Stichwahl, Senatsentmachtung und neue Sperrklauseln
Italiens Regierungsparteichef will das Wahlrecht ändern
Matteo Renzi ist seit dem 8. Dezember Vorsitzender der in Italien regierenden Partito Democratico (PD). Nun hat er sich mit der Führung der oppositionellen Forza Italia auf ein neues Wahlrecht geeinigt. Der Entwurf sieht vor, dass es kurz nach dem ersten Wahlgang eine Stichwahl geben soll, wenn kein politisches Bündnis einen Stimmenanteil von 35 Prozent erreicht. Wer in dieser Stichwahl die relative Mehrheit erreicht, der darf dann 53 bis 55 Prozent der Mandate für sich beanspruchen.
Einen ähnlichen Bonus für die stärkste Partei in der Abgeordnetenkammer gibt es bereits seit 2005. Dass dieser Bonus nach der letzten Wahl nicht zur sofortigen Regierungsbildung führte, liegt an der Zweiten Parlamentskammer, dem Senat. Diesen Senat möchte Renzi in eine Regionenkammer umwandeln, in der - ähnlich wie im Deutschen Bundesrat - keine direkt gewählten Abgeordneten, sondern Vertreter von Gebietskörperschaften wie beispielsweise die Bürgermeister der größeren Städte sitzen. Außerdem will er dem Senat das Recht nehmen, der Regierung das Vertrauen oder das Misstrauen auszusprechen.
Zusätzlich soll es hohe Sperrklauseln gegen kleinere Konkurrenten geben, die auch bei der Großen Koalition in Deutschland Begehrlichkeiten wecken könnten: Für Einzelparteien ist eine Acht-Prozent-Hürde und für Bündnisse eine Zwölf-Prozent-Sperre vorgesehen. Bislang muss eine Partei im Alleingang mindestens vier Prozent erreichen, um ins italienische Parlament einzuziehen. Für Listenverbindungen gelten zwei Sperrklauseln: Zwei Prozent für die an der Liste beteiligte Partei und zehn Prozent für die komplette Liste. Ausgenommen davon sind die Parteien der deutschsprachigen Minderheit in Südtirol.
Ob Renzi die Änderungen wie geplant im Frühjahr durch das Parlament bekommt, ist noch offen: In einer Vorstandsabstimmung der PD konnte er sich zwar durchsetzen, aber unter den PD-Abgeordneten könnte es Abweichler geben, die stört, dass ihr Parteichef den Plan zusammen mit Silvio Berlusconi ausgeheckt und den "Cavaliere" damit zurück in das politische Scheinwerferlicht gebracht hat. Der ehemalige stellvertretende Finanzminister Stefano Fassina meinte beispielsweise öffentlich, er "schäme" sich für die Zusammenarbeit.
Der Koalitionspartner der PD, die PdL-Abspaltung Partei Nuovo Centrodestra (NCd), beschwerte sich nach dem Bekanntwerden der Pläne öffentlich, nicht in die Verhandlungen zwischen Renzi und dem ehemaligen PdL-Chef Silvio Berlusconi eingebunden worden zu sein. Abgeordnete aus den Reihen der NCd deuteten an, dass man die Koalition platzen lassen könnte, wenn PD und Forza Italia das neue Wahlrecht gegen den Willen der von Justizminister Angelino Alfano angeführten Partei durchsetzen. Das könnte zu baldigen Neuwahlen führen, die Renzi möglicherweise nicht ungelegen kämen: Der 39-jährige Bürgermeisters von Florenz gilt nämlich als potenzieller Nachfolger von Ministerpräsident Enrico Letta.
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