Steigt in Russland die Kriegsbegeisterung?
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Die Ergebnisse russischer Umfragen zur Kriegszustimmung ist verzerrt – dennoch steigern aktuell mehrere Faktoren die Unterstützung des Ukraine-Feldzugs unter den Russen.
Aktuell berichten zahlreiche russische Zeitungen von einer neuen Umfrage, in der sich der Anteil der Kriegsgegner unter den Russen seit Beginn des Ukraine-Feldzugs mehr als halbiert haben soll – von 22 Prozent auf neun Prozent, während die offenen Unterstützer immer mehr würden, nämlich 64 Prozent statt 59 Prozent. Der Rest schwankte oder antwortete nicht.
Zweifel an russischer Meinungsforschung zum Krieg bleiben
Zunächst muss noch einmal festgestellt werden, dass diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Zum einen gibt es gerade in autoritären Staaten mit aktiver Zensur – und die war in Russland noch nie so hart wie seit Kriegsausbruch – die starke Tendenz unter Nichteinverstandenen, bei Umfragen aus Angst ihre wahre Meinung nicht kundzutun. Das gilt in Russland umso mehr, da mehrere große Umfrageinstitute den Ruf haben, der Regierung nahezustehen, beziehungsweise gleich staatlich sind und verdächtigt werden, Daten über Kriegsgegner an Repressionsorgane weiterzugeben.
Der russische Soziologe Maxim Aljukow spricht gar von der russischen Meinungsforschung als "politischer Waffe". Zweifelhafte Institute mit Regierungsnähe formulierten Fragen so, dass eine möglichst große Zustimmung erzielt werde, sagt er. Dennoch stellt beispielsweise auch das unabhängige Lewada-Zentrum eine anhaltend hohe Kriegszustimmung fest. Alexej Lewinson, Leiter der soziokulturellen Forschungsabteilung bei Lewada, hält generellen Zweiflern an Umfrageergebnissen in Russland entgegen, dass sich das Massenbewusstsein in seinem Land seit Kriegsbeginn in einem "Sonderzustand" befände.
Zensur wirkt auch meinungsbildend
Tatsächlich gibt es mehrere Faktoren, die in den Monaten seit Beginn des Krieges steigernd auf die Unterstützung der russischen Bevölkerung wirken. Zum einen die starke Militärzensur, durch die abweichende Meinungen kaum noch nach Russland hineinwirken. Oppositionelle Medien wurden reihenweise geschlossen, für die verbleibenden gilt: Alles, was von der Regierungsdarstellung abweicht ist Fake-News und unter Strafe gestellt. Abgesehen von einigen Husarenstücken einzelner Journalisten berichten alle noch in Russland ansässigen Medien stromlinienförmig regierungskonform.
Dass dies Einfluss auf die Meinung der Bevölkerung hat, zeigt die Tatsache, dass schon immer die älteren Russen, die sich vor allem aus dem seit Jahrzehnten regierungskonformen Fernsehangebot informieren, bei allen möglichen Themen auf Regierungslinie sind, während die jüngeren, die mehr kritische Online-Kanäle nutzten, auch mehr abweichende Meinungen vertraten.
Immer mehr dieser kritischen Online-Kanäle sind in Russland mittlerweile von den Aufsichtsbehörden gesperrt oder offline. Gerade politisch weniger Interessierte machen sich kaum die Mühe, technische Tricks wie VPN einzusetzen, um sich Zweit- und Drittmeinungen aus den wenigen verbliebenen, ins Ausland emigrierten Oppositionsmedien zu holen.