Strafverfahren gegen ETH-Professor wegen Links zu rassistischen Websites
Nicht nur die Staatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren eingeleitet, sondern jetzt will auch die ETH Zürich ein Disziplinarverfahren prüfen
Aufgestört durch den NZZ-Artikel vom 23. Februar 2000, der berichtete, dass gegen Thomas Stricker, dem Vorstand des Instituts für Computersysteme ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, weil er das schweizerische Antirassismus-Gesetz verletzt habe, will nun auch die Schulleitung der ETH gegen den Professor vorgehen und erwägt ein Diszplinarverfahren.
Schon gestern wurde die Seite, auf der Thomas Stricker Links zu einer pornographischen und zu einer antirassistischen Website gelegt hatte, von der man wiederum zu rassistischen Websites gelangte, von der Schulleitung vom Netz genommen. Die Züricher Bezirksstaatsanwaltschaft hat eine Strafuntersuchung eingeleitet, weil durch die Links nach dem Antirassismusgesetz die "öffentliche Verbreitung" von Ideologien unter Strafe gestellt ist, die Angehörige einer Rasse, Ethnie oder Religion herabsetzt oder beleidigt (Ab wievielen Zwischenschritten ist ein Link auf eine rechtswidrige Website strafbar?).
Etwas seltsam ist die ganze Aktion von Staatsanwaltschaft und Schulleitung allein schon deswegen, weil die Links von Stricker im Zusammenhang eines Textes als Veranschaulichung für die Behauptung gelegt wurden, dass eine Verlinkung im Web über Zwischenschritte schnell zu verbotenen Inhalten führen kann. Damit wollte Stricker eine hochschulinterne Anordnung kritisieren, die Links zu rassistischen und pornographischen Inhalten auf den Web-Veröffentlichungen der Hochschulangehörigen untersagt, weil dies letztlich die Meinungsfreiheit gefährde, die Freiheit der Wissenschaft einschränke und die Eigenschaft des Web abwürge. Dokumente, so die Ausführungsbestimmungen über die Darstellung der ETH im Netz, dürfen nichts enthalten, "was dem Ansehen der Schule schadet oder deren Tätigkeit behindert." Jetzt ist natürlich die Frage, ob eher Stricker mit seinen Links oder die Schulleitung mit ihrer Reaktion der ETH in der Öffentlichkeit schadet.
Die Schulleitung verweist auf die Telematikverordnung der ETH: "Eine Benutzung der Telematik-Mittel in einer Weise, die mit dem Wohl der ETH Zürich unvereinbar erscheint, stellt schweren Missbrauch dar. Dazu gehören Daten rassistischen oder pornographischen Inhalts". Vorgeworfen wird Stricker, dass er "mit seinem Vorgehen ganz klar sowohl die 'Benutzungsordnung für Telematik an der ETH Zürich' als auch die 'Dozentenverordnung' verletzt" habe. Man dulde keine "neonazistische, rassistische und antisemitische Propaganda in welcher Form auch immer an der ETH Zürich".
Rolf Probala, der Leiter der Corporate Communications der ETH, sagte gegenüber der NZZ, dass Stricker bereits seit drei Jahren "wie ein Don Quijote" für die freie Meinungsäußerung im Netz kämpfe. Dabei würde er normale Zitate mit "Linkzitaten" gleichstellen. Man sei bereits im letzten Jahr gegen ihn vorgegangen und habe Links auf seiner Seite entfernt, die direkt zu rassistischen Websites geführt haben. Von den jetzt beanstandeten und mittlerweile entfernten Links habe man bis gestern nichts gewusst, der Sicherheitsdienst der Universität sei zu klein, um ständig alle Webseiten an der ETH überprüfen zu können. Bislang habe man noch nicht gegen einen Professor einschreiten müssen, aber im letzten Jahr habe man in zehn Fällen gegenüber Studenten wegen Pornografie vorgehen müssen.
Auf "schweren Missbrauch" der Telematik-Mittel werden "ein Disziplinarverfahren und notfalls ein Zivilverfahren eingeleitet oder Strafanzeige erstattet." Bei schweren Fällen kann es zur Entlassung kommen. Der "Fall Stricker" jedenfalls kann ein wichtiges Exempel statuieren, wie in der Schweiz die Verantwortlichkeit für externe Links gehandhabt werden soll. Betrüblich freilich ist, dass die Schulleitung offenbar nicht gewillt ist, ob den etwas komplexeren Sachverhalt einzugehen, dass die Links keineswegs als Billigung der Inhalte auf den referenzierten Seiten verstanden werden können, sondern im Kontext eben einer Diskussion über die rechtliche Regelung für Links als Anschauung gelegt wurden. Zudem gelangt man im Falle der rassistischen Websites nicht mehr direkt zu diesen, sondern, wie gesagt, zuerst zu einer antirassistischen Website, die die Links anbietet, um den Menschen selbst die Möglichkeit zu geben, sich über das dort veröffentlichte Gedankengut zu informieren. Würde es deswegen zu einer Bestrafung von Stricker kommen, so wäre dies sehr bedenklich, weil man letztlich dem Bürger nicht zutraut, sich selbst informieren zu dürfen, sondern er auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen bliebe. Bedenklich ist aber auch die überstürzte Reaktion der Schulleitung, die offenbar nicht daran denkt, die Freiheit der Wissenschaft und des rationalen Argumentierens zu verteidigen, sondern in voreiligem Gehorsam Zensur ausübt.