Syrien: "Kein Geld mehr aus den USA, also auf in den bewaffneten Kampf"?

"FSA"- Kämpfer beim Säubern ihrer AK-47. Foto (von 2012): VOA News; Scott Bobb / gemeinfrei

US-Präsident Trump hat auch Mittel für die Unterstützung der "zivilen Opposition" gestrichen. Von interessierten Kreisen kommen nun Warnungen, dass sich ihre Mitglieder den Milizen, einschließlich terroristischer Gruppen, anschließen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ende März dieses Jahres gab US-Präsident Trump die Anweisung die Zahlung von 200 Millionen Dollar an syrische Empfänger einzustellen. Laut Wall Street Journal geschah dies im Rahmen von "Recovery efforts", eine ziemliche weitläufige Kategorie, in der allerhand Platz hat.

Trumps Anweisung wurde in Medien zusammengebracht mit der Ankündigung eines baldigen Rückzugs: "Wir gehen da sehr bald raus. Andere sollen sich um Syrien kümmern."

Der Rückzug der USA aus Syrien steht noch aus, aber die Zahlungen wurden offenbar tatsächlich eingestellt, wie aus einer bemerkenswerte Reaktion von syrischen Oppositionellen hervorgeht. Sie besagt nämlich: Wenn die USA nicht weiter bezahlen, schließen wir uns den bewaffneten Milizen an - "weil wir dazu gezwungen werden", wie aus einem Zitat hervorgeht, das in einem Bericht von Syria:direct zu lesen ist.

Die Publikation hat enge Kontakte zu Oppositionsgruppen aller Schattierungen; sie ist eine Plattform für Äußerungen der zivilen Opposition, die im Westen gerne wiedergegeben wurden, da sie als Ausweis des zivilen Aufstands gegen den Diktator Baschar al-Assad galt.

Dass der Aufstand faktisch sehr bald von bewaffneten islamistisch geprägten Milizen mit einer ganz anderen Agenda geprägt, dominiert und kontrolliert wurde, wurde in der westlichen Berichterstattung lange unter den Tisch gekehrt.

Der überwiegende Teil der Berichte großer Medien richtete sich danach, was die Regierungen in den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland als politische Orientierungslinie ausgaben ("Pro-Rebellen", "Anti-Assad", vor allem "Anti-Russisch").

"Gezwungen"

Syria:direct zitiert in ihrem Bericht ein Mitglied der zivilen Opposition, der sich durch die Einstellung der US-Zahlungen gezwungen sah, sich einer bewaffneten Gruppe anzuschließen, zuvor arbeitete er bei einem Radiosender namens "Fresh":

Ich hätte mir nie vorstellen können, dass sich eines Tages meine Arbeit verlasse und mich einer bewaffneten Gruppe anschließe, Waffen trage und zur Front gehe. Ich war gezwungen, dies zu tun, um meine Familie zu versorgen.

Muhammad al-Ali

Der frühere Radiomoderator Al-Ali ist nun "Verbindungsoffizer" der "Freien Syrischen Armee", wo er alle zwei Monate 100 Dollar bekommt, so Syria:direct; erzählt wird auch von einem Khaled Abdul Kareem, der wie 650 andere Angestellte der Vereinigung der revolutionären Büros nun arbeitslos ist, weil kein Geld mehr aus den USA kommt.

Die Vereinigung der revolutionären Büros gehörte zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die USA bis zur Anweisung Trumps unterstützt haben. Jetzt ist Khaled Abdul Kareem zur Hayat al-Tahrir al-Sham, der Nachfolgegruppe von al-Nusra, dem al-Qaida-Ableger, gegangen; auch er sagt, dass er Geld für die Familie braucht.

Ob es tatsächlich keine anderen Möglichkeiten für die Männer gibt, darüber ist aus der Ferne schwer zu urteilen. "Gezwungen " ist ein effektvolles Wort, mit dem Forderungen und Ansprüche verbunden werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich wieder einmal zeigt, wie breit die beträchtlichen Unterstützungssummen aus den USA gestreut waren. Die USA haben die Opposition weitflächig unterstützt, eben nicht nur die bewaffneten Milzen mit mehr als einer Milliarde Dollar, sondern auch zivilgesellschaftliche Bereiche, wozu die White Helmets gehören, die Revolutionären Büros und oppositionelle Medien, die ihre Auffassung der Konflikte an die westlichen Medien weiterkabelten.

Besonders interessant ist das Erpressungspotential, das aus solchen Aussagen - "Ich bin nun gezwungen, mich der bewaffneten Opposition anzuschließen" - zu gewinnen ist. Nicht unbedingt von den einzelnen Individuen, sondern von den NGOs, die von den Zahlungen profitierten oder dank ihrer überhaupt nur überleben konnten, und von ihren Fürsprechern in den Expertenkreisen.

Ein Modell für die ganze Welt?

Zu nennen wäre da etwa Charles Lister, der sich seit vielen Jahren für mehr Unterstützung aus dem Westen für den Umsturz in Syrien stark macht und nun per Twitter konstatiert, dass die USA durch die Einstellung der Zahlung von 200 Millionen Dollar für "Stabilisierungshilfe" Mitarbeiter zivilgesellschaftlicher Einrichtungen dazu "zwingt", sich gegen Geld bewaffneten Gruppen, einschließlich terroristischer, anzuschließen.

Die Reaktionen, die Lister von anderen Beobachtern oder Experten erhält, mokieren sich: US-Steuerzahler sollen 200 Millionen Dollar zahlen, um Syrern eine Alternative zum Beitritt einer bewaffneten Miliz oder einer Terroristengruppe zu bieten? Warum sollte diese Idee nur für Syrien in Frage kommen und nicht weltweit?"

Auch Syrien-Experten, die der Assad-Regierung kritischer gegenüberstehen, finden den programmatischen Ansatz sonderbar.