Stichwahl zwischen slowakischer "Macronova" und EU-Kommissar
Der von den Sozialdemokraten nominierte Maroš Šefčovič kommt nur auf 18,7 Prozent
Nach der Präsidentschaftswahl in der Slowakei hat keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erreicht. Deshalb kommt es nun am 30. März zu einer Stichwahl, in der sich die Slowaken zwischen dem von den regierenden Sozialdemokraten nominierten EU-Kommissar Maroš Šefčovič und der Rechtsanwältin Zuzana Čaputová entscheiden müssen, deren 2017 gegründete Progresívne Slovensko (PS) bislang noch nicht im Parlament vertreten ist.
Čaputová lag im ersten Wahlgang mit 40,57 Prozent der Stimmen deutlich vor dem EU-Kommissar, für den lediglich 18,66 Prozent der Wähler stimmten. Dass er trotzdem in die Stichwahl kam, lag daran, dass das EU-skeptische Lager seine Stimmen auf zwei Kandidaten verteilte, die auf den Plätzen drei und vier landeten: Der ehemals zu Vladimír Mečiars Hnutie za demokratické Slovensko (HZDS) gehörige Ex-Höchstrichter Štefan Harabin kam auf 14,34 Prozent, Marian Kotleba von der nationalistischen Ľudová strana Naše Slovensko (ĽSNS) auf 10,39.
Affäre Kuciak schadete SMER
Die 45-jährige Čaputová ähnelt in mehrerlei Hinsicht dem 41-jährigen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vor dessen Abstieg. Sie sieht recht telegen aus - und ihre Partei suggeriert den Wählern etwas Neues zu sein, ohne sich inhaltlich sehr von den Positionen der Etablierten zu unterscheiden. Tatsächlich gab sie sich sogar eher EU-euphorischer als der slowakische EU-Kommissar und wurde dabei offen vom bisherigen Staatspräsidenten Andrej Kiska unterstützt.
Dass viele Slowaken nicht den von der SMER nominierten Kandidaten wählen wollten, hängt auch mit dem mysteriösen Doppelmord am slowakischen Reporter Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová im letzten Jahr zusammen. Kurz vor seinem Tod hatte sich Kuciak intensiv mit möglichen Verbindungen der SMER zur italienischen Mafia beschäftigt, die unter anderem von EU-Förderungen und Mehrwertsteuerbetrug profitiert haben soll.
Dieser merkwürdige Zufall trieb in der slowakischen Hauptstadt Preßburg im Frühjahr 2018 so viele Demonstranten auf die Straße wie seit 1989 nicht mehr, was dazu führte, dass der damalige Ministerpräsident Robert Fico die Amtsgeschäfte an seinen Stellvertreter Peter Pellegrini übergab (vgl. Slowakei: Ministerpräsidentenrücktritt mit Hintergrund Reportermordaffäre).
Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung
Als Staatspräsidentin hätte Čaputová - ähnlich wie der italienische Staatspräsident - eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung. Die könnte entweder nach dem regulären Wahltermin im März 2020 anstehen - oder vorher, wenn die Koalition aus der sozialdemokratischen SMER, der protektionistischen Slovenská Národná Strana (SNS) und der Ungarnpartei Most-Híd nicht hält. Darüber hinaus ist der Staatspräsidentenposten eine gute Basis dafür, für eine neue Partei zu werben und diese mit einem beträchtlichen Stimmenanteil ins Parlament zu hieven, wie dies Emmanuel Macron mit seiner 2016 gegründeten République en Marche nach seiner Wahl zum Präsidenten 2017 gelang.
PS bei neun Prozent
In der letzten Umfrage vom 26. Februar liegt die PS bei neun Prozent, während die SMER mit 22 Prozent gegenüber der letzten Nationalratswahl gut sechs Punkte abgeben müsste. Ihre Koalitionspartner SAS und Most-Híd könnten dagegen mit acht und sechs Prozent ihre Ergebnisse in etwa halten. Gleiches gilt für die nach wie vor zwölf Prozent starke wirtschaftsliberale Sloboda a Solidarita (SaS). Die "Normalen Leute und unabhängigen Personen" (Bürgerbewegung Obyčajní ľudia a nezávislé osobnosti - OL) würden mit neun Prozent zwei Punkte weniger bekommen als 2016. Mit Zugewinnen rechnen dürfen dagegen die ĽSNS von Marian Kotleba, die EU-skeptische Sme Rodina (SR) von Boris Kollár und die christdemokratische Kresťanskodemokratické hnutie (KDH): Die ĽSNS könnte sich von acht auf elf Prozent steigern, die SR von 6,6 auf zehn und die KDH würde mit einem Zugewinn von 1,1 Punkten und sechs Prozent die bei der letzten Wahl gerissene Sperrhürde überspringen.
Für die Europawahl im Mai werden ähnliche Ergebnisse vorhergesagt. Mit ihnen käme die SMER, die dort in der sozialdemokratischen S&D-Fraktion sitzt, auf drei Sitze im Euuropaparlament. Jeweils zwei Sitze gingen an Richard Suliks SaS (die sich nicht der liberalen ALDE, sondern der von den britischen Tories angeführten konservativen EKR-Fraktion angeschlossen hat), die ĽSNS (die dort mit der deutschen NPD paktiert) und die SR (die zusammen mit der italienischen Lega, der österreichischen FPÖ und dem französischen Rassembelement National zur ENF-Fraktion zählt). Auf jeweils einen Sitz kämen Čaputovás PS (die sich mit der Macron-Partei verbünden könnte), die KDH (die zur christdemokratischen EVP-Fraktion gehört), die ebenfalls dort ansässige Most-Híd, die SNS (die sich der von der britischen UKIP und der italienischen M5S dominierten Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie zugesellt hat) und die OL (die sich ebenso wie die SaS der EKR-Fraktion zurechnet).
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