Stürzt nach Möllemann jetzt auch Friedman?

Dem Medienklassiker "Antisemitismusstreit" gehen langsam die Hauptdarsteller aus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nach dem tödlichen Absturz Jürgen W. Möllemanns (Absturz)droht nun sein Widersacher, Michel Friedman, über eine Drogenaffäre abzustürzen. Zwar nur von der Bühne des Fernsehens und der Politik, aber auch das ist für einen eitlen Selbstdarsteller wie Friedman fast schon tödlich. Begleitet wird dieser Vorgang, bei dem es um den angeblichen Besitz von Kokain geht, schon jetzt vom Applaus vieler Deutscher, für die der Moderator, CDU-Politiker und Rechtsanwalt das verkörpert, was ihre Vorfahren mal mit massenmörderischer Konsequenz einen hässlichen Juden genannt haben.

Dabei ist Friedmann zumindest unter den TV-Moderatoren eine lobenswerte Ausnahmeerscheinung. Ein Mann, der in seinen Sendungen gnadenlos nachfragt, notfalls aggressiv und polemisch. Und der bisweilen solange nachhakt, bis die auch bei ihm ständig herumsitzenden Phrasendrescher ins Schleudern geraten. So auch gestern Abend als er in seiner Live-Talk-Show Friedman Scheich Peter Oberschwafel Scholl-Latour so oft und so konsequent unterbrach, dass dieser zunehmend irritiert wirkte. Doch so etwas gehört sich einfach nicht im deutschen Fernsehen, und ganz schlimm wird es, wenn so etwas Ungehöriges auch noch ausgerechnet ein Jude macht.

Aber statt den Schwanz vor der schweigenden Mehrheit einzuziehen, haut Friedman, wenn er es für nötig hält, lieber drauf, bis es richtig weh tut. Auch in seinen Aussagen als Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Kurzum: Er traut sich was, zeigt Flagge. Und haut auch mal mächtig daneben - wie eben jeder gute Polemiker.

Dass sich aber ein Jude in Deutschland öffentlich soviel traut und nicht aus gutem Grund ängstlich bedacht ist, bloß nicht unangenehm aufzufallen, widerspricht unserem Bild vom unauffälligen jüdischen Mitbürger, der selbst seine Religion öffentlich nur noch unter Polizeischutz in streng bewachten Synagogen praktizieren kann. Und so ist es eben genau Friedmans Lust zum Widerspruch, die den Medienstar für viele so suspekt und unsympathisch erscheinen lässt. Was dann halt auch ein Mann wie Möllemann damals glasklar erkannte und opportunistisch in seinem Streit mit Friedman ausnutzte.

Dass beide nun fast zeitgleich abstürzen oder abzustürzen drohen, ist ein merkwürdiger Zufall, den bestimmt nur Verschwörungstheoretiker erklären können. Und weil der Medienklassiker "Antisemitismusstreit" ohne Stars wie Möllemann und Friedman kaum noch zu inszenieren ist, wird er wohl erst einmal in den Archiven verschwinden. Wer aber glaubt, dass damit auch der Antisemitismus im Land des Holocaust gleich mit verschwinden wird, der sollte jetzt und in den kommenden Tagen mal ganz genau hinhören, wie die Leute, die Nachbarn und Freunde den drohenden Fall Friedmans kommentieren.