Mauer um französisches Endlagergelände wird entsorgt
Während des Aktionswochenendes haben Atomkraftgegner in Lothringen mit der Demontage begonnen
Erst im Juli war es den französischen Atomkraftgegnern mit Unterstützung aus Deutschland und Luxemburg im Dreiländereck gelungen, den Wald bei Mandres-en-Barrois zum Teil wieder zu besetzen, wo die französische Atommüllbehörde Andra nahe dem kleinen Dorf Bure das Endlager für den hochradioaktiven Atommüll bauen will.
Diesem ersten Etappensieg folgte kurz darauf der nächste. Denn das "Tribunal de Grande Instance" im lothringischen Bar-le-Duc stoppte schließlich per Gerichtsurteil die Arbeiten. Das Gericht gab den ab Anwohnern von Mandres-en-Barrois und Umweltschutzverbänden recht, dass die Andra illegal ohne Genehmigung mit der Rodung im des "Bois Lejuc" begonnen hatte, einem der wenigen verbliebenen Wälder in dieser Gegend.
Nur gut 100 Kilometer Luftlinie entfernt von der Grenze zu Deutschland soll dort der gesamte französische Atommüll aus Jahrzehnten einer verfehlten Energiepolitik gelagert werden, die das Land noch sehr teuer zu stehen kommen wird. Die Kosten für das Atommülllager-Projekt "Cigeo" werden genauso ständig nach oben korrigiert, wie die Kosten für den Rückbau alter Reaktoren (für die Rücklagen weitgehend fehlen) oder für den Neubau von Atomreaktoren.
Die Kosten für die Endlagerung waren schon zuvor von 18 auf 35 Milliarden Euro fast verdoppelt worden, das Budget allein für Cigeo wurde nun gerade auf 41 Milliarden Euro weiter erhöht. Geplant ist, ein Tunnelsystem in einer Lehm-Ton-Schicht in einer Tiefe von 500 Metern zu schaffen, um dort nach einer neuen Entscheidung des Parlaments etwa 80.000 Kubikmeter Atommüll zunächst für 100 Jahre angeblich "rückholbar" zu lagern.
Da sich die Andra in all den Jahren nie an gesetzliche Vorgaben oder an Zeitpläne gehalten hat, sind auch diese Vorgaben mit großer Vorsicht zu genießen. Sie hatte auch lange Jahre behauptet, gegen alle Befürchtungen der Kritiker, es solle in Lothringen kein Endlager entstehen, sondern nur ein "Versuchslabor". Dabei wurde real mit Hochdruck das Endlagerprojekt vorangetrieben, wie sich längst bestätigt hat.
Um Zeit zu gewinnen wurde sogar schon mit Versuchen begonnen, als man nicht einmal in der Schicht angelangt war, die untersucht werden sollte. Gegen das geltende Gesetz wurden auch nie verschiedene Lagermedien in Frankreich untersucht, räumte die Andra schon vor 14 Jahren gegenüber dem Autor ein. Dabei sollten diese verschiedenen Untersuchungen die Grundlage für eine Entscheidung des Parlaments über den Endlagerstandort sein, die einst für 2006 geplant war.
Da nie andere Lagermedien untersucht wurden, war für die Kritiker stets klar, dass die Gegend um Bure zum Endlager deklariert werden würde. Und dabei ist ihrer Ansicht unerheblich, wie sich der Untergrund real gestaltet. Am zweifelhaften Vorgehen bei der Durchsetzung der Pläne hat sich weder im Parlament noch bei der Andra etwas geändert. Ein deutliches Zeichen dafür ist die zwei Meter hohe Mauer, die ohne Genehmigung im "Bois Lejuc" errichtet worden ist. Auch der Wald kam nur unter zweifelhaften Bedingungen in die Hände der Andra, worüber die Justiz ebenfalls noch zu entscheiden hat.
Viele erinnerte dieses Bauwerk an die Berliner Mauer. Und viele Bewohner der Region wollen sich mit einer illegalen Mauer in einem Wald in Lothringen nicht abfinden. Zwar hatte der Bürgermeister der Gemeinde Mandres-en-Barrois diese Mauer noch durch einen Beschluss zu legalisieren versucht, doch der hielt sich dabei nicht an die gesetzlichen Vorschriften, weshalb vergangene Woche die zuständige Präfektur diesen Beschluss ebenfalls wieder kassiert hat.
Unter dem Motto: "Wir lassen uns niemals atomisieren", hatten die Atomkraftgegner schließlich zu einem neuen Aktionswochenende ab dem vergangenen Freitag aufgerufen. Das Ziel war es, die "Zone zu erkunden" und den "ursprünglichen Zustand" im Wald wieder herzustellen. Denn auch dazu wurde die Andra verurteilt, wenn sie in sechs Monaten keine nachträgliche Genehmigung erhält. Doch darauf wollten die Atomkraftgegner nicht warten und traten zur eigenmächtigen Beseitigung des Bauwerks an.
Erstaunlich war auch für die lokalen und angereisten Aktivisten aus Deutschland, dass plötzlich die Polizei und der private Sicherheitsdienst der Andra das Gelände verlassen hatten. Daran änderte sich auch am Sonntag nichts, als sich der Demonstrationszug vom nahen Luneville in praller Sonne auf den Weg machte. Nur ein Polizeihubschrauber überwachte die Vorgänge aus der Luft. Offenbar wollte man eine Konfrontation mit den entschlossenen Umweltschützern, Bauern und Aktivisten vermeiden. Denn man ist sich wohl auch in Paris darüber bewusst, dass für weitere Bauarbeiten keinerlei rechtliche Grundlage besteht. Offenbar will die ohnehin schwer angeschlagene Regierung Hollande derzeit auf weitere Negativschlagzeilen verzichten.
Wie die französische Zeitung "Le Monde" einen Aktivisten zitiert, sei schließlich am Sonntag nach der Demonstration in einer "kollektiven und fröhlichen Sabotage" die Mauer beseitigt worden. Auf den ersten Ruinenteilen und umgestürzten Mauerteilen wurde zunächst in guter französischer Tradition ein Picknick gemacht, um die "Befreiung der Bäume" feierlich zu begehen. Gestärkt machte man sich danach daran, weitere Mauerteile einzureißen und mit der Wideraufforstung des Waldes zu beginnen, in dem allerdings auch fast einhundertjährige Eichen den Kettensägen zum Opfer gefallen sind.
Wie Telepolis am Dienstag aus dem Widerstandshaus in Bure erfahren konnte, hat sich an der Lage auch nach dem verlängerten Wochenende am Dienstag nichts geändert. Auch nach dem Feiertag am Montag sind weder Polizei noch Arbeiter erneut angerückt. Somit ist nun der Wald weiter befreit und die Aktivisten fahren mit der Wideraufforstung und der Instandsetzung fort. Allerdings, so war auch zu erfahren, gab es viele Polizeisperren, um anreisende und abreisende Personen zu kontrollieren und vermutlich zu registrieren. Niemand schließt aus, dass sich die Lage schnell ändern und spätestens nach den Sommerferien mit neuen Bauarbeiten begonnen werden könnte, da es in der schwach besiedelten Region sehr schwierig ist, dies zu verhindern.