Strahlemann Macron will neue Atommeiler in Frankreich bauen
Um eine Konkretisierung seiner Pläne drückt sich der französische Präsident und fabuliert von Energieunabhängigkeit und angeblich billigem Strom
"Wir werden das erste Mal seit Jahrzehnten wieder Atomreaktoren bauen", hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am späten Dienstag in einer Fernsehansprache an die Nation verkündet. Damit tut der französische Präsident so, als gäbe es das Milliardengrab in Flamanville am Ärmelkanal nicht. Wie hier schon berichtet, wird dort aber seit 2007 erfolglos am sogenannten "European Pressurized Reactor" (EPR), der eigentlich schon seit fast zehn Jahren Strom liefern sollte, herumgebastelt.
Doch der EPR wird bestenfalls 2024 mit erheblichen Sicherheitsmängeln ans Netz gehen, während sich die Kosten von 3,3 Milliarden auf mindestens 19 Milliarden versechsfacht haben. Ähnlich falsch und unkonkret blieben die Aussagen des französischen Präsidenten auch an anderen Punkten, zumal Macron nicht einmal präzisierte, über welchen Reaktortyp er sprach. Schließlich hatte er erst kürzlich den scheinbar innovativen Vorschlag von "Small Modular Reactors" (SMR) aus dem Hut gezaubert.
Das Problem mit diesen "kleinen modularen Reaktoren" ist nicht nur, dass sie nur eine Leistung von bis zu 300 Megawatt (MW) haben, weshalb Frankreich eine große Zahl dieser Reaktoren bauen müsste, um den altersschwachen Atompark zu ersetzen. Nein, das zweite Problem ist, dass nirgends bisher ein solcher Reaktor funktioniert und in Russland frühestens 2028 der erste SMR ans Netz gehen soll.
Somit ließ Macron offen, wie er gerade über diese Strategie die "Stromversorgung unseres Landes sichern" will, denn mit der Inbetriebnahme von neuen Reaktoren, egal welcher Art, ist vor 2035 kaum zu rechnen. Praktisch jeden Winter steht das Land aber schon vor dem Blackout, wie zuletzt am 8. Januar, da die benötigte Leistung nicht erzeugt werden kann, wenn die Franzosen bei einem Kälteeinbruch die Stromheizungen in oft ungedämmten Häusern einschalten.
Für den Klimaschutz auch untauglich, weil die Zeit drängt
Den Klimaschutz zu bemühen, wie der oft aus ganz anderen Gründen als "Strahlemann" bezeichnete Macron es nun verstärkt für die Atompolitik tut, führt sich darüber schon ad absurdum, da für das Klima schnell etwas getan werden muss. Und immer wenn es kalt wird, müssen in den Nachbarländern die Kohle- und Gaskraftwerke auf Hochtouren laufen, um den Blackout in Frankreich und damit vermutlich in ganz Europa zu verhindern. In Österreich hält man die Gefahr für besonders hoch, weshalb sich das Bundesheer längst darauf vorbereitet. In dem Land findet am Freitag zudem eine Blackout-Übung statt.
Ist der Atomstrom wirklich "zu vernünftigen Preisen" zu haben und ist Frankreich damit "unabhängig vom Ausland", wie Macron behauptet? Auch daran bestehen große Zweifel. Woher kommt das Uran für die Atompolitik, stehen Kampfeinsätze nicht in Verbindung mit der Uran-Versorgung?. Klar ist, dass hinter den Atomplänen auch massive militärische Interessen stehen, wie Macron selbst auch längst eingeräumt hat.
Schon angesichts der Kostenexplosion in Flamanville ist der angeblich billige Atomstrom ein Märchen. Das gilt auch angesichts der ungelösten Endlagerfrage. Dafür wurden die Kosten schon vor fünf Jahren auf 41 Milliarden Euro angehoben, bei denen es natürlich nicht bleiben wird. Genug Geld für den Rückbau der Uraltmeiler gibt es auch nicht.
Von den Kosten nach schweren Unfällen ganz zu schweigen. Die Gefahr eines solchen Unfalls steigt mit der Laufzeitverlängerung auf 50 Jahre angesichts von altersschwachen Meilern weiter. All diese Kosten fließen in die Milchmädchenrechnung von Macron natürlich nicht ein. Klar ist aber, dass es Macron offensichtlich gelungen ist, über einen Deal mit der scheidenden deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an EU-Fördergelder zu kommen.
Die Sprachregelung von der Leyens
Alles spricht dafür, wie auch aus einem geleakten Papier hervorging, dass Atomstrom über die Taxonomie nun als "nachhaltig" eingestuft wird. Im Gegenzug hat sich die Bundeskanzlerin gesichert, dass Erdgas als Übergangstechnologie ebenfalls als "nachhaltige" und damit subventionierbare Art der Stromerzeugung eingestuft wird.
Macron hat genau die Sprachregelung übernommen, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich nach einem EU-Gipfel angestimmt hatte, auf dem die Staats- und Regierungschefs über die Antwort der EU auf die steigenden Energiepreise diskutiert hatten. "Wir brauchen auch eine stabile Quelle, Atomenergie, und im Übergang natürlich Erdgas", twitterte von der Leyen. Sie fügte hinzu, dass wir auch "erneuerbare Energien brauchen, die billiger, kohlenstofffrei und heimisch sind".
So hat auch Macron am Dienstag erklärt, dass mit der "Entwicklung erneuerbarer Energien" fortgefahren werde. Sehr ernst muss man das nicht nehmen, da diese in Frankreich noch immer stiefmütterlich behandelt werden. Sein kürzlich vorgestellter Strategieplan "Plan France 2030" sieht dafür gerade einmal 500 Millionen Euro vor, die Hälfte der Summe, die in SMR-Reaktoren fließen soll.
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