Syrien: Das längere Ende der Beendigung des endlosen Krieges
Die US-Truppen bleiben "ohne Datum für einen Abzug", gibt der Kommandeur von U.S. Central Command bekannt. Damit stocken auch politische Verhandlungen
Der politische Prozess in Syrien wird sich, wie erwartet, hinziehen. Die offizielle Delegation aus Damaskus hat die Verhandlungen zum Verfassungskomitee in Genf erstmal abgebrochen. Grund dafür ist laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Agency Uneinigkeit über die Tagesordnungspunkte, die die syrische Regierungsdelegation setzen wollte: "Kampf gegen Terrorismus, das Aufheben der Sanktionen und die Verurteilung der türkischen Operation in Nordsyrien."
Indessen verstärkt die US-Militärführung die Signale, dass ihr "Kampf gegen den Terrorismus" wichtiger ist als der angekündigte Abzug der Truppen aus Syrien. Er habe kein Datum für den Abzug und auch keine Order abzuziehen, gab General Kenneth McKenzie, Kommandeur von U.S. Central Command, Pressevertretern Bescheid.
Etwa 500 US-Soldaten werden im Nordosten Syriens bleiben, um mit den SDF gegen Reste der IS-Milizen zu kämpfen, so der Kommandeur am Rand eines Sicherheitsgipfels in Bahrain. Es gab zuletzt am Freitag, den 22. November, auch eine größere gemeinsame Militäroffensive mit US-Truppen und "Hunderten von SDF-Kämpfern" gegen IS-Milizen in Deir-ez-Zor, wie gestern berichtet wurde.
In Zeitung, aus dem der Bericht stammt, findet sich auch ein interessantes gut 3-minütiges Video, das zur zentralen Botschaft hat: Es ist alles nicht so, wie es Trump öffentlich verkündet. Von Abzug könne keine Rede sein und eigentlich auch nicht von der "Sicherung des Öls". Die US-Soldaten vor Ort würden anderes sagen und bedeuten ("Das Öl hat keine Priorität") und die Verstärkung mit Bradley-Panzerfahrzeugen, die für Kampfeinsätze vorgesehen seien, spreche ebenfalls eine andere Sprache.
Beim Pressetermin bei der US-Einsatztruppe in Nordsyrien fallen Sätze wie "Die USA haben hier Fuß gefasst und bleiben." Oder von einem Mann, der augenscheinlich einen höheren Rang bekleidet: "Die Mission geht weiter. Wir werden in (Militär-)Basen von Deir ez-Zor bis Qamischli und Derik sein und überall in diesem weitgedehnten Areal". Was man dort gesehen habe, fassen die Mitglieder des NYT-Presseteams vor Ort zusammen, sei kein Militär gewesen, das sich auf dem Rückzug befindet, sondern eine Armee, die ihr aufgerüstetes Arsenal demonstriert.
Eine Pentagon-PR-Offensive
Nun ist bekannt, dass die New York Times Präsident Trump sehr kritisch gegenübersteht und Spaltungen innerhalb seiner Administration gerne akzentuiert. Bekannt ist aber auch, dass die Kriegsberichterstattung der Zeitung in den letzten Jahren öfter auf der Seite derjenigen Kräfte in der US-Regierung war, die für einen stärkeren Militäreinsatz plädieren.
So ist sie immer wieder - und gerade bei den kriegerischen Konflikten in Syrien - ein gutes Sprachrohr für Gruppen im Pentagon, die wenig von einem Rückzug der US-Truppen halten, und dies mit großer öffentlicher Reichweite bekannt machen wollen. "Das Militär sagt anderes als Trump, der die Mission in Syrien ins Chaos befördert hatte", ist eine Aussage aus dem NYT-Clip.
Die Absicht, die US-Stellung in Syrien bis auf weiteres zu halten, wird offiziell mit dem Kampf gegen die IS begründet. Für Trump dürften daraus keine großen Schwierigkeiten für den Wahlkampf entstehen, obwohl der Pentagon-Generalinspekteur kürzlich mit seinem Bericht klarstellte, dass von einem Sieg gegen den IS schwerlich die Rede sein kann (Aufgrund der türkischen Invasion wird sich der IS in Syrien wieder aufbauen). Für die Adressaten der Trump-Wahlbotschaften dominieren die spektakuläreren Nachrichten: das Ende des IS-Kalifats und der Tod des früheren Kalifen.
Trump kann in seinem Wahlkampf zweigleisig fahren: Er hat die Absicht, den endlosen Krieg in Syrien zu beenden, ja mehrmals laut bekräftigt und es sind ja auch Truppen aus Syrien abgezogen worden, das ist die große Linie, auf die er setzen kann. Dass ein kleiner Rest dort bleibt, kann er mit dem "syrischen Öl" begründen, das er vor dem Zugriff von "Terroristen, Syriens Regime und Russland" schützt. Einem US-Publikum sind in Öl gewandete Interessen, die nicht kriegerisch klingen, als "echt amerikanisch" so zu vermitteln, dass daraus keine Empörung erwächst - solange es keine Gefallenen zu beklagen gibt.
Der verhinderte Gewinn der Regierung Assad
Für die syrische Regierung ist die Präsenz der US-Truppen ein Besatzungsklotz, der im Weg zur Einheit des Landes steht und schwer zu beseitigen ist. In einem Interview machte der syrische Präsident Baschar al-Assad kürzlich klar, dass es klüger ist, militärisch nicht in Schwierigkeiten mit der Großmacht zu kommen. In dem Gespräch äußerte er Freude über das russisch-türkische Abkommen, die könnte angesichts der neuesten "Wir bleiben doch"-Signale vom US-Militärkommando etwas abgeklungen sein.
Al-Assad hatte, wie viele Kommentatoren auch, die in der Präsenz des US-Militärs ein großes Hindernis für eine politische Regelung der Verhältnisse in Syrien sehen, gehofft, dass das Abkommen vom 22. Oktober dafür sorgen werde, dass die US-Truppen aus Syrien abziehen und die syrische Armee wieder große Gebiete an der Grenze zur Türkei kontrollieren würde. Das wird sich nun hinziehen.
Auch für die russischen Verbündeten der Regierung in Assad ist die "Wiederkehr" von US-Truppen (angeblich war die Truppenstärke zwischenzeitlich auf 250 Soldaten in Syrien gefallen) ein Hindernis, weil damit die Aktionsräume auch der Luftwaffe eingeschränkt sind. Zwar konnten russische Militärs frühere Basen der US-Soldaten weiter westlich, zum Beispiel bei Kobane, übernehmen, aber die Einsatzräume bei Qamishli, wo russische Hubschrauber stationiert sind, sind nicht so frei, wie man sich das gewünscht hätte.
Schwierig ist die Fortsetzung der US-Präsenz auch, was die Verhandlungen zwischen der Regierung in Damaskus und den SDF-Vertretern betrifft. Dass die erneute Zusammenarbeit von YPG-Milizen mit US-Truppen im Nordosten Syriens die Verhandlungsposition bei den Verhandlungen erhöhen könnte, ist eine eher kühne Spekulation. Es gibt Gründe, dass dies für die Regierung Assad als Beleg dafür gesehen wird, dass Damaskus den Vertretern der kurdischen Selbstverwaltung nur bedingt traut und nicht bereit für größere Konzessionen ist. Sicher ist, dass sich die Verhandlungen hinziehen werden.
Die ist ganz im Sinne von großen Teilen der US-Administration, die kein großes Interesse an einer Verständigung zwischen den Kurden und der Regierung in Damaskus haben.
Der türkische Präsident Erdogan bekräftigte heute gegenüber Journalisten, dass auch die Türkei bis auf weiteres in Nordostsyrien bleiben werde - ohne Abzugsdatum. Der "Operations Friedensquelle" sei keine Frist gesetzt. Syrien bleibt bis auf weiteres aufgeteilt.
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