Strompreis auf dem Weg nach unten

Seite 2: Merkels Erpressung

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Das EU-Parlament hatte ja, wie berichtet, Anfang Juli nach einigem Hin und Her für ein eher halbherziges sogenanntes Backloading gestimmt, das heißt für die Verknappung der Zertifikat-Menge. Allerdings scheitert das bisher noch an der fehlenden Zustimmung des Ministerrats. Insbesondere die Bundesregierung sperrt sich gegen die Korrektur. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das deutsche O.K. ausdrücklich an eine Änderung des EEG geknüpft:

"'Wenn die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes gelingt, dann können wir uns dem Emissionshandel in Europa nochmal zu wenden', sagte Merkel. Dieser sei ein zentrales Klimaschutzinstrument und müsse angepasst werden", hieß es Anfang Mai in einer Pressemitteilung der Bundesregierung, die über den Auftritt der Bundeskanzlerin auf dem "Petersberger Dialog" berichtete. Letzteres ist eine informelle internationale Klimakonferenz, zu der die Bundesregierung von Zeit zu Zeit ein paar Dutzend andere Regierungen einlädt.

Der Zusammenhang zwischen der Reparatur des Emissionshandels und den Änderungen am EEG ist ganz offensichtlich nicht sachlich begründet. Beides kann ohne weiteres unabhängig voneinander geschehen, im Falle des Emissionshandels wird das Problem bereits seit mindestens neun Monaten diskutiert. Vor allem geht es auch die anderen EU-Mitglieder an, die hingegen mit dem deutschen EEG überhaupt nichts zu tun haben.

Aber offensichtlich ist der Bundeskanzlerin die derzeitige Situation, in der der niedrige Börsenpreis die EEG-Umlage in die Höhe treibt, ganz recht, um Druck für Gesetzesänderungen zu machen, die die Dynamik des Ausbaus brechen. Da müssen eben die anderen EU-Mitglieder so lange warten. Wundert es bei so viel Arroganz eigentlich noch jemanden, dass Angela Merkel jenseits der Landesgrenzen so herzlich unbeliebt ist?

Wie weiter mit dem Emissionshandel?

Wie dem auch sei; eigentlich war es von Anfang an absehbar, dass der Emissionshandel die ihm zugeschriebene Aufgabe nicht wahrnehmen wird können. Zu verlockend ist es für die Industrie, mit Lobbyarbeit so lange an den jeweiligen Stellschrauben zu drehen, bis dem System der letzte Zahn gezogen ist und sich damit sogar noch ein schneller Extraeuro verdienen lässt.

Das fing bei der kostenlosen Ausgabe der Zertifikate durch die Bundesregierung in der ersten Handelsperiode an, bei der die die Braunkohlekraftwerke sogar noch einen Bonus erhielten, ging über das eigentümlichen Gebaren der Kraftwerksbesitzer, die die den Stromkunden die Marktkosten der ihnen von der Bundesregierung geschenkten Zertifikate in Rechnung stellten, und kulminiert in diesem Jahr im drastischen Preisverfall. Dieser hat praktischer Weise rechtzeitig vor der neuen Phase des Emissionshandels eingesetzt, der ersten, in der deutsche Unternehmen für die Verschmutzungsrechte bezahlen müssen. Vorher hatten sie gegenüber manchem europäischen Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil, denn nicht alle EU-Regierungen waren so generös wie die deutsche gewesen.

Die Frage ist, wie es jetzt mit dem Emissionshandel weiter geht? Für die nächsten Monate ist die Aussicht auf jeden Fall trübe. In Deutschland verhandeln die Parteien über eine neue Koalition und in Berlin findet man es offensichtlich ganz normal, dass sich der Rest der EU nach der deutschen Innenpolitik zu richten hat. Und danach? Eigentlich ist kaum vorstellbar, dass die neue Bundesregierung, wie auch immer sie bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag zusammen gesetzt sein wird, den Emissionshandel zu dem einst intendierten Instrument des Klimaschutzes machen wird. Dafür sind die betroffenen Wirtschaftsinteressen zu mächtig und die etwaigen Regierungsparteien diesen zu nah verbunden.

Vielleicht wird es Zeit, dass sich die Umweltverbände und die Grüne Partei für die Forderung nach einem Kohleausstiegsgesetz erwärmen, wie es von der Linkspartei ins Gespräch gebracht wurde.

Netzausbau in China

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: China macht Fortschritte beim Netzanschluss seiner Windkraftanlagen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Statt 17 Prozent der Kapazitäten, die 2012 noch ungenutzt blieben, könne in diesem Jahr die Ausfallrate auf 12 Prozent gedrückt werden. Das Problem sind immer noch fehlende Übertragungskapazitäten, aber die Situation werde sich in den nächsten Jahren weiter verbessern, zeigten sich Beobachter überzeugt, die die Agentur befragt hat.

Offensichtlich waren neue Anlagen schneller in die Landschaft gestellt worden, als sich die Netzgesellschaft an die neue, unregelmäßige Erzeugung anpassen konnte. Inzwischen wurde das Ausbautempo zurückgefahren. Nach rund 18 Gigawatt (GW) neu installierter Windleistung waren es 2012 nur noch 13 GW. Das war der erste Rückgang seit 2004. In diesem Jahr werden es wohl mit knapp 12 GW noch einmal weniger werden.

Offensichtlich ist dies das Ergebnis einer restriktiveren Genehmigungspraxis. Besonders in den windreichen Provinzen im Nordosten, in denen das Netz überlastet ist, werden Projekte zurückgehalten. Abhilfe naht allerdings bereits. 200.000 Kilometer neuer Höchstspannungsleitungen sollen in den nächsten Jahren gebaut werden. Darunter auch 40.000 Kilometer Gleichstromleitungen (so genannte HGÜs Hochspannungsgleichstromübertragung), mit denen Strom verlustarm über große Entfernungen transportiert werden kann. Knapp 200 Milliarden Euro sollen für den Netzausbau im laufenden Fünf-Jahresplan bis 2015 ausgegeben werden, davon 60 Milliarden allein für die HGÜ-Leitungen.