Steigerung der interkulturellen Kompetenz bei den Ermittlungsbehörden als "Daueraufgabe"
Bundesregierung plant Maßnahmenpaket als Lehre aus dem NSU-Debakel
Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen wollen Justiz- und Innenministerium verhindern, wie die Minister in einer gemeinsamen Pressekonferenz mitteilten, dass es erneut zu einem derart eklatanten Versagen der Sicherheitsbehörden wie im Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds kommt.
So plant das Haus von Justizminister Heiko Maas (SPD), die Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes neu zu regeln - die Staatsanwaltschaften der Länder sollen ihn künftig frühzeitig mit einbinden. Kommt es zu Streitigkeiten zwischen den Länderstaatsanwaltschaften über die Zuständigkeit, wie dies auch im Falle des NSU die Arbeit der Behörden behindert hat, so soll der Generalbundesanwalt nach den Vorstellungen von Maas künftig als Streitschlichter auftreten und einer Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit zusprechen.
Zudem sollen die Gerichte künftig auch die Motive einer Straftat berücksichtigen. Handeln Täter aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder anderen menschenverachtenden Gründen, so soll sich das nach dem Willen des Justizministers auch im Strafmaß ausdrücklich widerspiegeln. Maas verspricht sich davon auch, dass die Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungen künftig verstärkt prpfen, ob derartige Motive vorgelegen haben.
Bis Ende März will der Minister diese Vorschläge in Gesetzentwürfe gegossen haben. Ein weiteres Gesetz soll sicherstellen, dass Opfer von Straftaten, die Aussagen gegenüber den Behörden machen, bei Bedarf auch in ihrer Landessprache über ihre Rechte aufgeklärt und auf vorhandene Betreuungs- und Beratungsangebote hingewiesen werden.
Zu den Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses gehörte auch, dass Beweismittel von nicht aufgeklärten Verbrechen nicht schon vor Ablauf der Verjährungsfrist vernichtet werden dürfen. Wie dies umgesetzt werden kann, will der Justizminister durch eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz prüfen lassen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte an, die Reform des Verfassungsschutzes fortzusetzen. So soll die "Koordinierungskompetenz" des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestärkt werden, um den Informationsaustausch der verschiedenen Verfassungsschutzämter untereinander zu verbessern - dass es hier stockte, gilt als ein wichtiger Grund dafür, dass der NSU so lange unentdeckt blieb. Mittels eines Gesetzentwurfes will de Maizière die Analysefähigkeit der Nachrichtendienste verbessern, aber auch die Regeln zum Einsatz von V-Leuten klarer fassen und die parlamentarische Kontrolle gesetzlich absichern.
Als "Daueraufgabe" haben die beiden Minister die Steigerung der interkulturellen Kompetenz bei den Ermittlungsbehörden, in der Justiz und beim Verfassungsschutz ausgemacht. Es solle dort nicht nur Heike und Thomas geben, so Maas, sondern auch Mehmet und Aishe. Eine Quote soll aber nicht eingeführt werden.
Dass es der Bundesregierung ernst ist, sich nun auch mit der Gefahr rechtsextremer Straftaten besonders intensiv auseinanderzusetzen zeigt sich an einem Mammutprojekt: Derzeit werden sämtliche Gewaltdelikte und Morde, die sich seit 1990 ereignet haben und bisher nicht aufgeklärt wurden, erneut von den Ermittlern überprüft. So will der Innenminister herausfinden, ob möglicherweise noch weitere Straftaten auf das Konto des NSU oder einer vergleichbaren Gruppe gehen. Noch in diesem Jahr soll das Projekt abgeschlossen sein, möglicherweise gibt es im Anschluss daran auch noch eine Überprüfung entsprechender Straftaten aus der Zeit vor 1990.
Der Opposition jedoch reichen die Ankündigungen noch nicht aus. Irene Mihalic, Sprecherin für innere Sicherheit bei den Grünen, forderte einen kompletten Neustart beim Verfassungsschutz. Zudem bemängelt sie, dass der Innenminister zwar davon spricht, die Ausbildung bei der Polizei zu verbessern - jedoch keine konkreten Vorschläge dafür vorliegen. Auch Aussagen, wie genau die parlamentarische Kontrolle verstärkt werden soll, vermisst Mihalic.
Bis Ende März bleibt der Bundesregierung Zeit, auf diese Fragen eine Antwort zu finden. Bis dahin sollen fertig ausgearbeitete Gesetzentwürfe vorliegen.