fraktion, sondern auch von Parlamentariern aus den eigenen Tory-Reihen.
Wortführer ihrer Kritiker ist der Innenpolitiker David Davis, der in einem Gastbeitrag für die Daily Mail schrieb, es sei schwer vorstellbar, dass Anhänger der Kopfabschneidersekte nun aus Angst vor solchen Schulungen "in ihren Stiefeln zittern".
Er schlägt stattdessen vor, dass man Briten, die nachweislich dem Kalifat dienten, ohne Rücksicht auf eine diplomatische Anerkennung dieses Gebildes als Bürger behandelt, die einem fremden und feindlichen Staat die Treue schworen und dadurch ihre britische Staatsbürgerschaft freiwillig aufgaben. Tatsächlich ist auf zahlreichen IS-Propagandavideos zu sehen, wie Albaner, Tschetschenen und andere Nationalitäten gemeinsam ihre Pässe zerreißen und sich zum "Islamischen Staat" bekennen. Bislang können sich Briten zerrissene Pässe relativ problemlos neu ausstellen lassen und damit die Welt bereisen, was der studierte Informatiker als weitere Gefahrenquelle sieht.
Darüber, ob ein britischer Salafist in Syrien oder im Irak tatsächlich seine Staatsangehörigkeit verloren hat, sollte Davis Ansicht nach jedoch nur ein ordentliches Gericht in einem ordentlichen Prozess entscheiden. Vorher müsste die Regierung allerdings die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen.
Solch ein Entzug der Staatsangehörigkeit wäre der Ansicht des ehemaligen Schattenkabinetts-Innenministers nach ein milderes Mittel als viele der "unbritischen" und "kontraproduktiven" Anti-Terror-Maßnahmen die während der Regierungszeiten von Tony Blair und Gordon Brown erlassen wurden, weil er nicht unangemessen in die Freiheit unschuldiger Bürger eingreift, sondern nur die trifft, die gerichtlich gesichert schuldig sind. Belässt man die Einreisemöglichkeiten dagegen wie bisher, dann schadet das Davis Ansicht nach auch und gerade britischen Moslems, die ein Generalverdacht treffen könnte, wenn Bürger befürchten, dass sich IS-Kämpfer unter ihnen befinden.
Um die Angemessenheit seines Vorschlags zu illustrieren, greift der Stiefsohn eines jüdischen Druckers zu einem drastischen Vergleich: Hätte sich sein biologischer Vater (ein Waliser), im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland abgesetzt und den Nationalsozialisten angeschlossen, dann hätte man ihn damals sicher wegen Hochverrats vor Gericht gestellt. Was die britischen Salafisten in Syrien und im Irak machen, das ist Davis zufolge sogar "schlimmer", wie der "selbstgerechte Sadismus" im Video der Enthauptung James Foleys zeige, dessen Schicksal "tausende unschuldiger Iraker und Syrer" teilten. Sie wurden der Meinung des Abgeordneten nach nur deshalb "enthauptet, gekreuzigt oder lebendig begraben", weil die "Propagandamaschinerie" des Islamischen Staats gefüttert werden musste.
In Deutschland, von wo aus mindestens 400 Salafisten in das Kalifat ausreisten, ermitteln der Generalbundesanwalt und mehrere Staatsanwaltschaften aktuell gegen mindestens 139 Personen, denen vorgeworfen wird, den "Islamischen Staat" oder andere Terrorgruppen unterstützt oder "schwere staatsgefährdende Gewalttaten" geplant zu haben. Hier regelt § 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG), dass ein deutscher seine Staatsangehörigkeit verliert, wenn er in einem "bewaffneten Verband" eines Staates dient, der nicht der EU, der NATO oder der EFTA angehört, und darüber hinaus die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt.
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